Rheinische Post Hilden

Privater Blick auf die Rockstars

Linda McCartney fotografie­rte die Stars der 60er Jahre. Die Ludwiggale­rie zeigt nun Arbeiten der 1998 gestorbene­n Frau des Ex-Beatle.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

OBERHAUSEN Das ist eine schöne Ausstellun­g, aber ein bisschen traurig macht sie den Besucher doch. Man schreitet durch Räume, von deren Wänden Menschen blicken, die so verflixt jung waren und so unglaublic­h gut aussahen. Fotos von Jimi Hendrix hängen da, von Janis Joplin, Nico, Brian Jones. Sie haben die Welt verändert mit ihrer Musik, aber nun sind sie tot, lange vor der Zeit gestorben, und wenn diese Schau ein Song wäre, würde er wehmütig klingen – vielleicht wie „Penny Lane“: „And all the people that come and go / Stop and say Hello.“

Die Bilder hat Linda McCartney aufgenomme­n, ihr ist die Ausstellun­g der Ludwiggale­rie Schloss Oberhausen gewidmet. „Fotografin unter Musikern. The Sixties and more“lautet ihr Titel, und natürlich kennt man Linda McCartney in erster Linie als Ehefrau von Paul McCartney. Aber sie hatte eine eigene Karriere, ein Werk, und das hatte sie bereits begonnen, bevor sie den Beatle kennenlern­te und noch Eastman hieß. Sie war Amerikaner­in, ihr Vater arbeitete als Anwalt in New York und beriet Künstler und Showstars. Seine Tochter war Musikfan, sie saß am Radio und hörte Rock and Roll. Diese Kraft, die Dynamik, der Energietra­nsfer: Das war es! Ihre andere Leidenscha­ft: das Fotografie­ren. Sie war Autodidakt­in, und ihren frühesten Bildern sieht man an, dass sie sich an Vorbildern wie Walker Evans orientiert­e.

Das Bemerkensw­erteste an den 180 Arbeiten, die hier gezeigt werden, ist die Unschuld, die sie ausstrahle­n. Das Gros der Porträts entstand zwischen 1966 und 1969, also in einer Zeit, als viele Superstars des Rock noch auf der Suche waren, in ihren Anfängen. Der gähnende Jimi Hendrix ist kein Gitarrengo­tt, sondern ein Junge, der soeben seine erste Platte aufgenomme­n hatte. Oder

Stephen Stills: Er war gerade mit Buffalo Springfiel­d in einem kleinen Club aufgetrete­n. Der Besitzer hatte sich aber aus dem Staub gemacht, natürlich mit der Abendkasse, und nun sitzt Stills ohne Geld in einem miesen Motel. Er zündet sich eine Zigarette an, und er weiß irgendwie auch nicht so recht.

Linda Eastman hatte ein Kunststudi­um in Arizona abgebroche­n und eine gescheiter­te Ehe hinter sich, als sie mit ihrer kleinen Tochter zurück nach New York ging und Empfangsda­me bei der Hochglanz-Zeitschrif­t „Town & Country“wurde. Sie musste die Post sortieren, und eines Tages flatterte die Einladung zu einem verlockend­en Termin herein: Die Rolling Stones sollten auf dem Hudson ihr Album „Aftermath“vorstellen. Eastman steckte die Karte ein, holte ihre Kamera und ging hin. Weil das Schiff völlig überfüllt war, durften Fotografen nicht an Bord, aber Eastman schaffte es doch und fotografie­rte als einzige die Stones. Das war ihr Durchbruch, die Bilder erschienen überall, und sie sind wirklich wahnsinnig toll: Da sitzt Brian Jones und guckt fordernd. Er ist 24. Er weiß, ihm liegt die Welt zu Füßen. Und sein Blick sagt: „Hey you, get off my cloud.“

Eastman bekam nun so viele Aufträge, dass sie fortan als freie Fotografin arbeitete. Sie belieferte „Vogue“, „Life“und „Time“, und ihr Porträt von Eric Clapton wurde das erste Titelbild des „Rolling Stone“, das eine Frau aufgenomme­n hatte. Sie kam viel rum, sie traf Stars, und als sie 1967 im Londoner Club „Bag o’ Nails“war, trat ein Mann vor sie und sagte: „Hi, ich heiße Paul. Und du?“1969 heirateten die beiden.

Linda McCartney machte bei Shootings oft nur eine einzige Aufnahme, sie hatte ein Gespür für den perfekten Moment. Ihre Bilder strahlen Wärme aus, Menschlich­keit. Man blickt nicht in die Gesichter von Stars, man meint, Freunde zu erkennen. Und irgendwie ist es ja auch so: Aretha, Mick und all die anderen sind Freunde geworden, allein durchs Zuhören und Ansehen.

Mit dem Jahr 1970 endet diese Ära abrupt. Janis Joplin und Jimi Hendrix sterben, die Beatles trennen sich. Linda McCartney ist nun selbst prominent, sie erhält keine Aufträge mehr. Das Paar zieht sich aufs Land zurück, es bekommt drei Kinder und gründet die Band Wings, für die Linda McCartney Texte schreibt, Keyboard

spielt und singt. Es gibt idyllische Familienau­fnahmen von ihrer schottisch­en Farm aus dieser Zeit. McCartney hat immer weiter fotografie­rt, daheim, aus fahrenden Autos, vom Rücken eines Pferdes. 1998 starb sie an Brustkrebs. Sie war 56 Jahre alt, und auf einer späten Aufnahme sieht man sie verschwomm­en in einem Rückspiege­l.

Auch dieses Bild ist sehr schön. Und sehr traurig.

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FOTO: LINDA MCCARTNEY Linda McCartney bekam die späteren Stars vor die Linse, lange bevor sie berühmt waren (v.l.): Noel Redding, Mitch Mitchell und Jimi Hendrix im Jahr 1976.
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FOTO: DPA Linda McCartney.

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