Fahrplan von NRW ins Kanzleramt
Erneute Kampfkandidatur um den Parteivorsitz oder Konsens im Team? Die Klärung der Machtfrage in der CDU ist schwierig.
BERLIN/DÜSSELDORF Die Schlüsselfigur bei der Klärung der Frage, wer die CDU führen und Kanzlerkandidat für die Union werden soll, schweigt weiter. Armin Laschet spricht am Donnerstag zwar im Landtag. Aber dazu, wie die personellen Folgen des Thüringer Desasters für die CDU mit dem angekündigten Rückzug von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer bewältigt werden sollen, sagt er nichts.
Sollte Laschet selbst nicht zugreifen wollen, weil er mit einer Bundestagswahl auch seine solide Machtstellung an Rhein und Ruhr verlieren könnte, richten sich die Hoffnungen auf seine integrativen Fähigkeiten, eine „Paketlösung“auszuhandeln. Allerdings ist einer aus einem möglichen Team bereits ausgeschert: Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der kundtun ließ, dass er notfalls auch wieder in eine Kampfkandidatur um den Parteivorsitz gehen könnte. Ähnlich äußerte Merz sich am Donnerstagabend auch bei einem Mittelstandsforum in Berlin.
Der andere mögliche Kandidat, Gesundheitsminister Jens Spahn, reihte sich hingegen in den Klärungsprozess ein. Eine zweite Kampfkandidatur innerhalb von nicht einmal zwei Jahren könnte die CDU vollends spalten, hieß es am Donnerstag in Parteikreisen in Berlin. Lasse Merz sich nicht auf ein Mannschaftsspiel ein, könnte es zu einem Team gegen Merz kommen, sagt einer, der die Verfahrensvorbereitungen aus der Nähe begleitet.
Zwei Termine sind für nächste Woche in Kramp-Karrenbauers Kalender bereits eingetragen: ein Gespräch mit Merz und eins mit Spahn. Bis zur nächsten regulären Präsidiumssitzung am 24. Februar soll klar sein, wie der Prozess organisiert wird. Auch Kanzlerin Angela Merkel wirkt daran mit – für sie geht es um nichts Geringeres als ihre Regierung und die Schlussphase ihrer Karriere. Würde Merz Parteichef, drohe beides unfriedlich zu Ende zu gehen, glauben viele in der CDU.
Das Problem ist, dass Christdemokraten und Christsoziale gemeinsam über die Kanzlerkandidatur der Union entscheiden. Insofern müsste der CDU-Vorsitz eigentlich früher feststehen. Es könnte ja sein, dass CSUChef Markus Söder gegen einen der Bewerber sein Veto einlegt.
Eine Kabinettsumbildung könne helfen, auch Söder zu überzeugen, sind sich CDU-Bundestagsabgeordnete sicher. Und vielleicht ein Coup – Partei- und Fraktionsvorsitz könnten in eine Hand gelegt werden. Dafür gäbe es zwei Namen: Fraktionschef Ralph Brinkhaus oder Spahn, wenn Brinkhaus ins Kabinett ginge. In Doppelfunktion als Parteiund Fraktionschef bliebe genügend Raum, um sich trotz Merkel noch zu profilieren – und dennoch nicht 18
Monate Wahlkampf als Kanzlerkandidat zu machen. Denn eine solche Zeitspanne überstehe niemand.
Während sich in den vergangenen Monaten viele sicher waren, Merz habe bei der Kanzlerkandidatur keine Chancen mehr, hat sich das Blatt zu seinen Gunsten gewendet. Eine Forsa-Umfrage attestierte ihm in dieser Woche die besten Werte. Forsa-Chef Manfred Güllner sieht die Erfolgsaussichten eines Kanzlerkandidaten Merz allerdings als gering an. Mehr noch: „Für die CDU wäre es eine Katastrophe, wenn Merz es würde“, sagt Güllner. „Es käme zu einem Wähler-Schub der liberalen Mitte weg von der CDU hin zu den Grünen.“Güllners weitere Erkenntnis: Merz habe zwar gute Werte bei AfD-Wählern, diese würden aber auch bei einem Kanzlerkandidaten Merz nicht die CDU wählen.
Aus der nordrhein-westfälischen CDU heißt es, dass Merz aus der Deckung gekommen sei, fördere zu differenzieren. „Mit der AfD ist auch abseits von Koalitionen jede Form der Zusammenarbeit immer ausgeschlossen. Bei der Linkspartei gibt es im Bundestag punktuelle Zusammenarbeit, etwa bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen.“Dennoch dürfe nicht verkannt werden, dass auch die Linke in Teilen totalitär sei.
Auch Grüne und SPD mahnten, Rechte und Linke nicht in einen Topf zu werfen. Oppositionsführer den Prozess eines ruhigen Verständigens auf einen Kandidaten nicht. Vor allem aber müsse es schnell gehen. Die CDU müsse spätestens innerhalb von drei Wochen – mit weitem Abstand zur Kommunalwahl in NRW im September – Klarheit über das weitere Prozedere erzielen, sonst fliege der Laden auseinander.
Falls Laschet nach Berlin ginge, würde wohl Landesverkehrsminister Hendrik Wüst nachrücken, weil in NRW nur Ministerpräsident werden kann, wer auch ein Landtagsmandat hat, und Justizminister Peter Biesenbach und Finanzminister Lutz Lienenkämper weniger Chancen als Wüst eingeräumt werden. Wer Interims-Ministerpräsident werde, werde auch als Spitzenkandidat der CDU in den Landtagswahlkampf 2020 ziehen, hieß es.
Thomas Kutschaty (SPD) kritisierte die Vorgänge in Thüringen scharf: „Das war ein Verrat an den Werten unseres Landes.“Grünen-Fraktionschefin Monika Düker sagte, wer Menschen jagen und Parteien abschaffen wolle, wer Wissenschaftlern vorschreibe, was gelehrt werden solle, der stelle die Verfassung infrage. AfD-Fraktionschef Markus Wagner bezeichnete die Haltung der anderen Parteien als „Reaktion der Verlierer“, die „überdreht irre“sei.