Rheinische Post Hilden

Der steinige Weg zu Kirchenref­ormen

Kardinal Marx lobt die Synodalver­sammlung, Kardinal Woelki kritisiert sie. Bischof Overbeck hofft auf Änderungen beim Zölibat.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

FRANKFURT Dieser Weg wird kein leichter sein, machte die Runde. Wobei die berühmte Liedzeile von Xavier Naidoo eher aus Spaß am netten Wortspiel zitiert wurde. Dass der synodale Weg für Reformen in der katholisch­en Kirche aber auch „steinig und schwer“werden dürfte, mussten die Teilnehmer der ersten Synodalver­sammlung vor allem am Schluss ihrer dreitägige­n Beratungen in Frankfurt erfahren: Während Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzend­er der Deutschen Bischofsko­nferenz, von einem „geistliche­n Experiment“sprach, bei dem Laien und Geistliche „auf Augenhöhe und voller Respekt miteinande­r“debattiert hätten – sein Stellvertr­eter, Bischof Franz-Josef Bode aus Osnabrück, hatte sogar eine „großartige Zukunftswe­rkstatt“erlebt –, klagte der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki in einem Interview mit dem Dom-Radio: „Es sind eigentlich alle meine Befürchtun­gen eingetrete­n. Ich habe ja sehr deutlich gemacht, dass ich eine große Sorge habe, dass hier quasi ein protestant­isches Kirchenpar­lament durch die Art der Verfassthe­it und der Konstituie­rung dieser Veranstalt­ung implementi­ert wird. Das ist für mich eigentlich auch eingetrete­n. Die wesentlich­en Voraussetz­ungen ekklesiolo­gischer Art mit Blick auf das, was katholisch­e Kirche ist, werden – für meine Begriffe – in vielen Redebeiträ­gen ignoriert.“

Zudem habe er lernen müssen, wie wichtig es sei, auch über Macht in der Kirche zu sprechen. Denn es „ist doch deutlich geworden, dass auch hier bei unserer synodalen Versammlun­g Macht ausgeübt wurde, indem nicht alle Rederecht erhalten haben, die sich gemeldet haben. Es wurden nicht alle Redeanträg­e, die vorher schriftlic­h eingereich­t wurden, auch entspreche­nd gewürdigt“, so die Kritik des Kölner Kardinals.

„Eine Manipulati­on weise ich zurück. Jeder Teilnehmer konnte sich äußern“, erklärte Marx daraufhin. Seinem Empfinden nach sei es überdies „ungewöhnli­ch“, dass das Wort „protestant­isch“plötzlich ein

Schimpfwor­t sein soll. Zumal die Synodalver­sammlung nicht – wie vorgesehen – im Dom zu Frankfurt tagen konnte, sondern im ehemaligen Dominkaner­kloster um die Ecke. Und das ist in evangelisc­her Trägerscha­ft.

Karin Kortmann versichert­e als Präsidiums­mitglied darüber hinaus, dass alle Wortmeldun­gen berücksich­tigt worden seien. „Ich wünsche mir, dass der Kardinal diesen Vorwurf zurücknimm­t“, forderte sie. Und Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken, fragte an die Adresse des Kölner Erzbischof­s gerichtet: „Will man Reformen oder eine Kirche des 19. Jahrhunder­ts etablieren?“So hatte Woelki auch Anstoß am feierliche­n Eröffnungs­gottesdien­st im Dom genommen, zu dem Bischöfe und Laien der Synodalver­sammlung gemeinsam eingezogen waren. Damit sei „zum Ausdruck gebracht worden, dass da jeder gleich ist. Und das hat eigentlich nichts mit dem zu tun, was katholisch­e Kirche ist und meint“, so Woelki. Der Einzug der Teilnehmer war von Protestier­enden der Kirchenref­ormbewegun­g Maria 2.0 begleitet worden.

Die Kritik Woelkis kam nicht aus heiterem Himmel. Sie hatte sich schon während der Debatten im Dominikane­rkloster angedeutet, bei denen der Kölner Kardinal und der Regensburg­er Bischof Rudolf Voderholze­r mit zum Teil vorbereite­ten Statements immer wieder Reformvors­chläge zurückgewi­esen hatten und die dabei zumindest in den Reaktionen der Delegierte­n keine Mehrheit fanden. Allerdings war der Umgang miteinande­r meist fair und frei von Diffamieru­ngen.

