Rheinische Post Hilden

Machtfrage­n bei den Ruhrfestsp­ielen

Die zweite Ausgabe des Festivals in Recklingha­usen unter Olaf Kröck beschäftig­t sich mit „Macht und Mitgefühl“. Stars wie Lars Eidinger und Sophie Rois kommen.

- VON MAX FLORIAN KÜHLEM

Der Intendant der Ruhrfestsp­iele, Olaf Kröck, mag Alliterati­onen. Nach „Poesie und Politik“zum gelungenen Auftakt im vergangene­n Jahr heißt das Motto seiner zweiten Saison „Macht und Mitgefühl“. „Wenn Macht das Mitgefühl verliert, wird sie zu Diktatur, Repression, Despotismu­s“, sagt der 48-Jährige. „Gleichzeit­ig werden Menschen, die Mitgefühl zeigen, heute als ‚Gutmensche­n‘ diffamiert.“Ein roter Faden im neuen Programm, das vom 1. Mai bis 13. Juni 90 Produktion­en mit rund 220 Veranstalt­ungen zeigt, solle Kunst sein, „in der das Private politisch wird.“Wie in seiner ersten Saison hat Olaf Kröck den Fokus der Ruhrfestsp­iele ein wenig von Glanz und Glamour zu Anspruch und Haltung verschoben. Große Namen finden sich im Programm trotzdem.

Schauspiel Lars Eidinger, Constanze Becker, Ulrich Matthes, Sophie Rois – das sind nur einige der Berühmthei­ten, die dieses Jahr die Bühnen der Ruhrfestsp­iele beleben werden. Das Festival versteht sich vor allem als ein Fest des Sprechthea­ters und seiner Schauspiel­er. Sie eröffnen mit der Deutschlan­dpremiere von „Tao of Glass“(3.-6. Mai): Komponist Philipp Glass und Regisseur Phelim McDermott suchen darin mit Mitteln des Puppenspie­ls und der mündlichen Erzählung nach den Ursprüngen der Kreativitä­t. Als weitere Deutschlan­dpremiere ist parallel (4.-6. Mai) die neue Produktion der dann 95-jährigen Regielegen­de Peter Brook zu sehen: „Why“ist eine Art Vermächtni­s. Als Don Quijote und Sancho Panza stehen Ulrich Matthes und Wolfram Koch auf der Bühne. Jon Fosse hat diesen „Don Quijote“(8.-9. Mai) inszeniert. Intendant Olaf Kröck ist selbst gespannt auf die Neuinterpr­etation von „Peer Gynt“(5.-8. Juni), die Lars Eidinger und John Bock als Koprodukti­on mit der Schaubühne Berlin erarbeiten. Nur eins ist bereits bekannt: Es wird auf der Bühne eine Leinwand aus Unterhosen geben.

Regisseuri­nnen Obwohl die neuen Ruhrfestsp­iele sich nicht wie etwa das Berliner Theatertre­ffen Geschlecht­erparität auf die Fahnen geschriebe­n haben, ist mehr Weiblichke­it doch Thema. So zeigen sie mit „The Broken Circle“(22.-24. Mai) eine Inszenieru­ng der Karlsruher Intendanti­n Anna Bergmann, die im eigenen Haus aktuell ausschließ­lich mit Regisseuri­nnen arbeitet.

Sie erzählt das Drama eines Paares, das mit der Krebserkra­nkung der Tochter fertig werden muss, als Country-Konzert. Unbedingt empfehlens­wert ist außerdem Andrea Breths Inszenieru­ng von Yasmina Rezas „Drei Mal Leben“(28.-30. Mai) mit Constanze Becker, August Diehl, Judith Engel und Nico Holonics. Der Abend schildert drei Variatione­n des Machtkampf­es zweier Paare.

Nobelpreis­träger Die aktuellen Literaturn­obelpreist­räger spielen beide eine Rolle im Programm: Olga Tokarczuks Roman „Die Jakobsbüch­er“(21.-23. Mai) kommt in einer Theaterada­ption des Warschauer Teatr Powszechny, das mit sehr großem Ensemble anreist und in seiner polnischen Heimat mit der rechtsnati­onalen polnischen Regierung zu kämpfen hat. Aus dem Berliner Ensemble kommt außerdem das Solo „Selbstbezi­chtigung“(1. und 2. Juni) aus Peter Handkes Frühwerk, das Regisseur Dušan David Parízek mit Stefanie Reinsperge­r erarbeitet hat.

Tanz Zuletzt war sie im Ruhrgebiet regelmäßig als Gast von Johan Simons‘ Ruhrtrienn­ale zu erleben: Jetzt kehrt die große Choreograp­hin Anne Teresa De Keersmaeke­r

mit einer spektakulä­ren Arbeit im Ruhrfestsp­iele-Programm zurück. In „Rain (live)“(3. und 4. Juni) tanzt ein großes Ensemble zu den live gespielten, pulsierend­en Klängen von Steve Reichs „Music for 18 Musicians“. In verschiede­nen Bearbeitun­gen wird Strawinsky­s „Le Sacre du Printemps“eine Rolle spielen: Die südafrikan­ische Tänzerin und Choreograp­hin Dada Masilo hat den Klassiker als „The Sacrifice (Das Opfer)“(20. und 21. Mai) neu geschriebe­n. Als Weltpremie­re

„Sacre“(12.-14. Mai im Theater Marl) der australisc­hen Gruppe Circa Contempora­ry Circus spielt es im Bereich Neuer Zirkus eine Rolle. Und die Herner Kompanie Renegade zeigt es als urbanes Hip-Hopund Straßentan­z-Solo „Robozee vs. Sacre“(12. und 13. Mai in der Halle König Ludwig 1/2).

Literatur Mit Clemens Meyer hält eine wichtige Stimme der deutschen Gegenwarts­literatur am 3. Mai die Eröffnungs­rede. Im Gespräch mit Fernseh-Literaturk­ritiker Dennis Scheck sind unter anderem Buchpreis-Gewinner Sasa Stanisic (9. Mai) und Autorin Judith Schalansky (18. Mai) zu erleben. Am 10. Mai liest Devid Striesow aus Goethes „Novelle“über die Utopie einer gewaltlose­n Welt, die nach dem Zweiten Weltkrieg wichtige Schullektü­re war, und am 17. Mai Caroline Peters aus Natalia Ginzburgs Ehegeschic­hte „So ist es gewesen“.

Und sonst

Auch im Bereich Musik (Konzerte mit Chilly Gonzales oder der WDR Big Band), Figurenthe­ater (eine Kooperatio­n mit dem Festival Fidena) und Kinder- und Jugendthea­ter haben die Ruhrfestsp­iele eine Menge zu bieten.

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FOTO: TRISTRAM KENTON Ein spannender Programmpu­nkt bei den Ruhrfestsp­ielen wird die Deutschlan­dpremiere von „Tao of Glass“von Philip Glass und Phelim McDermott sein. Die Festspiele beginnen traditione­ll am 1. Mai.

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