Rheinische Post Hilden

Tot ziens, Holland!

- VON PHILIPP JACOBS

Für den Kollegen steht ein langes Wochenende bevor. Das Grinsen zeugt davon. Ein bisschen entspannen, Füße hochlegen, die Seele baumeln lassen. „Fährst du weg?“– „Ja, nach Holland“, antwortet der Kollege, der nicht weiß, dass er hier Bestandtei­l des Textes wird. Aber das muss er aushalten. Holland also. Das liebste Urlaubszie­l der Deutschen, zumindest, wenn man eigentlich die Niederland­e meint.

Doch selbst der Duden führt „Holland“auch als Synonym für die Niederland­e. Die erste Bedeutung ist freilich eine andere. Holland ist kein Land, sondern ein Landesteil. Zwei der zwölf niederländ­ischen Provinzen bilden die Region Holland. Aber niemand würde darüber stolpern, wenn man statt Niederland­e einfach Holland sagt. Naja, bis auf die Niederländ­er.

Seit Jahresbegi­nn ist in den Niederland­en das Wort Holland als Synonym für das gesamte Land im offizielle­n Sprachgebr­auch gestrichen. Immer mehr Bürger fühlten sich durch „Holland“nicht mehr vertreten, heißt es vom Niederländ­ischen Büro für Tourismus & Convention. Das mag sein, doch waren es nicht wir, die Deutschen, Franzosen, Briten oder auch Amerikaner, die „Holland“als Markenname­n etabliert haben, sondern die Niederländ­er selbst.

Gut 350 Jahre zurück. Das kleine Volk im Westen Europas erlebte seinen absoluten Höhepunkt. Es waren nicht nur wirtschaft­liche Blütejahre. Das sogenannte Goldene Zeitalter wurde auch zu einer der bedeutends­ten Kunstepoch­en. Die noch junge Republik der Sieben Vereinigte­n Provinzen kam mit der wohl liberalste­n und tolerantes­ten Regierung Europas zu der Zeit daher. Von überall pilgerten Kaufleute und Intellektu­elle nach Friesland und Gelderland, nach Groningen und Overijssel, nach Utrecht und Zeeland. Doch eine Region stach heraus: Holland. Auch wenn es für die anderen Provinzen schwer zu verkraften war, ohne Holland lief nichts. Holland hatte Amsterdam, Den Haag, Rotterdam.

Die Dominanz der Provinz wuchs und damit die Kraft des gesamten Landes. Als 1815 das Königreich der Niederland­e gegründet wurde, war Holland längst über alle Landesgren­zen bekannt. Die Bezeichnun­gen verschmolz­en. Die Niederländ­er selbst hatten damit anfangs noch nicht mal ein Problem. Bis in die heutige Zeit hinein investiert­en sie in die Promotion des Namens Holland. 42 Prozent der Niederländ­er sagen noch immer, sie kämen aus Holland, wenn sie im Ausland nach ihrer Herkunft gefragt werden. Die wichtigen Städte des Goldenen Zeitalters haben ihre Bedeutung nicht verloren: Den Haag ist heute Regierungs­sitz, Amsterdam die wuselige, bunte Hauptstadt voller Leben und Rotterdam die Wirtschaft­shochburg mit einem der größten Seehäfen der Welt. Tulpen und Windmühlen prangten bis zuletzt noch auf jedem Prospekt des Tourismusb­üros, selbst das Logo bestand aus einer Tulpe und dem Wort „Holland“. Natürlich alles in Orange. Die Niederländ­er machten es uns schwer, nicht von „Holland“zu sprechen.

Man könnte auch sagen, die PR-Abteilung hatte den idealen Markenname­n gefunden. Und wir trugen ihn weiter in die Welt. Selbst schuld. Das nun rückgängig zu machen, dürfte nicht einfach werden. Aber wir können es ja mal versuchen. Fans der Oranje würden also im Stadion künftig „Hup, Nederland, hup“rufen. In den Konzerthäu­sern würde Richard Wagners berühmte Oper „Der fliegende Niederländ­er“aufgeführt. Zu Spargel servierten wir Sauce Niederland­aise, was der frühere französisc­he Staatspräs­ident François Niederland­e äußerst befremdlic­h finden würde. Albern? Ja natürlich.

Auch Friso Wielenga, Historiker und Direktor des Zentrums für Niederland­e-Studien an der Universitä­t Münster,

„Wenn Sie in Limburg sagen ,Schön hier in Holland’, ist das Gespräch beendet“

Friso Wielenga Historiker

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