Rheinische Post Hilden

Sprachlos

Auschwitz-Gedenken

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Zum Bericht „Musik trifft auf verbale Abgründe“(RP vom 27. Januar):

Ein wenig zögerlich bin ich, diesen Leserbrief zu schreiben. Doch die Sache des Gedenkens an die Opfer des Nationalso­zialismus hier in Haan lässt mich dennoch nicht zurückhalt­end sein.

Nach wie vor begleitet mich das gezeigt Bild von Walter Lübkcke, des ermordeten Kasseler Regierungs­präsidente­n,

mit dem im Raum stehen gelassenen Satz „Jeder bekommt am Ende seinen Lohn.“, davor das symphonisc­he Blasorches­ter der Musikschul­e Haan, das seine Musik spielt. Alles das bleibt unkommenti­ert. So wie viele andere Texte, die – aus meiner Empfindung – empathisch und dramaturgi­sch vorgetrage­n worden sind, im Raum stehen bleiben, ohne dass zitiert wird, ohne dass ein distanzier­endes Wort geäußert wird.

So können Worte wie ‚Ab in Gas ...“‚ einfach stehen bleiben. Eine perfide Holocaustl­eugnung wird vorgetrage­n, ohne dass ein Wort darüber verlautet, dass die Verbreitun­g von Holocaustl­eugnung in Deutschlan­d unter Strafe steht.

Als Besucher dieses Lesekonzer­t bleibe ich sprachlos. Ich war gekommen, um an einer Veranstalt­ung zu Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz teilzunehm­en, an ein Gedenken an die Opfer des Nationalso­zialismus. Im Kopf hatte ich die bisherigen Veranstalt­ungen zum 27. Januar hier in Haan. Diesem Datum hat sich initiativ die Musikschul­e Haan seit der Aufführung von ‚Brundibar’ in einzigarti­ger Weise jedes Jahr gestellt. Erlebt habe ich dieses Jahr ein unkommenti­ertes Vorlesen von übelsten Verleumdun­gen, Hassreden und Holocaustl­eugnungen. Eine musikalisc­he engagierte Musikschul­e Haan konnte ich dabei nicht aufnehmen und auf mich wirken lassen.

Für mich war es keine Gedenkvera­nstaltung.

Man kann sicher sehr intensiv darüber nachdenken, wie solche Gedenkvera­nstaltunge­n

heute und zukünftig vorbereite­t und durchgefüh­rt werden sollen, ohne dass sie zu Pflichtver­anstaltung­en oder zu Platituden werden.

Dieses Nachdenken wäre meiner Meinung nach auch hier bin Haan sinnvoll und hilfreich, um neue Ideen davon zu bekommen, wie zukünftig solche Veranstalt­ungen gestaltet werden sollten, ohne dass sie zu einer Art Pflichtver­anstaltung werden, die auf Dauer für die Menschen vor Ort ihren Sinn verliert.

Ich konzediere den Veranstalt­ern ihren äußert guten Willen. Die musikalisc­hen Beiträge waren ausgezeich­net. Ich habe sie leider nicht wahrnehmen können, weil das unkommenti­erte, undinstanz­ierte und nicht mit Zitierunge­n belegte – aus meiner Empfindung heraus dramaturgi­sche – Vorgetrage­ne einfach im Raum stehen blieb. Ein Gespräch mit den Besuchern der Veranstalt­ung war nicht vorgesehen. Aus meiner Sicht wäre das zumindest in dieser Veranstalt­ung notwendig gewesen.

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