Gottes Rock ’n’ Roller
Der neue Privatsekretär des Papstes ist in seiner Heimat Uruguay ein Medienstar. Trotzdem entspricht er dem Idealbild, das Franziskus von einem Priester hat.
Es war nur ein paar Tage nach Amtsantritt, als Papst Franziskus im März 2013 in der Vatikan-Gemeinde Sant’Anna eine Messe feierte. Vor der Kirche hatte sich ein junger blonder Mann postiert. „Jorge!“, rief Gonzalo Aemilius dem Papst zu, „ich bin‘s, Gonzalo!“Jorge Bergoglio, der ehemalige Erzbischof von Buenos Aires, zog den jungen Priester, mit dem er seit Jahren bekannt war, zu sich heran. „Ich will euch einen Priester vorstellen, der von weither gekommen ist“, sagte er während der Messe und holte Aemilius zum Altar. Der Papst lobte die Arbeit des Priesters mit Straßenkindern und Drogenabhängigen in Uruguays Hauptstadt Montevideo.
Jetzt, knapp sieben Jahre später, hat Franziskus Gonzalo Aemilius zu seinem Privatsekretär ernannt. Seit dem Auftritt 2013 ist der heute 40-jährige Aemilius der bekannteste Priester Uruguays. In gewisser Weise wählte Franziskus damit einen Prominenten als Privatsekretär. Der bisherige Amtsinhaber Fabian Pedacchio und der zweite Sekretär, der ägyptische Kopte Yoannis Lahzi Gaid, traten öffentlich so gut wie nicht in Erscheinung, ganz im Gegensatz zu Erzbischof Georg Gänswein, der als Sekretär Benedikts XVI. sein Amt durchaus medienwirksam ausübt.
Pedacchios Amtszeit beendete Franziskus im November; der 55-jährige Argentinier widmet sich nun wieder ganz seiner Tätigkeit in der Bischofskongregation. Wie es damals hieß, versteht der Papst das Amt des Sekretärs als Dienst auf Zeit. Pedacchios telegener und in Lateinamerika vielfach interviewter Nachfolger Aemilius steht nun vor der Herausforderung, seine Effektivität fern der Öffentlichkeit unter Beweis zu stellen.
Aemilius entspricht nicht nur wegen seines früheren Engagements für sozial Benachteiligte dem Idealbild, das Franziskus von einem Priester hat. Aemilius wurde 1979 in Montevideo in eine nicht gläubige Familie geboren, seine Großmutter ist Jüdin. Mit elf Jahren ließ sich Aemilius taufen, mit 18 Jahren entschied er sich, Priester zu werden. Der junge Gonzalo trug lange Haare, ging ins Fußballstadion, hörte Rock ’n’ Roll und hatte Freundinnen – der Wandel war vor allem seinen Freunden schwer zu vermitteln.
Bereits 2005 wurde er Leiter des „Liceo Jubilar Juan Pablo II“in einem Problemviertel von Montevideo. Dort bekommen Kinder die Chance auf eine kostenlose, aber offenbar wirksame Schulausbildung. Der charismatische Aemilius wurde zur Identifikationsfigur für viele Jugendliche. Als er um Spenden warb, lernte er auch den Erzbischof des auf der anderen Seite des Río del la Plata gelegenen Buenos Aires kennen.
Jorge Bergoglio verhalf dem beliebten Priester mit dem Auftritt im Vatikan zur Berühmtheit. Der Fußballclub Atletico Peñarol begrüßte ihn als 60.000. Vereinsmitglied. Als er von seiner Romreise 2013 eine Telefonrechnung von 3000 Euro mitbrachte, erließ ihm die Telefongesellschaft die Schulden.
Aemilius’ Beliebtheit lässt sich vor allem mit seiner für einen Priester eher ungewohnten Zugänglichkeit erklären. „Ich will vor allem für diejenigen dasein, die nicht von selbst in die Kirche kommen“, sagte er einmal.
Aemilius, der in Rom Theologie und Pädagogik studierte, spricht in seinen Predigten mehr über Jesus Christus und das Leben als über moralische Regeln. Manchmal verwendete er Lieder uruguayischer Rock-Gruppen in seinen Messen. Seine unermüdliche Tätigkeit in den sozialen Netzwerken ist nun erst einmal zum Erliegen gekommen. Noch vor seinem Amtsantritt als päpstlicher Privatsekretär löschte Aemilius sämtliche Accounts.
Julius Müller-Meiningen