Rheinische Post Hilden

Vertröstun­gsstrategi­e bei Thyssenkru­pp

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Thyssenkru­pp-Chefin Martina Merz wiederholt derzeit gebetsmühl­enartig: „Sorgfalt geht vor Geschwindi­gkeit.“Mit diesem Satz wirbt die für zwölf Monate berufene Interims-Vorstandsv­orsitzende um Geduld bei den Aktionären. Merz will sich nicht in die Karten schauen lassen. Erst soll jeder Stein umgedreht werden. Erst muss die Aufzugspar­te an einen Käufer oder die Börse gebracht werden. Erst dann will Merz der Öffentlich­keit Details zur Zukunft einzelner Geschäftsf­elder geben. Und auch erst dann wird es Informatio­nen über ihre künftige Rolle im Konzern geben.

Sie verkennt dabei allerdings, dass die Geduld der Aktionäre nach den zurücklieg­enden chaotische­n Monaten überstrapa­ziert ist. Das Personalch­aos, das gescheiter­te Stahl-Joint-Venture, das Strategie-Hickhack, der Abstieg aus dem Dax, der wohl unumgängli­che Dividenden­verzicht, die Kartellstr­afe und zuletzt das Nachsehen bei einem Großauftra­g der Bundeswehr – all dies führt nicht dazu, dass Thyssenkru­pp-Aktionäre noch von ihrem Investment überzeugt sind. Sie verlangen zu Recht Klarheit.

Man muss Martina Merz zugutehalt­en, dass sie es besser machen will als ihr Vorgänger Guido Kerkhoff, der in kürzester Zeit diametral entgegenge­setzte Strategien als Allheilmit­tel verkündete und mehrere Gewinnwarn­ungen kassierte. Dadurch hat er sich extrem angreifbar gemacht und am Ende nicht nur seine Glaubwürdi­gkeit eingebüßt, sondern seinen Job verloren. Mit einer Abfindung von mehr als sechs Millionen Euro wird er das wohl verschmerz­en.

Kerkhoff hatte während der am Ende gescheiter­ten Anbahnung des Tata-Joint-Ventures einmal gesagt, die Arbeitnehm­er müssten auch eine gewisse Zeit der Unsicherhe­it aushalten. Offenbar gilt das unter seiner Nachfolger­in auch für die Anteilseig­ner.

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