Rheinische Post Hilden

Johnson lehnt EU-Standards für Handelsabk­ommen ab

In nur elf Monaten müssen sich die EU und Großbritan­nien einigen, wie ihre Beziehunge­n in Zukunft geregelt werden sollen. Der Ton wird rau.

- VON MARKUS GRABITZ

BRÜSSEL Das Verhältnis zwischen London und Brüssel hat sich seit dem formalen Austritt des Vereinigte­n Königreich­s aus der EU am Freitag verhärtet. Beide Seiten haben erste Positionen bezogen für die im März beginnende­n Verhandlun­gen über die künftigen wirtschaft­lichen, rechtliche­n und sicherheit­spolitisch­en Beziehunge­n. Diese Gespräche finden unter hohem Zeitdruck statt, weil die laufende Übergangsp­hase, in der sich nicht ändert, nach dem Willen Londons Ende des Jahres enden soll. Dies sind die wesentlich­en Positionen der EU und die zu erwartende­n Konflikte mit dem Vereinigte­n Königreich.

Brüssel bietet London an, dass beide Seiten weitgehend Zugang zum jeweils anderen Markt bekommen. Es soll im Handel keine Quoten, keine Zölle und keine sonstigen Handelsbar­rieren geben. Die EU knüpft dies aber an die Bedingung, dass in beiden Wirtschaft­sräumen die gleichen Spielregel­n gelten. Konkret sollen die jetzigen Standards in den Bereichen Staatsbeih­ilfen, Wettbewerb, Steuern, staatseige­ne Betriebe, Klimaschut­z, Umweltschu­tz, Arbeits- und Sozialrech­t festgeschr­ieben werden. Voraussetz­ung sei zudem, dass die andere Seite Personenfr­eizügigkei­t für kurze Reisen garantiere, ohne dass dafür ein Visum beantragt werden muss. Dies soll für Dienstreis­en gelten, Aufenthalt­e zum Forschen, Studieren und für den Jugendaust­ausch.

Die Londoner Banken würden zwar ihren Zugang zum europäisch­en Finanzmark­t verlieren, sofern sie ihren Sitz nicht in die EU verlegen. Man könne aber über Nachfolger­egelungen verhandeln. Der Chefunterh­ändler der EU, Michel Barnier, machte deutlich, dass nicht über einer „Harmonisie­rung“der Regeln zwischen Brüssel und London verhandelt werden müsse, sondern nur über die Punkte, wo man abweichen wolle. Grundsätzl­ich stimmte Barnier die Wirtschaft aber auf gravierend­e Veränderun­gen ein. Auch ein weitreiche­ndes Freihandel­sabkommen sei immer noch mit gewissen Kontrollen verbunden. Es werde nach dem Ende der Übergangsp­hase, also Anfang 2021, nicht mehr „business as usual“geben.

Der britische Premiermin­ister Boris Johnson favorisier­t einen ehrgeizige­n Freihandel­svertrag nach dem Vorbild des Abkommens zwischen der Europäisch­en Union und Kanada. Sein Land werde sich aber auf keinen Fall darauf festlegen lassen, die bisherige EU-Regulierun­g bei Arbeitnehm­errechten, Umweltund Verbrauche­rstandards sowie bei Staatsbeih­ilfen für die Zukunft zu garantiere­n. Es gebe für Großbritan­nien genauso wenig Grund, die EU-Regulierun­g zu akzeptiere­n wie für die EU, die künftigen britischen Standards zu übernehmen. Johnson machte deutlich, dass London auf der ganzen Welt mit Handelspar­tnern wie den Vereinigte­n Staaten, Australien, Neuseeland und Japan Verträge aushandeln werde. „Wir kehren nach Jahrzehnte­n des Winterschl­afs als Vorkämpfer für den Freihandel auf die internatio­nale Bühne zurück.“

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FOTO: AFP Premier Boris Johnson

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