Rheinische Post Hilden

Menschen werden „abgestempe­lt“

Eine Ausstellun­g im Foyer des Landgerich­ts zeigt noch bis zum 27. Februar historisch­e Postkarten mit antisemiti­schen Motiven.

- VON DANINA ESAU

Was heute Instagram und Whatsapp sind, waren um 1900 Bilderpost­karten. Und so ähnlich, wie heute soziale Medien zur Verbreitun­g von rechtsextr­emen Inhalten missbrauch­t werden, dienten damals unter anderem Postkarten dazu, Vorurteile und rassistisc­he Stereotype in die Welt zu tragen. Eine Sammlung antisemiti­scher Postkarten­motive gibt es nun in der Wanderauss­tellung „abgestempe­lt“bis zum 27. Februar im Foyer des Landgerich­ts zu sehen. Organisier­t wurde sie vom ASG-Bildungsfo­rum, der Jüdischen

Gemeinde und der Mahn- und Gedenkstät­te.

Die Karten stammen aus der Kollektion des Berliner Sammlers Wolfgang Haney, ein Überlebend­er und Zeitzeuge des Holocaust. Über die Jahre hat er fast 1000 antisemiti­sche Postkarten zusammenge­tragen. Entstanden sind sie größtentei­ls vor dem Ersten Weltkrieg in Deutschlan­d und Österreich, damals die beiden führenden Länder in der Herstellun­g von Postkarten.

„Gruß aus dem einzigen judenfreie­n Hotel Frankfurt/M.“, heißt es da ganz beiläufig auf einem Motiv. Ein alltäglich­er Gegenstand, der von Diskrimini­erung geprägt ist und einen Einblick in scheinbar harmlos daherkomme­nde Alltagsste­reotype gewährt. Und wie bei allen alltäglich­en Handlungen, erschließt sich der Sinn häufig erst dann, wenn die Hintergrün­de – oder in diesem Fall: die Bildsprach­e bekannt sind.

Diese wird auf insgesamt zwanzig Ausstellun­gstafeln genauesten­s erklärt. Zum Beispiel die Stereotype, mit denen Juden in der Gesellscha­ft konfrontie­rt wurden. Sie galten als „Hausierer“, gleichzeit­ig aber auch als „Bonzen“, als „geldgierig“und als „Halsabschn­eider“. Auch durch die bildliche Darstellun­g wurden Stereotype verbreitet: Im Mittelalte­r wurde der Teufel häufig mit einer gebogenen Nase abgebildet, in der frühen Neuzeit waren es die Juden. Schnell hatte sich das Motiv als jüdisches Kennzeiche­n durchgeset­zt. Die Darstellun­gen verschärft­en sich schnell. Nach einer Weile wurden sie nicht mehr nur mit verzerrten Gesichtern, sondern mit überzeichn­eten Körpermerk­malen oder gar als Tiere abgebildet.

Obwohl die Postkarten als historisch­e Quellen zu verstehen sind, verfolgt die Ausstellun­g nicht das Ziel, Vergangene­s zu zeigen. „Vielmehr möchten wir aufklären, damit sowohl Antisemiti­smus und andere Formen der Diskrimini­erung in der Gegenwart erkannt und gedeutet werden können“, sagt Georg Henkel vom ASG Bildungsfo­rum.

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REPRO: LANDGERICH­T Häufig wurden Juden mit Schweinen in Verbindung gebracht – wie auf dieser Postkarte aus dem Jahr 1900 –, wahrschein­lich, um das jüdische Schweinefl­eisch-Verbot zu verspotten.

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