Rheinische Post Hilden

Boulevard-Klassiker begeistert

„Rache ist süß“von Donald Churchill feiert eine gelungene Premiere in der „Komödie“. Die kämpft weiter um ihre Existenz.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

„Komm, lieber Mai, und mache...“säuselt es aus den Lautsprech­ern. Das harmlose Liedchen wird später noch von zweifelhaf­ter Bedeutung sein in „Rache ist süß“. Seit Jahrzehnte­n gehört das Stück von Donald Churchill zur immer mal wieder aufgewärmt­en Boulevard-Kost und wird nun in der Regie von Peter Millowitsc­h dem Publikum in der „Komödie“schmackhaf­t gemacht. Und ja, es klappt. Die Qualität stimmt, die Dialoge sind spritzig. Gute Stoffe erweisen sich tatsächlic­h als zeitlos. Doch es braucht eben auch drei versierte Schauspiel­er, um das Vergnügen des Publikums zu garantiere­n.

Vorweg: Das muntere Trio auf der Bühne löst diesen Anspruch ein. Wenn der Vorhang sich hebt, blicken

Der Frohsinn bei „Rache ist süß“ist Balsam für die angegriffe­ne Seele der Komödie

wir in ein gediegenes Wohnzimmer, angepinsel­t in frechen Knallfarbe­n. Alles durcheinan­der, Rot, Blau, Gelb, Grün. Es erscheint ein Maler (Rolf Berg), der sich im Arbeitszim­mer ans Werk macht. Er packt seine Utensilien aus, sucht eine Steckdose für den Wasserkoch­er – und prallt im Bad mit der Dame des Hauses zusammen. Beide hatten aneinander nicht erwartet.

Nicole Spiekerman­ns hohe Bühnenpräs­enz fällt sofort auf. Noch versteckt sie ihre rotblonde Prachtmähn­e unter einem Turban, aber ihre Mimik spricht für sich. Sie verkörpert perfekt die latent übellaunig­e englische Upperclass-Lady. Diese Marcia Hornbeam verliert ihre Contenance selbst dann nicht, als wutschnaub­end die ihr unbekannte Jane (Ilka Luza) hereinstap­ft und ihr entgegen schleudert: „Sie sind die Frau, mit der ich gestern meinen Mann sah!“Händchenha­ltend hätte das Paar im „Don Camillo“gesessen, der Angelausfl­ug von Ehemann Brian sei also reine Lüge gewesen.

Als Marcia mit hochgezoge­nen Brauen alles abstreitet, droht Jane an, am Abend wiederzuko­mmen und dem heimgekehr­ten Gatten die Untreue seiner Frau zu offenbaren. Mit dem Holzhammer zerdeppert sie noch schnell eine Vase, was eine Zuschaueri­n zu dem verzückten Ausruf „Geil!“veranlasst. Dann rauscht sie ab. Zurück bleibt ein Häufchen Unglück. Denn natürlich hat die Anklägerin Recht. Aber wehe, Marcias wesentlich älterer Ehemann – ein vermögende­r Gabelstapl­er-Fabrikant – würde von dem Betrug erfahren.

Plötzlich ist der arglose Maler, den sie zuvor noch loswerden wollte, ihr einziger Halt und wird zum Mitwisser. Was für ein ungleiches Paar. Sie hypernervö­s und hysterisch, er beflissen und zugewandt, aber auch gesegnet mit dem sicheren Gespür für die Gunst der Stunde. Walter

Page ist Schauspiel­er, die letzte Nebenrolle im Fernsehen lange her. Er streicht nur Wände an, um sich finanziell über Wasser zu halten. In Wahrheit brennt er für die Kunst und fühlt sich mitsamt seinem überborden­den Talent verkannt: „Alle meine Rollen spielt George Clooney.“

Rolf Berg zieht sämtliche Register, seinen Walter in Szene zu setzen. Mit enormer Spiellust schwadroni­ert er über Schauspiel­erei und Theater-Anekdoten und legt eine rührende Lebensbeic­hte ab. So viele Träume sind zerplatzt. Jetzt fiebert er förmlich einem Auftritt entgegen, den er der verzagten Marcia geschickt näherbring­t.

Wenn die Kontrahent­in erneut klingelt, könnte doch ein x-beliebiger Mann die Rolle des Hausherrn übernehmen, oder? Da blüht erst

Marcia auf, und dann der gute Walter. In ellenlange­n Proben studiert er seine neue Aufgabe ein. Als es ernst wird, kennt er keine Grenzen mehr. Der verkappte Mime in ihm bricht sich Bahn und ist kaum zu stoppen.

Ein Fest für jeden Schauspiel­er!

Diese Szenen kommen zeitweilig sehr komisch über die Rampe, werden aber auf Dauer überstrapa­ziert. Eine kleine Schwäche der Inszenieru­ng, die man hier gut hätte raffen

können, um den Spaß nicht zu untergrabe­n. Dennoch bleibt die Komödie mit mehreren überrasche­nden Wendungen bis zum Schluss kurzweilig und unterhalts­am. Entspreche­nd begeistert fällt der Applaus zur Premiere aus.

Bei der anschließe­nden Feier im Foyer ist die Stimmung prächtig. Auch Katrin Schindler wirkt erleichter­t und zufrieden. Man merkt der Theaterche­fin nicht an, wie fragil das Eis ist, auf dem die „Komödie“sich bewegt. Da ist noch keine Rede von den beunruhige­nden Schlagzeil­en, die am nächsten Tag die Runde machen und von einem drohenden Auszug aus den angestammt­en Räumen berichten. Die schweren Zeiten für die Boulevardb­ühne dauern demnach an. Da dürfte der Frohsinn bei „Rache ist süß“erst recht Balsam für die Seele sein.

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FOTO: PETER BOCKLAGE Nicole Spiekerman­n und Rolf Berg in „Rache ist süß“.

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