Coronavirus: China schottet Großstädte ab
Nach bislang 17 Toten und 620 Infizierten durch das neue Lungenvirus hat die chinesische Regierung drastische Maßnahmen ergriffen. Experten in Deutschland sehen sich gut gewappnet und warnen vor Panikmache.
DÜSSELDORF Im Kampf gegen die neue Lungenkrankheit riegelt die chinesische Regierung besonders stark betroffene Großstädte ab. In der Elf-Millionen-Metropole Wuhan wurden am Donnerstagmorgen Flüge, Zügen, Fähren, Fernbusse und der öffentliche Nahverkehr gestoppt, die Ausfallstraßen wurden nach und nach gesperrt. Zudem sollen in der Öffentlichkeit Schutzmasken getragen werden – bei Nichteinhaltung drohen Strafen. Stunden später folgten Beschränkungen für vier weitere Millionenstädte: In Huanggang, Ezhou, Chibi und Xiantao ist der öffentliche Verkehr mit Bussen, Fähren und Bahnen in andere Orte ausgesetzt.
Zusammen mit den Bewohnern der bereits abgeriegelten Metropole Wuhan gelten die Beschränkungen damit für mehr als 20 Millionen Menschen. Die Abschottung ist beispiellos. „Das ist einmalig in der neueren Geschichte, sagte Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM). Auch der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist nach Angaben eines Sprechers kein vergleichbarer Fall bekannt. Die Zahl der Toten in China durch das neuartige Coronavirus „2019-nCoV“ist mittlerweile auf 17 gestiegen. Zudem wurden mehr als 620 Infektionen offiziell bestätigt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf entschied sich aber am Donnerstagabend dagegen, eine internationale Notlage auszurufen.
Zur Gefahr einer Ausbreitung des Virus nach Deutschland sagt Ortwin Adams, Virologie-Professor am Universitätsklinikum Düsseldorf: „Damit muss man grundsätzlich rechnen. China hat internationale Flughäfen, wir in Düsseldorf haben auch einen Flughafen, und natürlich reisen Patienten um die ganze Welt. Deshalb muss man davon ausgehen, dass plötzlich ein potentiell infizierter Patient aus Wuhan auch irgendwann bei uns landet.“Dem Robert-Koch-Institut zufolge ist das aktuelle Risiko einer Verschleppung des Virus nach Deutschland gering.
An der Uniklinik Essen bereitet man sich schon jetzt auf die ersten Verdachtsfälle vor, wie der Direktor des Instituts für Virologie, Ulf Dittmer, sagt. Die Uniklinik hat eine Forschungskooperation mit der Universität in Wuhan. Man sei im engen Austausch mit den chinesischen Kollegen vor Ort, sagt Dittmer, und bekomme Infos aus erster Hand. „Das ist sehr hilfreich für die Vorbereitung, sowohl bei der Diagnostik als auch bei der Therapie.“
An der Uni Duisburg-Essen sind zudem rund 2000 chinesische Studenten eingeschrieben, die Uniklinik hat mehrere chinesische Mitarbeiter. „Und viele von ihnen sind gerade zum Neujahrsfest in China“, sagt Dittmer. Vier deutsche Studenten sollten zudem in anderthalb Wochen für ein medizinisches Praktikum nach Wuhan fliegen, „das haben wir jetzt natürlich abgesagt“. Auch ein internationales Forschertreffen in Wuhan im April finde in Absprache mit den Kollegen vor Ort nicht statt.
Coronaviren werden in erster Linie per Tröpfcheninfektion übertragen und müssen nicht zwangsläufig zu Symptomen führen. „Wir wissen, dass auch der symptomfrei Infizierte das Virus überträgt. Dass man einen infizierten Menschen gar nicht als solchen erkennt, und er selbst auch nicht von seiner Infektion weiß, aber gleichzeitig den Erreger verteilt, ist tückisch. Von der Symptomatik kann nicht zwangsläufig darauf geschlossen werden, ob der Patient mehr oder weniger infektiös ist“, sagt Virologe Adams.
Zudem ist die Inkubationszeit offenbar recht lang, also die Zeit von der Infektion mit dem Virus bis zum Ausbruch der Symptome. Adams geht dabei von ein bis zwei Wochen aus. „Wenn sich das bestätigt, dann macht das die Sache leider komplizierter. Denn bei einer so langen Inkubationszeit sind die
Ortwin Adams
Professor für Virologie, Uni Düsseldorf
Kontrollen beispielsweise an Flughäfen nicht effektiv, da potentiell infizierte Personen noch gar keine Symptome zeigen und somit unentdeckt bleiben.“
Jedoch, so Adams, sei die Sterblichkeitsrate derzeit nicht so hoch wie bei der Sars-Pandemie. Zudem seien die verstorbenen Patienten offenbar entweder bereits an Lungenkrankheiten erkrankt gewesen oder es habe sich um ältere Menschen gehandelt, sagt Virologe Dittmer: „Das ist sehr vergleichbar mit der Grippe.“
Wie sich das Virus in Zukunft entwickelt, lässt sich nicht genau vorhersagen. Die Viren können sich durch Mutationen im menschlichen Körper verändern, das kann aber auch das Übertragungsverhalten beeinflussen. Diese Veränderungen können laut Adams in beide Richtungen laufen, also dazuführen, dass sich das Virus aggressiv oder weniger aggressiv entwickelt. „Es kann tatsächlich auch eine Wendung zum Positiven nehmen“, resümiert Adams. Tatsächlich wiesen die Mehrzahl der bestätigten Infektionen
bisher eher milde Verläufe auf.
Doch wie reagieren medizinische Einrichtungen in Deutschland auf einen Infektionsfall? „Wir hatten vor einigen Tagen auch einen Reisenden aus Wuhan, der mit Fieber zu uns kam“, sagt Dieter Häussinger, Direktor der Klinik für Infektiologie am UKD. „Nach schneller Diagnose stellte sich aber heraus, dass er an einem Influenza B Virus, also einem Grippevirus, erkrankt war.“Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung an der Charité in Berlin haben vor einigen Tagen erstmals ein diagnostisches Nachweisverfahren für das neuartige Coronavirus aus Ostasien entwickelt. „So wie es jetzt aussieht, werden wir ab nächster Woche auch hier an der Uniklinik diesen Test für die Diagnostik des speziellen Virussubtyps anwenden können“, sagt Häussinger.
Im Ernstfall sei die Uniklinik Düsseldorf auf die Versorgung eines möglicherweise infizierten Patienten vorbereitet. Der Patient müsste Zeichen von Atemwegsbeschwerden bis hin zu einer Lungenentzündung aufweisen und sich innerhalb der letzten 14 Tage in einem Risikogebiet aufgehalten haben. Erfülle ein Patient diese Verdachtskriterien, werde eine umfassende Diagnostik durchgeführt. Bestätige sich der Verdacht, würde der Patient isoliert. Das Gesundheitsamt werde informiert, und die Proben für den speziellen Test würden bis zur Einrichtung des Tests am Uni-Klinikum nächste Woche noch nach Berlin geschickt. (mit dpa)
„Dass man einen infizierten Menschen gar nicht als solchen erkennt, ist tückisch“