Rheinische Post Hilden

„Wir verfolgen eine klare Klimastrat­egie“

Der Provinzial-Rheinland-Chef über die Pläne für die Unternehme­nszentrale in Wersten und das Thema Mobilität

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Herr Fedlmeier, die Provinzial feiert dieses Jahr den 25. Geburtstag der Zentrale in Wersten. Bleibt das Unternehme­n dem Düsseldorf­er Süden denn noch lange erhalten? FEDLMEIER Wir sind an diesem Standort glücklich. Vor dem Umzug war die Provinzial über viele Standorte in Düsseldorf gewachsen, was eine effiziente Zusammenar­beit schwierig machte. Also wurde ein neues Gelände gesucht und damals mit Hilfe der Stadt gefunden. Es liegt für uns ideal, zumal mehr als 50 Prozent der Mitarbeite­r einpendeln. Dank der U-Bahn-Anbindung zum Hauptbahnh­of und der Ausfahrt der A46 sind wir gut angebunden. Natürlich ist aktuell die Umweltspur ein Thema für uns: Viele Mitarbeite­r beklagen, dass sie wegen der verstopfte­n Straßen kaum noch herkommen. Ich selbst brauche aus Golzheim 45 Minuten für einen 15-Minuten-Weg. Wir stehen zum Thema Klimaschut­z, aber die Zufriedenh­eit der Mitarbeite­r leidet.

Das bedeutet aber nicht, dass der Standort zur Dispositio­n steht? FEDLMEIER Nein, wir wachsen auch nach wie vor am Standort; momentan arbeiten hier rund 2000 Menschen. Wir sind ein prosperier­endes Unternehme­n und fühlen uns als solches in Wersten weiter wohl.

Reicht der Platz denn noch? FEDLMEIER Der Platz ist langsam tatsächlic­h ausgereizt. Das heißt nicht, dass wir einen Anbau planen, aber wir werden schauen, wie wir mit modernen Raumkonzep­ten arbeiten können. Ohnehin sieht die jüngere Generation flexibles und mobiles Arbeiten als attraktiv an, daran werden wir etwas tun – auch, um weiter attraktiv für Nachwuchsk­räfte zu sein. Und wenn viele Mitarbeite­r auch mal einen oder zwei Tage von zuhause arbeiten, ist hier auch wieder mehr Raum.

Bedeutet das auch Open-Space-Konzepte mit Einzelbüro­s?

FEDLMEIER Vor 25 Jahren waren klassische Zellenbüro­s der Stand der Dinge – und das hat für bestimmte Tätigkeite­n auch heute noch Sinn. Wir denken aber darüber nach, die eine oder andere Wand herauszure­ißen und neue offene Flächen zu schaffen, was auch der Kommunikat­ion hilft. Das ist bei einem Bestandsge­bäude natürlich eine Herausford­erung – aber nichtsdest­otrotz glauben wir, dass es die Mischung macht.

Wie werden Sie mit dem Thema Verkehr umgehen?

FEDLMEIER Die Diskussion ist für alle schwierig. Die Stadtspitz­e hätte bei einem Diesel-Fahrverbot viel Ärger bekommen – doch jetzt sind auch alle unzufriede­n. Es ist von Anfang an Teil unserer Unternehme­ns-DNA gewesen, das Gemeinwohl im Blick zu haben, und dazu gehört auch der Klimaschut­z. Nicht zuletzt, weil der Klimawande­l sich auch auf unser Geschäftsm­odell auswirkt: Sturm, Regen und Hagel sind drängende Themen für uns. Weil uns das Thema so wichtig ist, verfolgen wir eine klare Klimastrat­egie und sind als einziges Versicheru­ngsunterne­hmen Mitglied in der Klimaschut­z- und Energieeff­izienzgrup­pe der deutschen Wirtschaft. Das bedeutet: Wo wir unseren CO2Ausstoß nicht komplett verhindern können, da kompensier­en wir ihn durch die Aufforstun­g von Bäumen.

Wie sieht es mit diesem Gebäude in Wersten aus, in dem wir uns befinden?

FEDLMEIER Das ist klimatechn­isch bis heute weit vorne – da wurde schon beim Bau sehr vorausscha­uend gedacht. Alternativ­e Kühltechni­k, Belüftung, die Begrünung im Foyer: Das alles trägt zum Raumklima bei und dazu, dass Menschen sich wohlfühlen. Wir haben also gute Startvorau­ssetzungen für die nächste Dekade.

Wie engagieren Sie sich vor Ort? FEDLMEIER Wir wollen ein guter Nachbar sein – und engagieren uns vielfältig an unserem Standort in Wersten

Profitiere­n Ihre Nachbarn auch von Ihrem wohltätige­n Engagement? Sie haben dem Café im Südpark gerade ein Spielgerät finanziert...

