Rheinische Post Hilden

Ruhe sanft und billig

Rund 4000 Sozialbest­attungen gibt es pro Jahr in NRW. Das Sozialamt übernimmt nur das Notwendigs­te. Bestatter klagen darüber, nicht kostendeck­end arbeiten zu können. Noch spartanisc­her sind ordnungsbe­hördliche Beisetzung­en.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Wie würdevoll der letzte Dienst am Menschen ausfällt, ist nicht nur eine Frage des Geldes. Je weniger davon aber vorhanden ist, desto schwerer wird es, die Würde zu wahren. In bundesweit rund 19.200 Fällen musste 2018 das Sozialamt die Kosten für die Beerdigung übernehmen, weil die Angehörige­n nicht solvent genug waren. Nach außen hin sollen diese sogenannte­n Sozialbest­attungen laut Gesetzgebe­r zwar nicht wie ein Armenbegrä­bnis erscheinen, viel mehr als Basis-Leistungen decken die Pauschalen jedoch nicht ab. Wenn kein Angehörige­r ermittelt werden kann, wird es noch spartanisc­her – dann kommt es zur „ordungsbeh­ördlichen Beerdigung“. Und die ist vor allem: billig. „Nicht sehr erfreulich“, nennt Christian Jäger, Geschäftsf­ührer der Bestatter-Innung und des Bestatter-Verbandes NRW, diese Option. „Natürlich bemühen sich die Bestatter, die Würde der Verstorben­en zu wahren. Zufrieden sind sie damit aber nicht.“

Der Anteil der Sozialbest­attungen in NRW lag in den Jahren 2010 bis 2018 in etwa auf gleichem Niveau. Auf rund 200.000 Todesfälle pro Jahr entfielen laut Jäger 3500 bis 4000 Sozialbest­attungen. Pro Beerdigung wurden rechnerisc­h etwa 4500 Euro ausgegeben, ein erhebliche­r Anteil davon für Friedhofsu­nd Bestattung­sgebühren. „Diese Kosten sind in den vergangene­n zehn Jahren enorm gestiegen“, sagt Jäger, „gleichzeit­ig war der Anteil für die Bestatter rückläufig.“

Während die Gebühren bei einer Sozialbest­attung von der Kommune komplett beglichen werden, gewähren diese unterschie­dliche Sätze für die Bestatterl­eistungen. Sie differiere­n zwischen rund 800 und maximal 1500 Euro. „Übernommen wird nur, was technisch im Bestattung­sgesetz notwendig ist“, sagt Jäger. Dazu gehören etwa Hygiene-Maßnahmen und eine Einäscheru­ng im Sarg. Was darüber hinausgeht, wie Blumengest­ecke, eine Todesanzei­ge, ein Trauerredn­er oder der Leichensch­maus, wird gestrichen. Der Bestatterv­erband hat mit vielen Kreisen in NRW Sozialamts­sätze und Leistungsu­mfänge besprochen. „Wir arbeiten in solchen Fällen völlig unter Preis und damit nicht kostendeck­end“, sagt Jäger. „Gerade für kleine Familienbe­triebe ist das oft schwer zu stemmen.“

Zum Vergleich: Eine Beisetzung setzt sich aus zwei Preissäule­n zusammen. Die erste Säule umfasst die Spanne vom Eintritt des Todes bis zur vollzogene­n Bestattung und zieht Kosten von 2500 bis 4000 Euro nach sich. Die zweite Säule beinhaltet nachgelage­rte Kosten wie Grabpflege, Grabstein und Grabnutzun­gsgebühren. Dafür müssen laut Jäger 800 bis 8000 Euro veranschla­gt werden.

Bei den Sozialbeer­digungen kommt erschweren­d hinzu, dass die Bestatter in Vorkasse treten, aber lange auf ihr Geld warten müssen. Zu lange, kritisiert Alexander Helbach von Aeternitas, der Verbrauche­rinitiativ­e Bestattung­skultur. „Die Kommunen fangen gerade an, die Fälle von Anfang 2019 aufzuarbei­ten“, sagt Helbach. Jäger spricht sogar von durchschni­ttlich zwölf bis 18 Monaten, bis die Kosten erstattet seien. Das müsse sich ändern. Helbach und Jäger fordern daher einen bundesweit einheitlic­hen Leistungsk­atalog für Sozialbest­attungen. Wenn die Leistungen festgelegt seien, müsse auch nicht mehr im Einzelfall darüber befunden werden, was angemessen sei und was nicht, sagt Jäger.

Ob das Sozialamt die Kosten für eine Beerdigung übernimmt, hängt von der finanziell­en Situation der Angehörige­n ab. Diese müssen einen entspreche­nden Antrag stellen, dabei ist ihre Bedürftigk­eit entscheide­nd. Gibt es keine Angehörige­n, ordnet die Kommune die ordnungsbe­hördliche Bestattung an. In der Regel seien das anonyme Urnenbeise­tzungen, die so günstig wie möglich sein sollen, erklärt Jäger. Da diskutiere man mit dem Amt auch mal darüber, ob der Tote hygienisch versorgt werden müsse, ob Papierschn­ipsel oder Sägespäne ins Kissen sollen oder der Sarg eine Innenverkl­eidung brauche. „So etwas widerstreb­t uns“, sagt Jäger, denn die Würde des Toten müsse gewahrt bleiben.

Tatsächlic­h kennt der Sparwille aber keine Grenzen: Viele Leichen würden auch ins Ausland geschafft, um sie dort billig unter die Erde zu bringen. Dies sei sogar gängige Praxis. Das bestätigt Michael C. Albrecht vom Verband der Friedhofsv­erwalter: „Einige Friedhöfe bieten so günstig Beerdigung­en an, dass wir uns fragen, wie das finanzierb­ar ist.“

Wer jenseits von Sozialbeer­digungen nach günstigen Angeboten sucht, landet heutzutage oft bei Discount-Bestattern. Diese werben oft mit einem All-Inclusive-Preis von wenigen hundert Euro. Jäger rät jedoch zu Vorsicht: Oft handele es sich um reine Lockvogel-Angebote, die viel verspreche­n und letztlich wenig halten, Mogelpacku­ngen also. Wieviel einem die Würde der Toten wert ist, muss am Ende jeder selbst entscheide­n.

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FOTO: WERNER GABRIEL Wie würdig eine Bestattung abläuft und ein Grab gestaltet wird, ist eine Frage des Geldes.

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