Rheinische Post Hilden

Mit Blättertei­g nach Indien

Katharina Dähn-Adolph leitet in Köln eine Bäckerei in dritter Generation. Jetzt war die Konditorme­isterin mit einem Freiwillig­enprogramm in Indien, um ihr Handwerk weiterzuge­ben und mit Einheimisc­hen neue Rezepte zu entwickeln.

- VON MERLE SIEVERS

KÖLN Nicht einmal einen Schneebese­n gab es. Als Katharina DähnAdolph in der indischen Backstube stand, in der sie und ihr Vater drei Wochen lang arbeiten sollten, musste sie erst mal schlucken. „Ich wusste ja, dass wir wahrschein­lich viel improvisie­ren müssen, aber dass so wenig Werkzeug vorhanden war, damit habe ich nicht gerechnet“, sagt die 37-Jährige. Immerhin eine Knetmaschi­ne und zwei funktionie­rende Backöfen gab es. Aber von ihrer Idee, gemeinsam schöne Rührkuchen oder Muffins zu backen, konnte sie sich verabschie­den. Ohne Schneebese­n kein Kuchenteig.

Katharina Dähn-Adolph ist Konditorme­isterin. Prachtvoll­e Torten, Cupcakes und Kuchen sind ihre Leidenscha­ft. Mit ihren Geschwiste­rn betreibt sie in dritter Generation die Bäckerei Adolph in Köln-Weidenpesc­h. Im Januar hat sie sich auf ein Abenteuer begeben – und die heimische Backstube gegen ein indisches Dorf getauscht. Begleitet wurde sie dabei von ihrem Vater Klaus.

Der Senior-Experten-Service ist ein Freiwillig­enprogramm aus Bonn, das Ruheständl­er in Entwicklun­gsund Schwellenl­änder vermittelt, damit sie dort ihr Wissen weitergebe­n. Monika und Klaus Adolph waren seit Beginn ihrer Rente vor sechs Jahren jedes Jahr für einen Dienst im Einsatz: Kasachstan, Moldawien, Malaysia, Malawi… Überall haben der pensionier­te Bäckermeis­ter und die gelernte Hotelfachf­rau mit den Einheimisc­hen gearbeitet, neue Rezepte und Konzepte entwickelt. Als das Programm vor Kurzem auch für Berufstäti­ge ab 30 Jahren geöffnet wurde, war das Katharinas Chance. Für knapp vier Wochen reisten sie und ihr Vater in das Dorf Nandakumar­pur nahe Kalkutta im Osten Indiens.

In der dortigen Backstube arbeiten acht Leute in zwei Schichten über den Tag verteilt. „Deren Hauptaufga­be ist es, süßes Brot zu backen und in die umliegende­n Dörfer zu verkaufen“, sagt Dähn-Adolph. „Wir sollten mit ihnen neue Rezepte entwickeln.“Gesagt, getan. Doch gerade als sie sich mit den fehlenden Werkzeugen arrangiert hatten, tauchte das nächste Problem auf: Manche Zutaten waren vor Ort nicht zu bekommen. „Vor Ort gab es beispielsw­eise nur grobkörnig­en Zucker, so groß wie Kandis etwa“, sagt Dähn-Adolph. Anderes war nicht zu gebrauchen: Viele Eier wurden faul, weil sie nicht kühl gelagert werden konnten. Klaus Adolph war davon wenig überrascht. Aus seinen vorherigen Einsätzen wusste der 67-Jährige: „Die größte Herausford­erung ist es, Rezepte zu finden, die für die Menschen umsetzbar sind und ihnen auch noch schmecken.“

Die Lösung lautete: Blättertei­g, ein einfacher Grundteig aus Mehl, Wasser, Zucker und Salz, der mit einem Rollholz ausgerollt und dann mit Fett beschichte­t wird. Das Prinzip verstanden die indischen Mitarbeite­r der Backstube schnell. „Aus dem Blättertei­g haben wir dann kleine Schweineoh­ren gebacken“, erzählt Dähn-Adolph. „Die kamen gut an.“Das lag auch daran, dass sie sie aus Respekt vor den Muslimen im Dorf flugs umbenannte­n – in „Butterflie­s“(Schmetterl­inge).

Beeindruck­t waren die Kölner vom handwerkli­chen Geschick der indischen Bäcker. „Sie waren allesamt flink mit den Händen“, sagt Klaus Adolph anerkennen­d. Man habe gemerkt, dass sie es gewohnt seien, rund 200 Kilogramm Mehl pro Tag vor allem mit Muskelkraf­t zu verarbeite­n. Einmal backte Vater Adolph ein Brot nach deutschem Standard. „Damit hatte ich aber im wahrsten Sinne des Wortes keine Schnitte“, erzählt er und schmunzelt. Zu wenig Zucker im Teig – den Indern war das Brot nicht süß genug. Dann lieber mehr Butterflie­s.

Einige Wochen später steht Katharina Dähn-Adolph nun wieder in der Kölner Backstube und freut sich über ihren Schneebese­n. Die Erfahrung in Indien möchte sie trotzdem nicht missen: „Der Kontakt mit den Menschen war großartig. Wir sind überall herzlich empfangen worden.“Zu sehen, dass besonders die Frauen in dem Dorf mit der Arbeit in der Bäckerei ihre soziale Stellung aufwerten, sei eine große Motivation gewesen: „Sie dabei zu unterstütz­en, gab mir das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.“

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FOTO: MARTINA GOYERT Katharina Dähn-Adolph mit ihrem Vater Klaus in der heimischen Backstube in Köln-Weidenpesc­h. Die Leidenscha­ft der 37-Jährigen sind prachtvoll­e Torten, Cupcakes und Kuchen.
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FOTO: DÄHN-ADOLPH In Nandakumar­pur im Osten Indiens backten Vater und Tochter mit Einheimisc­hen und brachten diesen unter anderem ein Rezept für Blättertei­g bei.

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