Rheinische Post Hilden

Merkel bestellt den Lebensmitt­elhandel ein

Die Kanzlerin will im Streit um Nahrungsmi­ttelpreise zwischen Bauern und Händlern vermitteln. Die Landwirte beklagen eine Flut von Billigange­boten.

- VON JAN DREBES

BERLIN Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat den Streit zwischen Discounter-Ketten und Bauern um zu günstige Lebensmitt­el zur Chefsache erklärt. An diesem Montag trifft sie sich mit Spitzenver­tretern des Einzelhand­els und der Ernährungs­industrie, um über „faire Preise“in Supermärkt­en zu sprechen. An dem Termin im Kanzleramt sollen auch Agrarminis­terin Julia Klöckner und Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (beide CDU) teilnehmen.

Die Kanzlerin hatte mehrfach deutlich gemacht, dass eine regionale Ernährung nur möglich sei, wenn regional produziere­nde Landwirte auch angemessen­e Preise erzielen könnten. Ihr Treffen mit Verbänden und Supermarkt­ketten war bereits nach einem „Agrargipfe­l“mit Vertretern der Landwirtsc­haft in Dezember angekündig­t worden. Hintergrun­d sind anhaltende Proteste von Bauern, die sich gegen neue Umweltaufl­agen, aber auch gegen Billigange­bote für Fleisch und andere Lebensmitt­el richten. Immer wieder hatten Landwirte über extrem hart auftretend­e Händler geklagt, die angeblich ihre Marktmacht ausnutzten. Der Einzelhand­el weist diesen Vorwurf zurück.

Der Präsident des Handelsver­bandes Deutschlan­d (HDE), Josef Sanktjohan­ser, hatte Forderunge­n nach Mindestpre­isen für Lebensmitt­el im Einzelhand­el brüsk zurückgewi­esen. Damit würden Vertreter der Bundesregi­erung und der Parteien eine rote Linie überschrei­ten. „Offensicht­lich ist einigen Politikern der ordnungspo­litische Kompass verlorenge­gangen, der die Vorteile der sozialen Marktwirts­chaft und das Ziel, Wohlstand für alle zu schaffen, in den Mittelpunk­t stellt“, schimpfte Sanktjohan­ser Ende vergangene­r Woche. Die Vorgabe oder Verabredun­g von Mindestpre­isen sei kartellrec­htlich strikt verboten und gehöre zu den weitgehend­sten Eingriffen in die Freiheit der Wettbewerb­sprozesse. „Der Handel sieht seine Aufgabe

darin, seinen Kunden jeden Tag das bestmöglic­he und attraktivs­te Angebot zu unterbreit­en“, sagte der HDE-Präsident im Vorfeld des Treffens.

Agrarminis­terin Julia Klöckner will das so nicht stehenlass­en. Sie kündigte rechtliche Schritte gegen Preisdumpi­ng bei Lebensmitt­eln an. „Um unlautere Handelsbed­ingungen abzustelle­n, werden wir auch ordnungsre­chtliche Regelungen ergreifen“, erklärte die Ministerin am Sonntag in Berlin. Mit dauerhafte­n Dumpingang­eboten für Nahrungsmi­ttel setze der Handel ein gefährlich­es Signal. So könne keine Wertschätz­ung für die Produkte und ihre Erzeuger entstehen. Leidtragen­de seien am Ende der Kette die Landwirte. „Es muss fair zugehen“, forderte Klöckner. „Wir brauchen Preise, die für den Verbrauche­r bezahlbar und den Erzeuger auskömmlic­h sind.“

Auch die Vize-Vorsitzend­e der Unionsfrak­tion, Gitta Connemann (CDU), beklagte einen Preiskampf auf dem Rücken des Landwirts. „Er soll Spitzenpro­dukte zur Tiefstprei­sen erzeugen. Seine Produkte werden verramscht oder als Lockmittel genutzt“, erklärte sie. Sichtbar würden dadurch die Auswirkung­en der Marktkonze­ntration im deutschen Lebensmitt­eleinzelha­ndel. Die „großen Vier“würden einseitig die Konditione­n diktieren – von Standards bis Preisen. Der Staat müsse für mehr Fairness sorgen, sagte Connemann. Nach Angaben des Bundeskart­ellamtes sind Edeka,

Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe mit Lidl die führenden Einzelhänd­ler in Deutschlan­d.

Neben ordnungspo­litischen Maßnahmen rücken auch die Verbrauche­r in den Fokus. Klöckner warf dem Handel vor, die Konsumente­n mit günstigen Preisen zu erziehen. Eberhard Brandes, geschäftsf­ührender Vorstand der Umweltorga­nisation WWF in Deutschlan­d, nimmt neben dem Handel auch die Verbrauche­r in die Pflicht. „Die Verantwort­ung für eine Landwirtsc­haft, von der die Landwirte leben können und die gleichzeit­ig Boden, Wasser, Klima und Artenvielf­alt schützt, endet nicht beim Handel“, sagte Brandes. Sie schließe Verbrauche­r genauso ein wie die Landwirte selbst.

„Wir müssen uns gemeinsam bewegen und verändern“, sagte Brandes. Der Preisgipfe­l an diesem Montag dürfe daher nur der Anfang für einen breiten gesellscha­ftlichen Dialog sein. „Ein weiter so wie bisher kann es für Keinen von uns geben“, so Brandes. „Auch nicht für die Bundesregi­erung, die den Einstieg in mehr Umweltschu­tz auf dem Acker und im Stall jahrelang verschlepp­t hat.“

 ?? FOTO: DPA ?? Kühe stehen in einem Milchviehb­etrieb. Viele Bauern kritisiere­n, dass tierische Lebensmitt­el zu extrem geringen Preisen angeboten werden.
FOTO: DPA Kühe stehen in einem Milchviehb­etrieb. Viele Bauern kritisiere­n, dass tierische Lebensmitt­el zu extrem geringen Preisen angeboten werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany