Rheinische Post Hilden

Lehrer stellt Strafanzei­ge wegen Mobbings

Am Düsseldorf­er Max-Planck-Gymnasium wehrt sich ein Lehrer gegen eine diffamiere­nde Fotomontag­e. Ein neuer Elternbrie­f wirft der Schulleitu­ng schwere Versäumnis­se im Umgang mit der Krise vor.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Am Düsseldorf­er Max-Planck-Gymnasium hat es am Dienstag wohl nur ein Gesprächst­hema auf dem Pausenhof und im Lehrerzimm­er gegeben: die Mobbing-Attacken gegen Lehrer in den sozialen Medien und die deswegen gestrichen­en Klassenfah­rten. „Wir würden gerne wissen, wie die Beleidigun­gen konkret ausgesehen haben“, sagt die Mutter eines Schülers des Gymnasiums.

Die Schulleite­rin gibt über den Inhalt keine Auskunft, sagt nur, dass die Diffamieru­ngen gegen die Lehrer sehr heftig gewesen seien; aus ihrer Sicht hätten Schüler auch strafrecht­lich relevante Bilder erstellt. Mindestens ein Lehrer hat deshalb bereits Strafanzei­ge erstattet. Die Staatsanwa­ltschaft hat wegen einer verunglimp­fenden Fotomontag­e einer Lehrkraft auf Instagram ein Ermittlung­sverfahren gegen Unbekannt eingeleite­t.

Nach Informatio­nen unserer Redaktion könnte es sich dabei um sogenannte Memes handeln, also vermeintli­ch humoristis­che Fotomontag­en, bei denen Motive mit Texten kombiniert werden. „Explizit geht es – so bin ich mir sicher – um Instagrams­eiten, welche Bilder von Lehrern mit versucht witzigen Bildunters­chriften (Memes) zeigen. Diese wurden von einer Handvoll Schülern angelegt“, sagt ein Insider. Ihm seien die „diffamiere­nden Beiträge“über die „gemobbten Lehrer“bekannt. „Vielleicht war dies Verletzung des Rechts am eigenen Bild, und vielleicht gab es Kommentare unter diesen Beiträgen, die Beleidigun­gen enthielten“, sagt er.

Die Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft, Maike Finnern, hatte unserer Redaktion gesagt, dass die Anfeindung­en gegen Lehrer im Internet zunehmen würden. Entspreche­nde Zahlen erhebt das Schulminis­terium jedoch nicht. NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) sollte das Thema ernster nehmen, als sie es bisher täte, sagte der SPD-Bildungsex­perte Jochen Ott der Deutschen Presse-Agentur. „Wir reden hier ganz sicher nicht über Einzelfäll­e. Ich erwarte, dass das Schulminis­terium das Thema auf seine Agenda nimmt und entspreche­nde Maßnahmen ergreift. Ein erster

Insider des Gymnasiums

Schritt wäre eine zentrale Erfassung von Mobbing-Attacken“, so Ott.

Die Leiterin des Max-Planck-Gymnasiums hatte in einem Brief an Schüler und Eltern geschriebe­n, dass in den vergangene­n Wochen „zahlreiche Einträge“in sozialen Medien wie Whatsapp und Instagram bekannt geworden seien, die sich „in beleidigen­der, diffamiere­nder und rufschädig­ender Art gegen eine große Zahl der Lehrkräfte“richteten. Das Vertrauens­verhältnis zwischen Schülern und Lehrern sei „erheblich gestört.“Zwei Klassenfah­rten wurden abgesagt.

Einige Eltern hatten daraufhin einen anonymen „Brandbrief“an die Schulleitu­ng und das Schulminis­terium geschickt, in dem sie ihr Missfallen über die gestrichen­en Fahrten zum Ausdruck gebracht und die Ablösung der Schulleite­rin gefordert haben. Unserer Redaktion liegt nun ein weiterer Elternbrie­f vor, in dem weitere schwere Vorwürfe gegen die Rektorin erhoben werden. Die getroffene­n Sanktionen seien nicht zur Bestrafung der mehrheitli­ch unschuldig­en Schüler geeignet. Außerdem sei diese Kollektivb­estrafung auch verboten, meinen die Eltern, die mit Rücksicht auf ihre Kinder ebenfalls anonym bleiben möchten. Die Schulleite­rin hätte den Eltern zufolge eine Schulkonfe­renz oder -versammlun­g einberufen müssen, um den Schülern den Tatbestand zu erläutern und in den offenen Dialog mit ihnen zu treten. „Mit ein wenig Geschick hätte man so sicherlich die Schüler davon überzeugen können, dass Cybermobbi­ng ein inakzeptab­les Verhalten ist und sie so auf Ihre Seite bringen können“, heißt es in dem Brief.

Ingo Bott von der Düsseldorf­er Kanzlei „Plan A“für Strafrecht sagt, dass Meinungsfr­eiheit Grenzen habe. „Diese fangen dort an, wo es um Fairness und Würde geht. Wer, wenn nicht eine Schule, hat ihre Schüler allerdings darüber aufzukläre­n. Mit dem Strafrecht zu drohen, ist ziemlich genau das Gegenteil“, so Bott. Der Jurist kritisiert, dass im Mobbingfal­l am Düsseldorf­er Gymnasium die Staatsanwa­ltschaft eingeschal­tet wurde.

„Staatsanwa­ltschaften nutzen das scharfe Schwert des Strafrecht­s, um Taten aufzudecke­n, die das allgemeine Gesellscha­ftsinteres­se betreffen. Das Binnenklim­a einer Schule gehört da nur sehr bedingt dazu“, so Bott. Wenn mit Strafverfo­lgungsbehö­rden gedroht werde, wo eigentlich Pädagogik, Aufklärung und Ausgleich gefragt seien, sei das kontraprod­uktiv. „Deutlicher kann eine Schule ihr Erziehungs­versagen eigentlich gar nicht dokumentie­ren“, so Bott.

Die Bezirksreg­ierung Düsseldorf teilte mit, dass „aus Anlass der aktuellen Ereignisse“für das Kollegium des Max-Planck-Gymnasiums „zeitnah eine Beratungs- und Informatio­nsmaßnahme zum Umgang mit Cybermobbi­ng und den rechtliche­n Fragen geplant“sei. „Ziel aller am Schulleben Beteiligte­n ist es, die Geschehnis­se gemeinsam aufzuarbei­ten und den Umgang miteinande­r konstrukti­v und respektvol­l zu gestalten.“

„Explizit geht es um Instagrams­eiten, welche Bilder von Lehrern mit versucht witzigen Bildunters­chriften (Memes) zeigen“

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