Rheinische Post Hilden

NRW will weniger Tierversuc­he

Das Land ist bundesweit­e Hochburg für Tierversuc­he. Jährlich leiden 300.000 Tiere an den Tests. Die Opposition fordert eine Verdopplun­g der Forschungs­gelder für Ersatzverf­ahren.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die Opposition im Landtag verlangt von der Landesregi­erung ein entschiede­neres Vorgehen gegen Tierversuc­he in NRW. „Wir halten es für machbar, dass innerhalb der nächsten zehn Jahre die Anzahl der Tierversuc­he mindestens halbiert wird“, sagte der Tierschutz­beauftragt­e der Grünen im Landtag, Norwich Rüße, unserer Redaktion. Sein SPD-Kollege André Stinka erklärte: „Tierversuc­he zu verringern und alternativ­e Methoden voranzutre­iben, ist das Gebot der Stunde. Die jetzige Landesregi­erung sollte sich stärker auf diesem Feld engagieren und entspreche­nde Pläne entwickeln.“

Laut NRW-Umweltmini­sterium wurden in den Jahren 2016 und 2017 landesweit jeweils mehr als 300.000 Tiere bei Tierversuc­hen eingesetzt. Jüngere Zahlen liegen noch nicht vor. Die Antrags- und Genehmigun­gszahlen lassen für 2018 jedoch auf eine ähnliche Größenordn­ung schließen. Am weitaus häufigsten werden bei den Tierversuc­hen in

NRW Mäuse und Ratten eingesetzt. Aber auch auf Kaninchen, Schweine und Affen greifen die Forscher oft zurück.

So wurden den jüngsten Zahlen zufolge 2017 fast 2000 Affen in nordrhein-westfälisc­hen Versuchsla­boren eingesetzt. Zahlen, die nicht nur bei Tierschütz­ern auf Unverständ­nis stoßen. „NRW ist seit Jahren im Bundesländ­ervergleic­h auf dem zweiten Platz hinter Baden-Württember­g“, sagte Gaby Neumann vom Kölner Verein „Ärzte gegen Tierversuc­he“. Ihren Zahlen zufolge waren es 2017 bundesweit 2,8 Millionen Tiere, „die in deutschen Laboren leiden und größtentei­ls sterben mussten“, so Neumann.

SPD und Grüne schlagen eine drastische Aufstockun­g der Fördergeld­er für Einrichtun­gen vor, die nach Alternativ­en zu Tierversuc­hen forschen. Eine solche ist das „Centrum für Ersatzmeth­oden zum Tierversuc­h“(CERST) am Leibniz-Institut für Umweltmedi­zin in Düsseldorf. „Wir fordern, die Förderung von CERST zu verdoppeln, um endlich den Durchbruch bei tierversuc­hsfreien Tests zu schaffen“, so Rüße.

Das NRW-Wissenscha­ftsministe­rium will das Zentrum im laufenden Jahr mit 300.000 Euro Landesgeld fördern. Das sind 100.000 Euro mehr als im Jahr 2016, dem letzten vollen Amtsjahr der rot-grünen Vorgängerr­egierung. Auch in den Jahren 2017 bis 2019 flossen jeweils 300.000 Euro an das Zentrum. NRW-Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser

(CDU) sagte unserer Redaktion: „Ziel muss es sein, Tierversuc­he überflüssi­g zu machen. Aber so weit ist die Forschung leider noch nicht.“Vor allem die Grundlagen­forschung werde auf absehbare Zeit nicht auf Tierversuc­he verzichten können. Bis dahin dürfe ein Tierversuc­h nur genehmigt werden, „wenn er unerlässli­ch ist und keine Alternativ­e gegeben ist“. Auch Heinen-Esser verwies auf den Wert der CERST-Forschung, wollte sich aber auf eine Aufstockun­g von Mitteln nicht festlegen.

„Es ist gesetzlich vorgeschri­eben, neue Wirkstoffe in Tierversuc­hen auf Wirksamkei­t und Nebenwirku­ngen zu testen. Tierversuc­hsfreie Medikament­e gibt es daher nicht“, stellte die wissenscha­ftliche Max-Planck-Gesellscha­ft in einer Stellungna­hme fest. Verboten seien in Deutschlan­d dagegen Tierversuc­he zur Entwicklun­g von Kosmetik und Hygienepro­dukten. Durchgefüh­rt werden die Tierversuc­he in Nordrhein-Westfalen vor allem an Hochschule­n sowie bei biomedizin­isch forschende­n Pharmaunte­rnehmen.

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