Merkel: Klimaschutz ist Frage des Überlebens
Beim Weltwirtschaftsforum in Davos bildet die Bundeskanzlerin das Gegengewicht zu Trump – ganz ohne offene Kritik am US-Präsidenten.
BERLIN Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat beim Weltwirtschaftsforum in Davos mit einem Aufschlag für mehr weltweiten Klimaschutz und einer eigenständigen europäischen Außenpolitik einen Gegenpunkt zur Rede von US-Präsident Donald Trump gesetzt. Offene Kritik vermied sie.
Mit Blick auf das Motto dieser Konferenz, die „für eine solidarische und nachhaltige“Welt stehen will, betonte Merkel die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes. Das „Erreichen der Ziele des Pariser Abkommens könnte eine Frage des Überlebens des Kontinents sein“, sagte Merkel und mahnte an, dass die in dem von 180 Ländern vereinbarten Klimaschutzabkommen festgelegten Ziele mit dem bisherigen Tempo nicht erreicht werden könnten. Jedes Land müsse seinen Beitrag leisten, sagte sie und verwies auf den gleichzeitigen Ausstieg Deutschlands aus Kohle und Kernkraft.
Die Kanzlerin beleuchtete auch die gesellschaftlichen Konflikte, die durch die Klimadebatte in Deutschland aufgebrochen sind. Auf welcher Seite sie steht, machte sie hinreichend deutlich: „Wir, die Älteren, müssen aufpassen, dass wir die Ungeduld der Jugend positiv, konstruktiv aufnehmen“, sagte Merkel. Zugleich sprach sie sich dafür aus, mit den Klimaskeptikern das Gespräch zu suchen und deren „Emotionen mit Fakten zu versöhnen“. Überhaupt pochte Merkel auf die Notwendigkeit zum Dialog. Im anschließenden Talk mit Davos-Gründer Klaus Schwab erklärte sie, es sei im 21. Jahrhundert nicht zeitgemäß, nicht miteinander zu sprechen. „Das müsste gesellschaftlich sanktioniert sein.“
Merkels Auftritt bildete ein klares Gegengewicht zu Trump, der zwei Tage zuvor in Davos die Klimaschützer als „Propheten des Untergangs“bezeichnet hatte und ansonsten das Thema Klimaschutz aussparte. Die Rede des US-Präsidenten hatte in Deutschland für innenpolitischen Streit gesorgt, nachdem Grünen-Chef Robert Habeck Trumps Auftritt polemisch kritisiert hatte. Habeck hatte unter anderem erklärt, das sei die schlechteste Rede, die er je gehört habe und dass Trump für alle Probleme stehe, „die wir haben“. Scharfe Kritik erntete der Grünen-Chef dafür aus den Reihen von Union und FDP. Verteidigungsministerin
und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) warf Habeck vor, mit seiner Kritik nichts im Interesse Deutschlands, Europas oder des Klimaschutzes erreicht zu haben.
Mit einem leicht erstaunten Unterton verwies Merkel auf den Innovation-Index des Medienunternehmens Bloomberg, das Deutschland für 2020 auf den ersten Platz gesetzt hat. In Deutschland befasse man sich eher mit der Frage, was nicht laufe, sagte sie. Aus dem Publikum kamen vereinzelte Lacher.
Für die deutsche Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2020 kündigte die Kanzlerin eine EU-China-Konferenz in Leipzig an. Ziele seien, ein Investitionsabkommen zu schaffen, den Klimaschutz voranzubringen und die gemeinsamen Beziehungen zu Drittstaaten zu verbessern. Dabei hat Merkel insbesondere Afrika im Blick, wo die Chinesen wirtschaftlich sehr stark engagiert sind. Die Kanzlerin sprach sich für „gemeinsame Maßstäbe“gegenüber Afrika aus. Gemeint ist, dass bei großen Wirtschaftsprojekten Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden sollen. Zudem will Merkel während der deutschen Ratspräsidentschaft einen Gipfel mit Afrika organisieren. Ein besonderes Anliegen ist Merkel die Bekämpfung von Fluchtursachen. Für die Befriedung des nordafrikanischen Staates Libyen mahnte sie an, der Beitrag Deutschlands müsse größer werden.