Die erste Reformetap­pe des synodalen Wegs verzeichne­te keine Einmütigke­it (die auch niemand erwartet hatte), aber doch eine ernste Auseinande­rsetzung mit den unterschie­dlichen Anliegen und Überzeugun­gen der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d. Wobei die vier großen Themen der Synodalver­sammlung in ihrer Tragweite um einiges über Deutschlan­d hinausreic­hen: wie der Zölibat, Ämter für Frauen,

Thomas Sternberg Präsident des ZdK die Sexualmora­l und die Gewaltente­ilung in der Kirche. Natürlich kann darüber jeder diskutiere­n, nur realisiert oder verworfen wird es andernorts, in Rom. Auch darum hatten auf der Empore ausländisc­he Beobachter Platz genommen. Von ihnen kam Ermutigend­es: Die Versammlun­g sei ein gutes Zeichen für die vielen Charismen in der Kirche, so der französisc­he Bischof Didier Berthet.

Dabei wurde in Frankfurt inhaltlich noch nichts verabschie­det. Vielmehr

wurden Satzungsän­derungen besprochen und die Mitglieder der vier Foren besetzt. Zeitaufwen­dige wie nervenaufr­eibende Organisati­onsarbeit, die aber für alles Künftige wichtig sein wird.

Es war der Prolog zu größeren Debatten. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sagte uns am Rande der Versammlun­g: „Es hat in der postmodern­en Gesellscha­ft mehr als ein grundlegen­der Mentalität­swandel stattgefun­den.

Die Kirche ist an den Stellen, wo es um Macht und Einfluss von Frauen geht, ungerecht. Das ist eine Frage, in der wir neue Glaubwürdi­gkeit gewinnen müssen.“Auch in der Frage der priesterli­chen Lebensform müsse sich die Kirche nach den Worten des Ruhrbischo­fs bewegen: „Seit fast 2000 Jahren haben wir mit dem Zölibat ein Zeugnis der Unmittelba­rkeit zu Gott gegeben. Das hat sich meiner Meinung nach sehr verschoben. Heute – das erfahre ich selbst – ist

„Will man Reformen oder eine Kirche des 19. Jahrhunder­ts etablieren?“

nicht mehr der Zölibat an sich das Glaubwürdi­gkeitskrit­erium. Sondern ob die Menschen erfahren, dass der Priester das auch wirklich von Innen heraus lebt. Dieser Bedeutungs­wechsel wird auf Dauer prägend sein und wird auch Auswirkung­en auf das zölibatäre Leben haben.“

Mit Beiträgen zur Reformdisk­ussion beteiligte­n sich einige auch außerhalb der Versammlun­g: Kardinal Gerhard Ludwig Müller attestiert­e den Teilnehmer­n, mit ihren Gesprächen über Macht in der Kirche bloß „Populismus und theologisc­he Ignoranz“zu betreiben; die Jugendorga­nisation der erzkonserv­ativen Piusbruder­schaft veröffentl­ichte E-Mail-Adressen der Teilnehmer und bat um entspreche­nde Kommentare. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hingegen wünschte sich die Abschaffun­g des Zölibats.

Kardinal Marx wird in der kommenden Woche erst einmal nach Rom reisen. Er wird dort Papst Franziskus treffen und ihm von der ersten Synodalver­sammlung berichten. Die kommt im September wieder in Frankfurt zusammen – auf ihrem langen Reformweg, der kein leichter sein wird. Xavier Naidoo hatte das Lied für die deutsche Fußballnat­ionalmanns­chaft 2006 geschriebe­n. Das Team spielte damals beherzt und wurde Dritter. Mit einem solchen Ergebnis würde die Synodalver­sammlung am Ende wohl zufrieden sein.

 ?? FOTO: KNA ?? Im ehemaligen Dominikane­rkloster in Frankfurt tagte jetzt die erste Synodalver­sammlung. Auf zwei Jahre ist der Reformproz­ess der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d angesetzt.
FOTO: KNA Im ehemaligen Dominikane­rkloster in Frankfurt tagte jetzt die erste Synodalver­sammlung. Auf zwei Jahre ist der Reformproz­ess der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d angesetzt.

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