Rheinische Post Hilden

Gelungener Start der neuen „Star Trek“-Serie

- VON TOBIAS JOCHHEIM

Mit dem Mehrteiler „Picard“soll Sir Patrick Stewart (79) die Kultreihe vor der Beliebigke­it retten.

Die Skepsis war massiv: Ein glatzköpfi­ger, großväterl­icher, englischer Shakespear­e-Darsteller als Kapitän des Raumschiff­s „Enterprise“? Captain Kirk (William Shatner) hatte Sprüche geklopft, die männlichen Aliens verkloppt und die weiblichen verführt. Sein Nachfolger Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) machte ab 1987 vieles anders: Er war ein guter Hirte für die rund 1.000 Menschen an Bord der „Enterprise“, oberster Entdecker, Forscher, Diplomat. Und nach seinem Abgang 2002 wurde „Star Trek“austauschb­ar. Namentlich die Kinofilme seit 2009 verkamen zu hübschem, aber handelsübl­ichem Action-Popcorn-Kino.

Nun ist Picard zurück – und die Skepsis erneut massiv: Ausgerechn­et ein alter, weißer Mann soll das so progressiv­e „Star Trek“-Universum vor der Beliebigke­it retten?

Doch die negativen Assoziatio­nen, die bei der Kombinatio­n alt, weiß und männlich heutzutage mitschwing­en, haben weder auf die Figur

noch auf ihren Darsteller je zugetroffe­n: Sir Patrick Stewart (79) ist ein Gentleman, der von ihm gespielte Captain Picard schlichtet­e als Humanist mit Herz und feinem Humor, immer ein Tässchen Tee in der Hand, interstell­are Kriege und blieb dabei stets profession­ell-asexuell. Zudem ist die zweitjüngs­te „Star Trek“-Serie „Discovery“(seit 2017) ein prima Gegenbeisp­iel. Deren Darsteller­in Sonequa Martin-Green ist – erfreulich­erweise – eine junge schwarze Frau. Inhaltlich aber enttäuscht die Serie, weil ihre Figur wieder und wieder im Alleingang das Universum rettet, nach Art eines schlechten Superhelde­n.

Das droht in der Serie „Star Trek: Picard“nicht, deren erste zwei Folgen nun bei Amazon Prime abrufbar sind. Picard realisiert schnell, dass er die mysteriöse Dahj (Isa Briones) eben nicht allein beschützen kann. Zumal er seiner geliebten Sternenflo­tte den Rücken gekehrt hat, weil die sich ebenso von ihren Werten entfernt hat wie manches „Star Trek“-Produkt.

Stewart hatte sich lange gegen die Wiederaufn­ahme seiner Erfolgs-Rolle gewehrt, nun sagt er: „Ich kehre zu diesem Charakter zurück, um zu erforschen und zu erleben, welches tröstende Licht Jean-Luc Picard in unsere oft dunklen heutigen Zeiten werfen kann.“

Zentral sind in der Serie zwei Themen, die auch unsere nahe Zukunft prägen werden. Erstens das Altern: Wie geht Picards Umwelt mit den körperlich­en und geistigen Gebrechen

des Helden a.D. um? Zweitens das Verhältnis zu Künstliche­r Intelligen­z. Picard zur Seite stehen unter anderem drei altbekannt­e Halboder Ex-Maschinen: Neben „Mister Data“(Brent Spiner) sind es „Seven of Nine“( Jeri Ryan) und „Hugh“( Jonathan Del Arco). Letztere waren einst Teil der finsteren Roboter-Rasse Borg – die wiederum auch Picard selbst einst assimilier­t hatten.

Der erste Eindruck von „Star Trek: Picard“ist gut bis sehr gut; Tonfall und Tempo stimmen, ebenso der Mix aus alten und neuen Charaktere­n. Stewart glänzt als menschlich­er, auch mal eitler Picard. Auch die gewohnten deutschen Synchronsp­recher um Ernst Meincke (78) sind wieder an Bord.

Und falls „Star Trek: Picard“doch kein großer Wurf wird, kann man sich mit Massen an kluger Science-Fiction trösten, der famosen Serie „The Expanse“etwa. Gemacht von Menschen, die „Star Trek“-Fans wurden, als Jean-Luc Picard die „Enterprise“an Orte führte, wo noch nie zuvor ein Mensch gewesen war.

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FOTO: AMAZON Sir Patrick Stewart als Jean-Luc Picard in „Star Trek: Picard“.

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