„Bus und Bahn sind für Ältere zu teuer“
Düsseldorf ist für Senioren lebenswert. Sorgen bereiten die Themen Wohnen und Pflege.
Frau Schneider, Düsseldorf ist eine boomende Stadt, sehr attraktiv, aber auch voll und im Vergleich teuer. Ein guter Ort für Senioren? ULRIKE SCHNEIDER Da möchte ich mit einem klaren Ja antworten. Es gibt die Schlösser in Benrath und Kalkum, den Hofgarten und den Rheinpark, ein tolles Kulturangebot für Senioren, zu dem nicht zuletzt die Spee-Akademie und der Kulturherbst zählen. Und für die Schwächeren gibt es viele helfende Hände. Das Angebot ist wirklich enorm vielfältig. Ich kenne Menschen, die im Alter ihr Häuschen im Speckgürtel rund um Düsseldorf verkaufen und sich hier eine Wohnung suchen, weil die Wege zu Einkaufs- und Kulturangeboten kürzer sind, weil sie hier viele Ärzte und Kliniken vorfinden und weil sie das alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichen können.
Klingt gut, aber bezahlbare Wohnungen sind in Düsseldorf doch Mangelware.
SCHNEIDER Das stimmt und neben fehlenden Pflegeplätzen drückt bei diesem Thema der Schuh ganz besonders. Stirbt der Partner oder wird ein Bestand umfassend saniert, kann die angestammte Wohnung plötzlich viel zu teuer sein. BURKHARD HINTZSCHE Schaut man bei der Bewertung der Lebenssituation von Menschen jenseits der 60 auf die Wohnkosten, schneiden fast alle deutschen Großstädte schlecht ab. Für Düsseldorf gilt das in besonderem Maße, eben weil die Stadt attraktiv ist. Hier greifen letztlich Marktmechanismen. Eine hohe Nachfrage und ein knappes Angebot sorgen für einen hohen Preis. Auf der anderen Seite können und wollen wir unsere Stadt nicht unattraktiver machen, nur weil dann die Mieten möglicherweise wieder sinken.
Also muss man es so hinnehmen? HINTZSCHE (schmunzelt) Natürlich nicht. Ein Hebel ist das Handlungskonzept Wohnen, das für größere Neubauvorhaben vorschreibt, dass 40 Prozent für sozial geförderten sowie preisgedämpften Wohnraum vorzusehen sind.
SCHNEIDER Ganz wichtig ist das Thema Wohnungstausch, das der Seniorenrat gemeinsam mit der Stadt vorantreibt. Die Anreize – darunter auch eine finanzielle Förderung – wurden ja gerade noch einmal deutlich erhöht.
Aber die Fälle, in denen so etwas tatsächlich gelingt, kann man an zwei oder drei Händen abzählen. SCHNEIDER Was auch daran liegt, dass Senioren, die sich verkleinern wollen, meist nicht bereit sind, für eine neue Wohnung 50 Prozent mehr zu zahlen als für ihr doppelt so großes angestammtes Heim.
HINTZSCHE Eine Tauschbörse ist auch nur ein Mosaikstein von vielen. Andere Entwicklungen kommen hinzu. So gab es vor etwa zehn Jahren 25 geförderte neue Wohneinheiten pro Jahr, inzwischen sind es mehr als 700. Und die Zahl der Baugenehmigungen ist inzwischen wieder auf sehr hohem Niveau.
Bleibt die Frage: Ist Wohnen in Düsseldorf für Senioren bezahlbar? HINTZSCHE Für die meisten ja. Wir dürfen nicht vergessen, dass Ältere, die seit 20, 30 oder 40 Jahren im Bestand leben, meist noch moderate Mieten zahlen. Anders sieht das natürlich bei den Neubauten aus, die frei finanziert sind.
Berlin hat die Mieten eingefroren. Kann Düsseldorf von der Hauptstadt lernen?
HINTZSCHE (lacht) Ich will der Politik, die so etwas entscheidet, da keine Vorgaben machen. Aber meine Meinung ist, dass wir die, die hier in Wohnraum investieren wollen, nicht verprellen sollten. Dann haben wir am Ende nicht mehr, sondern weniger Wohnungen.
In Düsseldorf fehlen mehr als 1000 stationäre Pflegeplätze. Wie groß ist der Druck?
