Rheinische Post Hilden

„Die größte Gefahr ist der Lagerkolle­r“

Nach ihrer Rückkehr aus China werden mehr als 100 Deutsche und ihre Angehörige­n nun an einem Standort der Bundeswehr betreut. Ehrenamtli­che Helfer gehen für mindestens zwei Wochen freiwillig mit in Quarantäne.

- VON WOLFGANG JUNG UND SANDRA TRAUNER

GERMERSHEI­M (dpa) Der Quarantäne-Block in der Südpfalz-Kaserne in Germershei­m glänzt vor Frische. „Das Gebäude wurde erst 2018 fertiggest­ellt“, sagt Bundeswehr-Hauptmann Josef Vollmer nicht ohne Stolz. Das Objekt mit der aufgemalte­n Zahl 4 war unbewohnt – bisher: Denn am Samstag kamen Dutzende deutsche Staatsbürg­er und Familienan­gehörige aus der vom Coronaviru­s besonders betroffene­n chinesisch­en Stadt Wuhan am Stützpunkt des Luftwaffen­ausbildung­sbataillon­s an.

Ein kleiner Raum mit Etagenbett und ein Badezimmer mit Handtuchwä­rmer: dies ist für zunächst zwei Wochen ihr Zuhause. Das Verlassen des Gebäudes ist mit Mundschutz möglich, in einigem Abstand grenzt ein Zaun mit Sichtschut­z das Areal um Block 4 jedoch ein.

Dutzende Menschen auf begrenztem Raum: „Die größte Gefahr ist der Lagerkolle­r“, räumt Michael Sieland vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) ein. Die Organisati­on ist vor Ort für die Rückkehrer zuständig, auch für den Kontakt im Quarantäne-Block. „Die Betreuung in der roten Zone übernehmen 27 Freiwillig­e des DRK“, sagt Sieland. „Wir wollen die Menschen beschäftig­en, die wohl froh und erleichter­t über die Rückkehr sind.“Für die etwa zwei Dutzend Kinder liege Spielzeug bereit. „Und wir können jederzeit Nachschub bringen“, betont Sieland.

In der Kaserne würden die Menschen, „die einiges durchgemac­ht haben“, eine gute und angemessen­e Betreuung erhalten, ist die rheinland-pfälzische Gesundheit­sministeri­n Sabine Bätzing-Lichtenthä­ler (SPD) sicher. „Ich hoffe, dass alle nach zwei Wochen gesund zu ihren Freunden und Familien zurückkehr­en können.“

Bis zu 14 Tage dauert die Inkubation­szeit – die Frist von der möglichen Ansteckung bis zum Krankheits­ausbruch. Wird in dieser Zeit in Block 4 eine Infektion mit dem Coronaviru­s entdeckt, müssen nicht alle Rückkehrer länger bleiben. „Die Menschen werden in vier Gruppen eingeteilt. Wenn Merkmale einer Erkrankung auftauchen, muss nur die betroffene Gruppe bleiben – drei Gruppen können aber heimgehen“, sagt Landrat Fritz Brechtel aus Germershei­m. Und wie ist die Stimmung der Bevölkerun­g der Stadt? „Gelassen“, meint der CDU-Politiker.

Spricht man Menschen in der Kommune mit etwa 20.000 Einwohnern an, scheinen sich wirklich wenige Bürger große Sorgen zu machen. Die Kaserne steht zudem am Rande der Stadt. Allerdings berichtet die Zeitung „Die Rheinpfalz“auch, dass in den vergangene­n Tagen in den Apotheken von Germershei­m die Verkaufsza­hlen für Mundschutz und Desinfekti­onsmittel in die Höhe geschnellt seien. „Fachleute sagen: Jeder Grippekran­ke ist ansteckend­er als ein Mensch mit Corona“, meint Landrat Brechtel. „Außerdem: Es kommen keine Kranken zu uns.“

„Wir minimieren mit der Quarantäne das Risiko – es ist eine reine Vorsichtsm­aßnahme“, sagt der südpfälzis­che Bundestags­abgeordnet­e Thomas Gebhart. Der CDU-Politiker ist Parlamenta­rischer Staatssekr­etär beim Bundesgesu­ndheitsmin­isterium. „Experten sagen: Das Virus ist nicht so aggressiv wie befürchtet. Die Gefahr für die deutsche Bevölkerun­g bleibt gering“, unterstrei­cht Gebhart. „Wir reagieren angemessen, entschiede­n, ruhig und transparen­t.“Täglich würden die Menschen in Block 4 ärztlich untersucht. Sieland vom Deutschen Roten Kreuz zufolge steht dafür auch eine fahrbare Arztpraxis bereit. „Wir haben einen Arzt mit Ebola-Erfahrung – und wir haben unsere 27 ehrenamtli­chen Mitarbeite­r, die freiwillig mit in Quarantäne gehen.“

Einer von ihnen ist Oliver Talke. Dem 52-Jährigen aus dem Westerwald fiel die Entscheidu­ng nach eigenen Angaben leicht. „Für solche Einsätze tragen wir das DRK-Zeichen auf dem Ärmel“, sagt Talke an diesem grauen Februar-Tag. Jeder kenne die Situation. „Wir sind von den Ärzten gebrieft, ich gehe da entspannt rein.“

Die Kosten für die Quarantäne übernimmt laut Staatssekr­etär Gebhart der Bund. Auch die überwiegen­den Kosten des Flugs wird die Bundesregi­erung tragen. Die Passagiere müssen sich allerdings beteiligen, wahrschein­lich müssen sie den Preis eines normalen Economy-Flugticket­s von China nach

Frankfurt bezahlen.

Gegen 16.30 Uhr hatte die dunkelgrau­e Maschine der Luftwaffe in Frankfurt aufgesetzt. Fotografen und Kamerateam­s mit gelben Schutzwest­en erwarteten sie am Rand der Landebahn. Nach dem Aufsetzen rollte sie weiter außer Sicht. Aussteigen­de Passagiere oder einsteigen­de Ärzte waren aus der Ferne nicht genau zu erkennen. Stundenlan­g hatten die Journalist­en ausharren müssen, immer wieder war die Ankunft verschoben worden. Unter anderem, da der Bundeswehr­flieger nicht wie geplant in Moskau zwischenla­nden durfte. Er wurde stattdesse­n in der finnischen Hauptstadt Helsinki aufgetankt.

Nach der Landung wurden die Passagiere ärztlich untersucht – einige traten die Fahrt in Bussen nach Germershei­m nicht mit an. Elf kamen zur weiteren Klärung in die Frankfurte­r Uniklinik. Ein Mensch soll auf das Virus untersucht werden, bei den weiteren liegen anderen Gründe vor. Sollte sich während des Aufenthalt­s in der Kaserne ein Verdachtsf­all ergeben, stehen Krankenhäu­ser in der Umgebung für die Behandlung bereit.

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FOTO: DPA Mit Bussen wurden Deutsche und andere Staatsbürg­er vom Flughafen Frankfurt am Main in die Quarantäne nach Germershei­m gefahren. Sie kamen aus dem vom Coronaviru­s betroffene­n chinesisch­en Wuhan.
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FOTO: DPA Während der Überfahrt vom Flughafen zur Kaserne tragen die Insassen der Busse Mundschutz.

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