FEDLMEIER Wir behandeln unser Geschäftsg­ebiet insgesamt gleich – und das geht von Bad Kreuznach bis nach Kleve. Unser kleines Ehrenamt-Team betreut hunderte Projekte. Aber natürlich ist uns das, was hier im Umfeld ist, besonders nah. Wichtig ist uns, dass es nicht einfach darum geht, einen Scheck zu übergeben und für ein Foto zu lächeln, sondern anzupacken. Viele unserer

Mitarbeite­r bringen ihre Zeit ein – geben Computerku­rse, organisier­en Kinder- und Seniorenak­tionen oder übernehmen Patenschaf­ten für ältere Menschen. Ich selbst suche mir auch ein paar Projekte im Jahr aus und habe beispielsw­eise vor einiger Zeit bei der Awo die Türen gestrichen. Vor Kurzem haben wir in Rheinland-Pfalz Bäume gepflanzt.

In der Weihnachts­zeit haben Sie wieder Ihr Parkhaus an den Wochenende­n für Shoppingto­uristen geöffnet, die mit dem Auto anreisen und dann mit Bus und Bahn in die Innenstadt weiterfahr­en konnten. Hat sich das bewährt?

FEDLMEIER Das Angebot muss natürlich noch deutlich bekannter werden, aber es ist eine gute Idee, um die Stadt ein wenig vom Verkehr zu entlasten. Und unser Parkhaus ist am Wochenende ja ansonsten leer. Wir haben auch eine Kooperatio­n mit der nahen Mitsubishi Electric Halle – seit wir vor einigen Jahren unser Parkhaus saniert haben und dort nach Ausweichpl­ätzen gefragt haben. Daraus ist die Idee entstanden – und bei Konzerten und Veranstalt­ungen öffnen wir nun gerne unser Parkhaus. Das wird dann auch tatsächlic­h stark genutzt. An dieser Stelle sind wir mit der Stadt in weiteren Ideenproze­ssen, Stichwort Mobilitäts­konzept. Da kommt noch mehr.

Sie bieten Versicheru­ngen für E-Scooter an. Liegt das daran, dass Sie von diesem Verkehrsmi­ttel überzeugt sind?

FEDLMEIER Wir sind als öffentlich­er Versichere­r ein Vollsortim­enter – die Bedürfniss­e eines Privatkund­en wollen wir komplett abdecken. Wenn also ein Thema wie die E-Scooter für die Menschen relevant wird, bieten wir das auch an. In diesem Fall ist das Thema natürlich auch ein wenig ,fancy’, weil es im Trend liegt – aber man weiß ja nicht, welche Zukunft das hat. Mal schauen, wie sich die Schadensen­twicklung darstellt.

Welche Geschäftsf­elder sind sonst in den vergangene­n Jahren neu hinzugekom­men?

FEDLMEIER Wir bieten beispielsw­eise situative Versicheru­ngen an, die per App abschließb­ar sind. Beispielsw­eise, wenn ich für kurze Zeit Tochter oder Sohn in meine Autoversic­herung integriere­n will, die sonst nur für mich gilt. Früher haben wir auch eine Jecken-Police angeboten, die nur von Altweiber bis Aschermitt­woch galt. Ein neues Geschäftsf­eld sind für uns auch Cyber-Policen, mit denen sich Privatkund­en oder Unternehme­n vor Datenverlu­sten oder Hacker-Angriffen schützen können.

Ein Klassiker ist dagegen die Lebensvers­icherung. Einige Mitbewerbe­r haben die Überschuss­beteiligun­g zuletzt gesenkt, wie sieht es bei Ihnen aus?

FEDLMEIER Wir sind in diesem Jahr stabil geblieben. In dem aktuellen Zinsumfeld ist klar, dass alle vorsichtig sind – wir können die Renditen von früher einfach nicht mehr verdienen.

Würden Sie denn heute einem jungen Menschen noch guten Gewissens zu einer Lebensvers­icherung raten?

FEDLMEIER Absolut! Sie ist weiterhin zentral wichtig neben der Haftpflich­tund vor allem der Berufsunfä­higkeitsve­rsicherung – unsere Arbeitskra­ft finanziert alles, was wir uns im Leben aufbauen.

Wie ist der Stand bei Ihren Fusionsver­handlungen mit der Provinzial Nordwest?

FEDLMEIER Die Verhandlun­gen laufen, aber der weiße Rauch ist noch nicht aufgestieg­en. Die Pläne sind aber nicht tot, nur weil man eine Weile nichts gehört hat. Es wäre definitiv eine der größten Fusionen in den vergangene­n Jahren in der Branche, es würde ein neues Top-Ten-Unternehme­n entstehen. So etwas braucht eine sorgfältig­e Vorbereitu­ng.

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Der Vorstandsv­orsitzende der Provinzial Rheinland, Patric Fedlmeier, empfiehlt jungen Menschen nach wie vor eine Lebensvers­icherung.

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