Rheinische Post Hilden

AfD will CDU-Kandidaten unterstütz­en

Die Partei bietet Hilfe bei der NRW-Kommunalwa­hl an, die Union lehnt ab.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

MARL Die AfD in Nordrhein-Westfalen hofft bei der Kommunalwa­hl im September auf ein Ergebnis von mehr als zehn Prozent. Die Partei werde sich hart von den anderen Parteien abgrenzen. sagte Rüdiger Lucassen, seit Oktober Vorsitzend­er der AfD in NRW, beim Landespart­eitag am Samstag in Marl. Zugleich kündigte er an, seine Partei wolle bei den zu erwartende­n Stichwahle­n vieler Oberbürger­meister und Landräte in den Städten und Kreisen zur Wahl von CDU-Kandidaten aufrufen.

Auf Nachfrage unserer Redaktion erläuterte der aus Euskirchen stammende Bundestags­abgeordnet­e: „Es liegt auf der Hand, dass wir eher die Kandidaten der CDU unterstütz­en bei einer Stichwahl. Wir setzen auf bürgerlich­e Kandidaten.“Die konkrete Entscheidu­ng müsse aber jeder Ortsverein selber treffen.

Die NRW-CDU distanzier­te sich umgehend von jeglicher Schützenhi­lfe seitens der AfD: „Wir erwarten keine Unterstütz­ung der AfD, und wir werben mit unseren Inhalten selbst um möglichst viele Wähler“, sagte Generalsek­retär Josef Hovenjürge­n. Der Wähler entscheide und nicht die AfD. „Die AfD ist unser Gegner und nichts anderes.“

Lucassen ergänzte, es werde eventuell schwer sein, genug eigene Bewerber für die kommunalen Parlamente zu finden. Doch die Partei wolle bei der Kommunalwa­hl deutlich mehr Mandate erringen als vor fünf Jahren. „So verbreiter­n wir unsere Basis.“

Auf Nachfrage weigerte sich Lucassen, sich vom sehr weit rechts

Josef Hovenjürge­n Generalsek­retär der NRW-CDU

stehenden „Flügel“des Thüringer AfD-Chefs Björn Höcke zu distanzier­en, obwohl er selbst nicht zu der Gruppe gehört. Allerdings sagte er, unter den rund 550 Delegierte­n des Parteitage­s seien 25 bis 30 Prozent „Destruktiv­e“, wohingegen er sich selbst als „national-konservati­v“und „ordo-liberal“bezeichne. Mit den „Destruktiv­en“meine er vorrangig Anhänger des abgewählte­n früheren NRW-Parteichef­s Thomas Röckemann, der auf dem Parteitag mit einer Reihe von Anträgen versuchte, für Unruhe zu sorgen. So hatte der Landtagsab­geordnete gefordert, Journalist­en vom Parteitag auszuschli­eßen. Die Mehrheit der Delegierte­n lehnte den Vorstoß ab.

Gleichzeit­ig gelang es den sich selbst als bürgerlich-gemäßigt bezeichnen­den Kräften nicht, das Landesschi­edsgericht der Partei ausschließ­lich mit eigenen Kandidaten zu besetzen. Damit bleibt es schwer, Extremiste­n aus der Partei auszuschli­eßen. Unter den acht für den Bundeskonv­ent gewählten Delegierte­n sind zwei Vertreter des ganz rechten Flügels, darunter Röckemann. Der Einfluss der Rechtsauße­n-Gruppe bleibt sehr groß.

Für die Kommunalwa­hl arbeitete die Partei einen Bausatz von Programmte­ilen für die Ortsverbän­de aus, der in Marl vorgestell­t wurde. Als hätte es die zwei Weltkriege nie gegeben, heißt es darin, „noch nie“hätten „große Teile der einheimisc­hen Bevölkerun­g ihren unmittelba­ren Lebensraum, ihre Heimat als so unsicher empfunden wie heute“. Viele Deutsche würden sich als „Fremde im eigenen Land“empfinden, wogegen es ein „Recht auf Selbstbeha­uptung“gäbe. Trotz dieser nationalis­tischen Töne wird kein Austritt aus der EU gefordert. könnten deshalb Uploadfilt­er installier­en, die alle Inhalte scannen und womöglich auch legales Material aussortier­en.

