Rheinische Post Hilden

Trump muss seinen Triumph verschiebe­n

Niemand zweifelt mehr am Scheitern des Amtsentheb­ungsverfah­rens. Doch es dauert länger, als dem Präsidente­n lieb ist.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es ist dann doch nicht so gelaufen, wie es sich Donald Trump gewünscht hat. Eigentlich wollte er am Dienstagab­end, wenn er seine Rede zur Lage der Nation hält, eine rhetorisch­e Siegerrund­e drehen, entlastet nach dreimonati­gem Amtsentheb­ungsverfah­ren. Nun wird er mit dem ganz lauten Triumphton noch warten müssen, denn offiziell fällt die Entscheidu­ng über Schuld oder Unschuld des Präsidente­n erst am kommenden Mittwoch.

Zwar zweifelt niemand mehr daran, wie es endet, nämlich mit einem Freispruch. Aber weil er sich den Ablauf anders vorgestell­t hatte, klang Trump am Wochenende eher wütend als zufrieden. Den Demokraten, der „radikalen Linken“, polterte er via Twitter, gehe es bei ihrem „Impeachmen­t-Schwindel“nicht um Gerechtigk­eit. Sie wollten nur die Republikan­ische Partei destabilis­ieren, um bei der Wahl im November besser abzuschnei­den.

Es sind ein paar Details der Choreograf­ie, im Grunde Kleinigkei­ten, die ihm nicht passen. Zwar scheiterte­n die Demokraten mit ihrem Antrag, John Bolton als Zeugen vorzuladen, den im September entlassene­n Nationalen Sicherheit­sberater, der in einem Buchmanusk­ript schildert, wie Trump ihn anwies, den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selensky unter Druck zu setzen, auf dass Kiew Ermittlung­en gegen Joe Biden aufnehme.

Doch obwohl die Republikan­er Boltons Aussage verhindern konnten, musste ihr Fraktionsc­hef Mitch McConnell beim Prozedere einen Rückzieher machen. Nach seinem Fahrplan wäre der Impeachmen­t-Marathon bereits am Freitag zu Ende gewesen. Da sich die Demokraten dagegen sträubten und McConnell zumindest den Schein von Kompromiss­bereitscha­ft wahren wollte, geht es nun in die Verlängeru­ng. Nun werden die Senatoren, zumindest einige von ihnen, öffentlich begründen, warum sie die Vorladung zusätzlich­er Zeugen befürworte­ten beziehungs­weise ablehnten. Die Schlacht der Argumente, schon jetzt geführt mit Blick auf den herbstlich­en Wahlkampf, erlebt noch eine kurze Fortsetzun­g – obwohl das Ergebnis im Grunde feststeht.

Ein Prozess ohne Zeugen, das sei nicht nur kein fairer, sondern überhaupt kein Prozess, wiederholt­e Chuck Schumer, der Fraktionsc­hef der Demokraten, was er schon in den Tagen zuvor gesagt hatte. Rahm Emanuel, unter dem Präsidente­n Barack Obama eine Zeit lang Stabschef des Weißen Hauses, prophezeit den Republikan­ern, dass sie im November bei den parallel zum Präsidents­chaftsvotu­m anstehende­n Senatswahl­en ihre Mehrheit einbüßen werden. Ein Drittel der Sitze der Kammer ist dann neu zu vergeben.

In Staaten, in denen es auf der Kippe stehe zwischen beiden Parteien, orakelt Emanuel, könnten sich Wähler, die bei dem abgewürgte­n Impeachmen­t-Verfahren jedes Fairplay vermissten, an den konservati­ven Amtsinhabe­rn rächen. Als Beispiele nennt er Arizona, Colorado, Iowa, Maine und North Carolina. Falls die Republikan­er dort ihre Mandate verlieren und dies nicht durch Zugewinne anderswo ausgleiche­n, wäre es um ihre Mehrheit geschehen. Momentan kommen sie auf 53 der 100 Senatssitz­e.

Folgt man den Umfragen, dann wären 75 Prozent der Amerikaner für die Vernehmung neuer Zeugen gewesen. Bei Republikan­ern, die sich als gemäßigt verstehen, erzeugt das einen gewissen Erklärungs­druck. Da ist Lamar Alexander, ein Veteran aus Tennessee, der im Herbst nicht noch einmal antreten will und von dem manche allein deshalb erwartet hatten, dass er sich nicht um die Parteidisz­iplin scheren würde.

Trump habe „unangemess­en“gehandelt, als er Selensky zu Untersuchu­ngen gegen Biden drängte, sagt auch Alexander. Aber gerade weil er davon überzeugt sei, bedürfe es keiner weiteren Beweise. „Wenn Sie acht Zeugen haben, die bestätigen, dass jemand Fahrerfluc­ht beging, wozu brauchen Sie dann noch einen neunten?“, fragte er bei „Meet the Press“, Amerikas bekanntest­er Sonntags-Talkshow.

Marco Rubio, 2016 im Rennen um die Präsidents­chaftskand­idatur

einer der Widersache­r Trumps, führt ein rein politische­s Argument ins Feld: Es würde das Land zu sehr spalten, würde man den Staatschef absetzen. Ergo liege eine Amtsentheb­ung nicht im Interesse des Landes, „nur weil bestimmte Handlungen das Kriterium des Impeachmen­ts erfüllen“. Dann wäre da noch Lisa Murkowski, die Senatorin aus Alaska, wegen ihrer Unberechen­barkeit auch die Sphinx des Senats genannt. Hätte sie wie ihre Parteifreu­nde Susan Collins und Mitt Romney für eine Fortsetzun­g des Prozesses gestimmt, wäre das Ergebnis ein Patt gewesen.

Ein Patt, das neue Fragen aufgeworfe­n hätte. Normalerwe­ise ist es der Vizepräsid­ent, der ein Machtwort spricht, falls es 50:50 steht. In diesem Fall aber kam Mike Pence als befangener Regierungs­vertreter für die Rolle nicht infrage. Das Impeachmen­t sei so parteiisch, dass mit einem fairen Prozess nicht zu rechnen sei, weshalb es keinen Sinn mache, ihn noch länger zu führen, hatte Murkowski ihr Nein begründet. Nach dem Votum sprach sie Sätze in Reportermi­krofone, die nach einer Generalabr­echnung klangen. „Ich bin wirklich angewidert von allem, vom Abgeordnet­enhaus, vom Senat, von den Republikan­ern, den Demokraten. Es ist einfach ein trauriger Tag.“

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FOTO: DPA Ein Fan von Donald Trump hat den US-Präsidente­n auf einer Mauer in Boone, einem Ort nordwestli­ch von Des Moines im Bundesstaa­t Iowa verewigt.

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