Führungs-Tandem leitet Riesen-Amt
Ulrich Brakemeier ist seit 2,5 Jahren Leiter des Amts für Jugend, Schule und Sport. Seit sechs Monaten ist er in Altersteilzeit und teilt sich die Amtsleitung jetzt mit Anja Voß.
HILDEN Eine Amtsleitung, gleichberechtigt verteilt auf zwei Schultern. So ein Tandem wie Ulrich Brakemeier und Anja Voß findet man selten. In der Hildener Stadtverwaltung mit rund 1000 Mitarbeitern sind sie sogar einzigartig. Brakemeier (61) wollte etwas kürzer treten: „Ich war hochbeglückt, dass ich hier im Haus mit meinem Wunsch auf offene Ohren stieß.“„Eigentlich haben wir das schon lange gelebt“, sagt Anja Voß (44).
Im August 2017 übernahm Brakemeier die Amtsleitung und Voß wurde seine Stellvertreterin. „Eine perfekte Kombination“, fand ihr Vorgesetzter Dezernent Sönke Eichner damals. Zugleich wurde das Amt umstrukturiert: „Frau Voß hat die Phase der Neuausrichtung des Amtes aktiv mitgestaltet. Aus Sicht der Verwaltung ist die Umstrukturierung gelungen, die gewünschten Effekte sind eingetreten“, begründete Bürgermeisterin Birgit Alkenings die Personalie für den Jugendhilfeausschuss. Deshalb sei die halbe Stelle nach interner Ausschreibung mit Anja Voss besetzt worden. „Frau Voß
fehlen bis 2024 knapp 40 Millionen Euro. Weil die Stadt viele Aufgaben erfüllen muss, von Bund und Land aber nicht das nötige Geld dafür bekommt.
„Die Dimenison des Defizits ist besonders und macht uns besorgt“, sagt Ulrich Brakemeier: „Wir haben nicht über unsere Verhältnisse gelebt. Ja es stimmt: Wir haben gute Standards. Dafür haben wir aber auch hart gearbeitet.“„Wir müssen uns neu positionieren“, meint Anja Voß: „Die Frage ist: Was können wir leisten mit dem Geld, das wir noch zur Verfügung haben?“
Die Stadtverordneten beraten aktuell den Doppelhaushalt, müssen ihn Mitte März beschließen. Sie brauchen Antworten – jetzt. Es gebe keine einfachen Antworten, betont Voß: „Wir brauchen ein durchdachtes Konzept. Dafür brauchen wir Zeit.“
Warum? „Weil speziell in Hilden viele soziale Bereiche miteinander vernetzt sind“, erläutert Brakemeier: „Einsparungen an einer Stelle können ganz schnell höhere Ausgaben an anderer Stelle auslösen. Deshalb arbeiten wir schon länger daran, die vorhandenen Ressourcen besser zu nutzen.“
Das Familienbüro Stellwerk sei so ein Beispiel. „Das ist ein freiwilliges Angebot. Wir erreichen damit Menschen, denen es nicht gut geht. Sie erhalten Hilfen, ihren Alltag zu meistern. Dadurch verhindern wir, dass es am Ende zu pädagogischen Interventionen kommen muss.“
Mit dem Sparen im Sozialbereich ist das so eine Sache. Die Hilfesuchenden haben ein Rechtsanspruch, betont Brakemeiner: „Wir müssen das machen, sagen die Gerichte. Wir haben keine andere Wahl.“Wenn das Jugendamt – als letztes Mittel – Kinder aus Familien nimmt, weil ihr Wohl gefährdet ist, verursacht das auch hohe Kosten. Eine stationäre Unterbringung in einer Intensivgruppe kostet ab 250 Euro – pro Tag. 2019 hat das Hildener Jugendamt rund 3,4 Millionen Euro allein für die Heimpflege aufgewendet. Insgesamt 10,4 Millionen Euro für „Hilfen zur Erziehung innerhalb und außerhalb für Familien“.
Ulrich Brakemeier ist als Sozialpädagoge bei der Stadt Hilden gestartet, Anja Voß hat dort eine Ausbildung zur Verwaltungsbeamtin gemacht. Beide kennen sich im Rathaus gut aus. Beide können gut miteinander. Das spürt man. Sie schätzt an ihm seine Erfahrung, Verlässlichkeit und Loyalität. Er an ihr, dass sie einen zweiten Blick, den der Verwaltungsfachfrau mit einbringt: „Wir sind nicht immer einer Meinung, ziehen aber an einem Strang“, sagt Brakemeier. „Ich brenne für meine Arbeit“, sagt Anja Voß: „Hier möchte ich alt werden.“