Mieten in den Großstädten steigen langsamer
Viele können sich das Wohnen in den sogenannten Schwarmstädten nicht leisten. Sie suchen sich Wohnraum daher im Umland – mit Konsequenzen für die Preise dort.
DÜSSELDORF Am deutschen Immobilienmarkt gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte zuerst: Die Preise für Häuser und Wohnungen sind auch im vierten Quartal des vergangenen Jahres gestiegen, und sie werden das vermutlich so lange tun, wie die Niedrigzinsphase in der Euro-Zone anhält. Also noch auf Jahre hinaus, womöglich noch zehn Jahre, wie besonders große Skeptiker glauben. Dieses Zinsniveau treibt die Nachfrage.
Die einigermaßen gute Nachricht: In den Ballungszentren, in denen viele über einen eklatanten Mangel an bezahlbarem Wohnraum klagen und die Politik mitunter schon Gegenmaßnahmen angestoßen hat, steigen die Mieten wenigstens langsamer. Das zeigen die jüngsten Zahlen des Berliner Forschungsund Beratungsinstituts Empirica, das in diesem Zusammenhang von Schwarmstädten spricht. Gemeint sind Düsseldorf, Köln, Frankfurt, Stuttgart, München, Hamburg und Berlin.
Mietanstieg Da, wo die Mieten steigen, tun sie dies nicht wegen der niedrigen Zinsen, sondern weil viele
Menschen aus dem In- und Ausland in die betreffende Stadt kommen. Dort treffen sie auf einen Markt, auf dem immer noch zu wenig gebaut wird. Am Dienstag bekräftigte der Deutsche Mieterbund seine Forderungen nach mehr neuen Sozialwohnungen. Von denen müssten pro Jahr 80.000 neu gebaut und für 75.000 bestehende Preis- und Sozialbindungen geschaffen werden, so der Mieterbund. Rund 6,5 Milliarden Euro an Fördermitteln seien dafür notwendig, zu denen Bund und Länder je die Hälfte beisteuern sollten.
Zuzug Lange Zeit waren die Schwarmstädte das begehrte Ziel bei den Wanderbewegungen. Doch mittlerweile sind diese Metropolen für viele zu teuer geworden. In Berlin stiegen die Mietpreise laut Empirica-Vorstand Braun binnen 15 Jahren um 90, in Stuttgart um 60 Prozent. Köln und Düsseldorf kamen auf „nur“40 Prozent plus. All das hat den Zuzug regional ein wenig verschoben. „Die Menschen weichen aus in preiswertere Städte“, sagt Braun.
Profiteure des erzwungenen Wandels sind Städte im Umland wie der Rhein-Kreis Neuss und der Kreis Viersen, in denen die Mieten seit 2005 vergleichsweise langsam gewachsen sind. Zum Vergleich: In diesen 15 Jahren kommen die Regionen Neuss (plus 20) und der Kreis Viersen (plus 16 Prozent) nicht annäherrnd an den Durchschnitt der Schwarmstädte (plus 60 Prozent) heran. Auch Bonn liegt mit einem Preisanstieg von 38 Prozent noch deutlich unter dem Niveau der sieben Metropolen.
Eine Folge: In München, dem teuersten Immobilien-Standort der Republik, betrug schon vor zwei Jahren der Saldo aus Zuzüglern und Abgängen minus zehn Prozent. Das heißt: Deutlich mehr Menschen gingen als kamen. Solche Entwicklungen halten seither die Preise im Zaum. Im vergangenen Jahr stiegen die Mieten in den Schwarmstädten laut Empirica durchschnittlich nur noch um 1,5 Prozent. In den beiden Jahren davor waren es noch 5,8 respektive 4,1 Prozent gewesen. Duisburg (plus 6,2), Krefeld (plus 5,6) und Neuss (plus vier Prozent) melden für das abgelaufene Jahr deutlich stärker gestiegene Mieten.
Eigenheime Viele hoffen darauf, dass niedrige Zinsen die Gesamtkosten für das Eigenheim verringern könnten. Ein fataler Trugschluss, weil das die Preise treibt. „Für potentielle Selbstnutzer gilt: Doppelter Preis erfordert doppeltes Eigenkapital“, schreibt Empirica als Fazit aus den Daten. Damit wird die eigene Immobilie für manche unerschwinglich. Zumal Investoren aus dem Ausland die Nachfrage zusätzlich anheizen.
Land-Leerstand Es sei denn, sie ziehen in die Provinz und nehmen im Zweifel höhere Fahrtkosten für den Weg zum Arbeitsplatz in Kauf. Das ist die Gegenbewegung zum bisherigen Exodus in die Schwarmstädte. „Da die Menschen auf dem Land aber auch schön wohnen wollen, verlangen sie Neubauqualität“, sagt Braun. Also wächst der Leerstand im Bestand. Freilich wäre er ohne die Bauherren auf dem Land auf keinen Fall kleiner.