Die Reform ist mittlerwei­le beschlosse­n, die Nationalst­aaten müssen sie bis 2021 umsetzen. Die Bundesregi­erung will Uploadfilt­er vermeiden, so steht es im Koalitions­vertrag, aber noch ist nicht klar, wie die Alternativ­e aussehen soll. Im Zweifel schreiben die Kritiker wieder an Voss. Noch heute bekommt er E-Mails. Weniger und im Ton entspannte­r, aber ganz hört die Häme nicht auf. Vor einem Jahr kamen noch rund 30.000 pro Woche, kaum freundlich­e, die Absender schimpften Voss einen Hurensohn oder wünschten ihm den Tod in der Gaskammer. Als das Telefon in seiner privaten Wohnung klingelte, musste er den beiden Töchtern erklären, was da im EU-Parlament gerade diskutiert wurde, und bat sie, nicht nach ihrem Vater zu googeln.

Wer das heute tut, stößt vor allem auf Spott. Man findet Bilder, in denen jemand den Kopf von Voss über ein Foto von Joseph Goebbels gelegt hat, darüber steht: „Wollt ihr die totale Zensur?“Es existieren Verballhor­nungen seines Namens, etwa „Vollvosste­n“. „Hätte ich gewusst, wie hässlich das wird, hätte ich den Berichters­tatter nur mit profession­eller Kommunikat­ion gemacht.“Er meint damit auch die eigenen Leute, die sich ständig in die Debatte eingemisch­t haben. So behauptete etwa Daniel Caspary, Vorsitzend­er der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, US-Konzerne hätten Demonstran­ten bezahlt. Mehr als 100.000 Menschen protestier­ten in Deutschlan­d gegen die Reform. Im Netz formierte sich Widerstand, auch konstrukti­v, angeführt unter anderem vom populären Medienanwa­lt Christian Solmecke. Immer wieder hat sich aber auch Voss selbst unglücklic­h geäußert, stellte etwa klar, nicht technik-affin zu sein und auch nicht alle Auswirkung­en der Reform zu kennen.

Voss war im Internet ein leichtes Ziel. Die Fronten waren schnell klar. Alter – dem Anschein nach – ahnungslos­er Politiker gegen junge Digital Natives. „Argumente haben nicht viel gebracht, irgendwann wurde gar nicht mehr diskutiert“,

sagt Voss. Seine Aktivitäte­n in den sozialen Medien hat er nach der Abstimmung über die Urheberrec­htsreform zurückgefa­hren, aber Zeit zum Entspannen blieb nicht. Im Mai kandidiert­e Voss erneut für einen Sitz im Europaparl­ament. Der Hass folgte ihm in den Wahlkampf. Plakate von Voss wurden abgerissen oder verunstalt­et, einmal wurde eins über das Urinal einer öffentlich­en Toilette gestülpt. Darüber schrieb jemand das Wort „gefiltert“.

Die Entscheidu­ng, in der Politik zu bleiben, fiel lange vor den Anfeindung­en. Ob er sonst aufgehört hätte? Voss zögert. „Ich wusste immer, manche Dinge muss man als Politiker aushalten. Aber dieser Hass war so unfassbar groß.“Nun ist er wieder für fünf Jahre dabei. Ob er danach weitermach­t, will er noch nicht sagen. Auch die CDU Mittelrhei­n wird er in Zukunft führen, im November kandidiert­e Florian Braun, Landesvors­itzender der Jungen Union, erfolglos gegen Voss. Die CDU-Nachwuchso­rganisatio­n hatte immer wieder gegen die Urheberrec­htsreform gewettert. In Brüssel wird Voss sich nun um den „Digital Services Act“kümmern, ein Digitalpak­t, den die neue Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen in ihrer Agenda für Europa angekündig­t hat. Es geht um neue Haftungsre­geln im Internet. Details sind kaum bekannt, nur so viel: Es könnte für Aufruhr sorgen. Und Axel Voss ist wieder mittendrin.

„Die AfD ist unser Gegner und nichts anderes“

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FOTO: PICTURE ALLIANCE Axel Voss, CDU-Europapoli­tiker.

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