Kobe Bryants größter Fan
Seit 23 Jahren sammelt Kristijan „Kiki“Beslic alles über den Basketball-Megastar – vom getragenen Trikot bis zum Zeitungsartikel. Mit Bryants Tod gewann seine Sammlung an Wert, doch er trauert „wie um ein Familienmitglied“.
LANGENFELD/LOS ANGELES Selbst wenn man all die Poster und Fotos abzieht, besitzt Kristijan Beslic knapp 5000 Dinge, die ihn mit Kobe Bryant verbinden. Elf Trikots sind darunter, 20 Paar Schuhe, mehr als 150 Autogramme. Rund 4100 Sammelkarten zeigen sein großes Idol in immer neuen Posen; in manche sind Fetzen von Original-Trikots eingearbeitet oder ein paar Quadratzentimeter Original-NBA-Hallen-Parkett.
Zu einem gemeinsamen Foto aber ist es in den vergangenen 23 Jahren noch nicht gekommen. Bis zuletzt hatte das Beslic nicht gekümmert; seine Zeit würde kommen. Im August wird Kobe Bryant in die „Hall of Fame“, die Basketball-Ruhmeshalle aufgenommen. Und ein Freund in den USA besorgt Beslic VIP-Tickets, Fotogelegenheit inklusive.
Die Feier wird es geben, die Fotogelegenheit nicht. Nie mehr.
Kobe Bryant ist tot, gestorben mit nur 41 Jahren bei einem Hubschrauberabsturz, gemeinsam mit den acht anderen Menschen an Bord, darunter seine Tochter Gianna (13).
„Ich habe es noch immer nicht ganz realisiert“, sagt Beslic, „das wird noch einige Tage dauern.“Diese Woche hat sich der Hotelier frei genommen, um zu trauern. Beslic weiß, dass das für viele, fast alle Menschen um ihn herum übertrieben wirkt. Er weiß auch, dass es Menschen gibt, denen der Tod dieser neun Menschen noch näher geht als ihm; dass die Hinterbliebenen noch viel mehr Trauer und Schmerz und Ohnmacht spüren.
Kristijan Beslic ist 35 Jahre alt und kein Idiot. Aber er macht keine halben Sachen. Seit er mit zwölf eine Sammelkarte von Kobe Bryant in die Finger bekam, ist er Fan, Sammler, Jünger dieses amerikanischen Ausnahmeathleten. „Ich habe mich sofort mit ihm identifiziert“, sagt Beslic. „Auch wenn ich ein bisschen kleiner und dicker war: Ich wollte immer sein wie er, auf dem Platz und auch sonst im Leben.“Dass sie dieselben Initialen tragen, deutet er als Zeichen des Himmels.
Kristijan hat mehrere Brüder, und irgendwie zählt er auch Kobe dazu.
In Amerika, wo der „Crazy German“Beslic in Sammler-Kreisen eine kleine Berühmtheit ist, verstehen sie das; ein Seelenverwandter heißt dort „brother from another mother“. Los Angeles oder Großraum Leverkusen; L.A. Lakers oder die dritte Mannschaft der SG Langenfeld; K.B., der sich durch knüppelharte Trainingseinheiten quält, oder K.B., der gegen Multiple Sklerose kämpft – wo ist der Unterschied?
Seit Sonntagabend trägt Beslic Trauer. Die Rolläden sind nicht nur heruntergelassen, damit die Original-Autogramme nicht ausbleichen. Die Dunkelheit passt auch zu seiner Stimmung. „Gerade geht es“, sagt er, „aber wenn ich gleich alleine bin, werde ich wieder emotional.“
Als Bryants Tod bestätigt war, vibrierte Beslics Handy die ganze Nacht. Andere Sammler meldeten sich. Nicht, um zu diskutieren, welche ihrer Stücke gerade besonders stark im Wert gestiegen waren. „Solche Leute gibt es zwar, zu Tausenden“, sagt Beslic. „Aber ich umgebe mich nicht mit Investoren, sondern mit anderen Sammlern, die diese Bezeichnung verdienen.“
Die Menschen riefen an, um ihm ihr Beileid auszusprechen.
Beslic kennt die Preise für besondere Fanartikel sehr genau, aber in seiner persönlichen Rangliste der Kobe-Bryant-Sammelkarten geht es strikt nach emotionalem Wert. Ein Geschenk seines Vaters steht ganz oben, direkt danach folgt die allererste, die er je bekam. „Obwohl sie quasi nichts wert ist. Massenware. Zwei Euro.“Zum Gesamtwert seiner eigenen Sammlung schweigt er. „Ein Einfamilienhaus“, sagt er irgendwann. „Ein richtig großes, schönes.“Die wertvollsten Stücke kann er nicht bei sich haben, sie müssen an einem „sicheren Ort“lagern. Aber: „Ich bereue nichts.“Bryants letztes Spiel hat er, wie auch das von Dirk Nowitzki, live erlebt. Das Ticket hängt an der Wand, umgeben von vier gelben Original-Konfetti-Schnipseln, alles hinter Glas.
Mit den immer größeren Summen fremdelt Beslic. Er will eine Gegenbewegung etablieren; einen Kult um die Karten, die schlecht bewertet werden, weil man ihnen die Liebe ihres Besitzers ansieht. „Früher trugen wir die Karten doch auch in der Hosentasche, einfach so. Natürlich wurden dabei die Ecken abgestoßen. Damals ging es nur um den Spaß an der Freude. Heute ist es ein Markt.“Er selbst verkauft eigentlich nichts. „Aber wenn ich spüre, dass ein Stück noch besser in die Sammlung eines anderen passt als in meine, dann gebe ich es gern ab.“
Drei Stunden lang erzählt Beslic eine Anekdote nach der anderen, und er lächelt dabei. Teils liegt das an der Nostalgie, den Erinnerungen an die Zeit vor Sonntag. Und teils daran, dass er Profi ist. Kobe Bryant war kein Menschenfreund, aber Kristijan Beslic hätte er gemocht.