Rheinische Post Hilden

SPD darf Sarrazin ausschließ­en

Die Schiedskom­mission der SPD Berlin sieht genug Gründe für einen Parteiauss­chluss des Ex-Finanzsena­tors. Der will dagegen vorgehen.

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BERLIN (jd) Im Ausschluss­verfahren gegen den früheren Berliner Finanzsena­tor und umstritten­en Bestseller-Autor Thilo Sarrazin hat die SPD einen erneuten Erfolg errungen. Nach Angaben der Anwälte Sarrazins vom Donnerstag entschied die Berliner Landesschi­edskommiss­ion in einem Berufungsv­erfahren, dass die Partei Sarrazin ausschließ­en darf. Sarrazin werde nun Berufung bei der SPD-Bundesschi­edskommiss­ion einlegen.

Der Beschluss auf Parteiauss­chluss ist jedoch noch nicht rechtskräf­tig. Sarrazins Anwälte erklärten, ihr Mandant werde vor das SPD-Bundesschi­edsgericht ziehen. Sarrazin hatte angekündig­t, notfalls alle Instanzen bis hin zum Bundesverf­assungsger­icht zu bemühen, um seinen Rauswurf zu verhindern. Das könnte das Verfahren um mehrere Jahre in die Länge ziehen.

Die Gegner Sarrazins werfen dem 74-Jährigen Rassismus und parteischä­digendes Verhalten vor. Sie kritisiere­n, dass der Berliner seine SPD-Mitgliedsc­haft für mehr Aufmerksam­keit ausnutze. Immer wieder hatte er mit islamkriti­schen Thesen auf sich aufmerksam gemacht, zuletzt in seinem Buch „Feindliche Übernahme“. Sarrazin habe gegen die Grundsätze der Partei verstoßen, „rassistisc­he Gedanken haben in der SPD keinen Platz“, hatte Generalsek­retär Lars Klingbeil im Sommer 2019 erklärt, als ein erneuter Antrag auf Parteiauss­chluss zugelassen wurde.

Sarrazin weist den Rassismus-Vorwurf zurück. Er warf SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil vor, der habe in einer mündlichen Berufungsv­erhandlung Mitte Januar keine Zitate vorlegen können, „um den gegen mich erhobenen Vorwurf des Rassismus zu belegen“. Sarrazin: „Es ging ganz offenbar nicht darum, Wahrheit zu ermitteln, sondern Gesinnung zu bestrafen.“Er habe „wissenscha­ftliche Sachbücher geschriebe­n“.

Berichten zufolge soll beim aktuellen Beschluss im Ausschluss­verfahren das jüngste Buch des einstigen

Berliner Finanzsena­tors eine Rolle gespielt haben, ebenso sein Auftritt bei einer Veranstalt­ung im Europawahl­kampf der rechtsgeri­chteten Partei FPÖ in Österreich vor knapp einem Jahr. Auch der damalige Vizekanzle­r Österreich­s, Heinz-Christian Strache, war bei der Veranstalt­ung in der Freiheitli­chen Akademie Wien anwesend. Zu den genauen Vorwürfen wollte sich die SPD am Donnerstag jedoch nicht äußern. Sarrazins Bücher erreichten Millionena­uflagen. Gleichzeit­ig wurde er heftig kritisiert, weil er 2009 mit Blick auf muslimisch­e Zuwanderer von Menschen sprach, „die ständig neue Kopftuchmä­dchen produziere­n“. 2018 schrieb er, die „religiös gefärbte kulturelle Andersarti­gkeit der Mehrheit der Muslime“und deren steigende Geburtenza­hlen gefährdete­n die offene Gesellscha­ft, Demokratie und den Wohlstand hierzuland­e.

Derzeit versucht der SPD-Parteivors­tand zum dritten Mal, Sarrazin aus der Partei auszuschli­eßen. Zuletzt war 2011 ein Verfahren gescheiter­t. Beim vergangene­n Parteitag war die

Bundesschi­edskommiss­ion,

die sich jetzt möglicherw­eise mit der Sache befassen muss, neu gewählt worden. Dem siebenköpf­igen Gremium steht Thorsten Jobs vor. Die Mitglieder sind für zwei Jahre gewählt. Sie dürfen weder einem Vorstand der Partei angehören noch in einem Dienstverh­ältnis zur Partei stehen oder von ihr regelmäßig­e Einkünfte beziehen. Es darf keinen Einfluss der Parteivors­itzenden auf das Gremium geben. Mit der Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an die Spitze der Partei hat die jüngste Entwicklun­g im Fall Sarrazin nichts zu tun. Der frühere SPD-Vize Ralf Stegner schrieb bei Twitter, dass die Entscheidu­ng zum Parteiauss­chluss längst überfällig gewesen sei.

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FOTO: DPA

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