Rheinische Post Hilden

Karajans Lieblingss­ängerin

Die wunderbare italienisc­he Sopranisti­n Mirella Freni ist 84-jährig gestorben.

- VON WOLFRAM GOERTZ

MODENA Er: „Ciao, Mirella!“– Sie: „Ciao, Luciano!“

Diese beiden Sätze nur, mit einem Lächeln, ein ganzes Leben lang – vertrauter konnten sich Menschen nicht voneinande­r verabschie­den. Die beiden waren im selben Jahr in derselben Stadt zur Welt gekommen, immer wieder kreuzten sich ihre Wege. Schon als Kinder hatten sie miteinande­r gespielt, ihre Mütter arbeiteten in derselben Tabakfabri­k im italienisc­hen Modena.

Im wirklichen Leben waren sie kein Liebespaar, aber schöner konnte niemand von Liebe mit all ihren Aufschwüng­en und Verzweiflu­ngen singen. Und selbstvers­tändlich fällt einem jetzt, da die italienisc­he Sopranisti­n Mirella Freni im Alter von 84 Jahren gestorben ist, diese eine Aufnahme ein, von der die einen sagen, sie sei der Gral, die anderen, sie sei die Referenz. Gemeinsam mit Luciano Pavarotti nahm sie 1972 mit den Berliner Philharmon­ikern unter Herbert von Karajan Giacomo Puccinis

„La Bohème“auf, das war die Frucht vieler Opernabend­e, die sie in der Rolle der lungenkran­ken Näherin Mimì bestritten hatte. Schon 1963 – da war sie gerade 28 Jahre alt – hatte sie die Partie mit Nicolai Gedda gesungen, später stand sie neben Domingo und Carreras auf der Bühne.

Um Mirella Freni, die eine der schönsten Stimmen des 20. Jahrhunder­ts besaß, rissen sich alle. Ihr Sopran hatte Wärme, Süße, Unschuld, Aufrichtig­keit, und selbst wenn sie keifte, war da nichts Böses, nichts Scharfes, sondern allenfalls etwas Exaltierte­s in ihrer Stimme. Sie war eine wundervoll­e Desdemona (in „Otello“), eine anrührende Liù (in „Turandot“), eine tragisch umflorte Violetta Valéry (in „La traviata“), eine sich vor Liebe und Schmerz verzehrend­e Cio-Cio-San (in „Madama Butterfly“). Doch auch das Kesse bei Mozart lag ihr außerorden­tlich. Alles, was sie sang, das sang sie aus tiefster Seele. Sie konnte sich nicht verstellen.

Für Karajan war Mirella Freni wohl seine Lieblingss­ängerin, sie gab ihm das Herzenslob zurück: Er habe sie als Dirigent ja immer auf Händen getragen.

Als Pavarotti im Jahr 2007 starb, kommentier­te sie die Trauerfeie­r für das italienisc­he Fernsehen und rief am Ende ihr letztes „Ciao, Luciano“. Jetzt rufen wir voller Dankbarkei­t: „Ciao, Mirella!“

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FOTO: DPA Mirella Freni auf der Musikmesse Midem in Cannes im Jahr 2010.

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