SCHNEIDER Ziemlich groß. Ich kenne einen Fall, da haben die Angehörigen weder einen Platz in Düsseldorf noch im Kreis Mettmann gefunden und sind am Ende nach Duisburg-Ruhrort ausgewichen. Die alte Dame wurde aus allem, was ihr wichtig war, herausgerissen.
Was kann die Stadt tun, um das zu ändern?
HINTZSCHE In Kooperation mit meiner Kollegin Cornelia Zuschke berücksichtigen wir die Bedürfnisse in diesem Bereich zunehmend stärker bereits bei der Planung neuer Wohngebiete. So wie wir es bereits bei Kitas und Schulen tun. Das macht auch deshalb Sinn, weil die Zahl der Senioren in den kommenden Jahren deutlich steigen wird.
Und was ist mit günstigen städtischen Grundstücken, von denen die Träger und Betreiber solcher Heime profitieren könnten?
HINTZSCHE Deren Zahl ist bekanntermaßen begrenzt. Und es liegt auch nicht nur daran. Selbst wenn es die Flächen gäbe, heißt das noch nicht, dass die Träger sofort bauen würden. Und das liegt unter anderem an fehlenden Fachkräften. Was ich mir wünsche, ist eine bundesweite Pflegeplatz-Garantie analog zum Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr. Aber da bohren wir natürlich dicke Bretter.
Viele Senioren sind unzufrieden, manchmal sogar verzweifelt darüber, dass der öffentliche Nahverkehr für ihr Budget einfach zu teuer ist und sie für ein Vierer-Ticket mehr als zehn Euro zahlen müssen. Manch einer verzichtet sogar darauf, zu bestimmten Veranstaltungen zu fahren. Und andere gehen extra einen weiten Weg, damit sie an der Haltestelle einsteigen, ab der der Kurzstreckentarif greift. Passt das zu einer seniorenfreundlichen Stadt?
SCHNEIDER Nein. Tut es absolut nicht. Preisnachlässe im ÖPNV gehören zu den zentralen Forderungen des Seniorenrats. Das hat ganz viel mit Teilhabe und einem erfüllteren Leben zu tun.
Also viel Luft nach oben? HINTZSCHE Ein klares Ja. Die Mobilitätskosten sind generell und damit auch für Senioren zu hoch.
Was tun?
HINTZSCHE Sollten wir mit unserer Bewerbung um ein subventioniertes Jahresticket zum Preis von 365 Euro erfolgreich sein, könnte ich mir vorstellen, dass bedürftige Bürger ab 60 nur 50 Prozent davon zahlen. SCHNEIDER Da bin ich skeptisch. Denn das liefe ja immer noch auf einen Preis von etwa 180 Euro hinaus. HINTZSCHE Was 50 Cent pro Tag bedeutet. Zu diesem Preis könnten
Sie dann den gesamten öffentlichen Nahverkehr für ganz Düsseldorf nutzen.
SCHNEIDER Aber nicht alle würden das täglich wollen. Und gerade für Menschen mit knappem Budget sind 180 Euro dann doch wieder viel. HINTZSCHE Aber dieser Preis liegt deutlich unter 20 Euro im Monat und damit unter dem, was im Regelsatz der Sozialhilfe dafür vorgesehen ist.
Und wenn die Genehmigung für das 365-Euro-Ticket ausbleibt? HINTZSCHE Werden wir nach anderen Nachlass-Möglichkeiten suchen.
Frau Schneider, hätten Sie noch andere Vorschläge für Nachlässe? SCHNEIDER Aber ja. Was uns am Herzen liegt, wäre ein freier Eintritt in Museen und Kultureinrichtungen an allen Tagen. Bis jetzt gilt das ja für die Sonntage.
Können sich Senioren in Düsseldorf sicher fühlen?
SCHNEIDER. Ja. Ich fahre oft mit Bus und Bahn. Manchmal auch, wenn es schon dunkel ist. Angst habe ich noch nie gehabt. Das geht meinen Bekannten genauso. Und auch beim Einkaufen habe ich noch nicht darüber nachgedacht, dass ich bestohlen werde. Wachsam sein sollte man natürlich. Und nachts um halb zwölf würde ich auch nicht unbedingt vom Hauptbahnhof aus mit der U 79 in den Norden zurückfahren.