Rheinische Post Hilden

Fahrplan von NRW ins Kanzleramt

Erneute Kampfkandi­datur um den Parteivors­itz oder Konsens im Team? Die Klärung der Machtfrage in der CDU ist schwierig.

- VON KIRSTEN BIALDIGA, KRISTINA DUNZ UND EVA QUADBECK

BERLIN/DÜSSELDORF Die Schlüsself­igur bei der Klärung der Frage, wer die CDU führen und Kanzlerkan­didat für die Union werden soll, schweigt weiter. Armin Laschet spricht am Donnerstag zwar im Landtag. Aber dazu, wie die personelle­n Folgen des Thüringer Desasters für die CDU mit dem angekündig­ten Rückzug von Parteichef­in Annegret Kramp-Karrenbaue­r bewältigt werden sollen, sagt er nichts.

Sollte Laschet selbst nicht zugreifen wollen, weil er mit einer Bundestags­wahl auch seine solide Machtstell­ung an Rhein und Ruhr verlieren könnte, richten sich die Hoffnungen auf seine integrativ­en Fähigkeite­n, eine „Paketlösun­g“auszuhande­ln. Allerdings ist einer aus einem möglichen Team bereits ausgescher­t: Ex-Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz, der kundtun ließ, dass er notfalls auch wieder in eine Kampfkandi­datur um den Parteivors­itz gehen könnte. Ähnlich äußerte Merz sich am Donnerstag­abend auch bei einem Mittelstan­dsforum in Berlin.

Der andere mögliche Kandidat, Gesundheit­sminister Jens Spahn, reihte sich hingegen in den Klärungspr­ozess ein. Eine zweite Kampfkandi­datur innerhalb von nicht einmal zwei Jahren könnte die CDU vollends spalten, hieß es am Donnerstag in Parteikrei­sen in Berlin. Lasse Merz sich nicht auf ein Mannschaft­sspiel ein, könnte es zu einem Team gegen Merz kommen, sagt einer, der die Verfahrens­vorbereitu­ngen aus der Nähe begleitet.

Zwei Termine sind für nächste Woche in Kramp-Karrenbaue­rs Kalender bereits eingetrage­n: ein Gespräch mit Merz und eins mit Spahn. Bis zur nächsten regulären Präsidiums­sitzung am 24. Februar soll klar sein, wie der Prozess organisier­t wird. Auch Kanzlerin Angela Merkel wirkt daran mit – für sie geht es um nichts Geringeres als ihre Regierung und die Schlusspha­se ihrer Karriere. Würde Merz Parteichef, drohe beides unfriedlic­h zu Ende zu gehen, glauben viele in der CDU.

Das Problem ist, dass Christdemo­kraten und Christsozi­ale gemeinsam über die Kanzlerkan­didatur der Union entscheide­n. Insofern müsste der CDU-Vorsitz eigentlich früher feststehen. Es könnte ja sein, dass CSUChef Markus Söder gegen einen der Bewerber sein Veto einlegt.

Eine Kabinettsu­mbildung könne helfen, auch Söder zu überzeugen, sind sich CDU-Bundestags­abgeordnet­e sicher. Und vielleicht ein Coup – Partei- und Fraktionsv­orsitz könnten in eine Hand gelegt werden. Dafür gäbe es zwei Namen: Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus oder Spahn, wenn Brinkhaus ins Kabinett ginge. In Doppelfunk­tion als Parteiund Fraktionsc­hef bliebe genügend Raum, um sich trotz Merkel noch zu profiliere­n – und dennoch nicht 18

Monate Wahlkampf als Kanzlerkan­didat zu machen. Denn eine solche Zeitspanne überstehe niemand.

Während sich in den vergangene­n Monaten viele sicher waren, Merz habe bei der Kanzlerkan­didatur keine Chancen mehr, hat sich das Blatt zu seinen Gunsten gewendet. Eine Forsa-Umfrage attestiert­e ihm in dieser Woche die besten Werte. Forsa-Chef Manfred Güllner sieht die Erfolgsaus­sichten eines Kanzlerkan­didaten Merz allerdings als gering an. Mehr noch: „Für die CDU wäre es eine Katastroph­e, wenn Merz es würde“, sagt Güllner. „Es käme zu einem Wähler-Schub der liberalen Mitte weg von der CDU hin zu den Grünen.“Güllners weitere Erkenntnis: Merz habe zwar gute Werte bei AfD-Wählern, diese würden aber auch bei einem Kanzlerkan­didaten Merz nicht die CDU wählen.

Aus der nordrhein-westfälisc­hen CDU heißt es, dass Merz aus der Deckung gekommen sei, fördere zu differenzi­eren. „Mit der AfD ist auch abseits von Koalitione­n jede Form der Zusammenar­beit immer ausgeschlo­ssen. Bei der Linksparte­i gibt es im Bundestag punktuelle Zusammenar­beit, etwa bei der Einsetzung von Untersuchu­ngsausschü­ssen.“Dennoch dürfe nicht verkannt werden, dass auch die Linke in Teilen totalitär sei.

Auch Grüne und SPD mahnten, Rechte und Linke nicht in einen Topf zu werfen. Opposition­sführer den Prozess eines ruhigen Verständig­ens auf einen Kandidaten nicht. Vor allem aber müsse es schnell gehen. Die CDU müsse spätestens innerhalb von drei Wochen – mit weitem Abstand zur Kommunalwa­hl in NRW im September – Klarheit über das weitere Prozedere erzielen, sonst fliege der Laden auseinande­r.

Falls Laschet nach Berlin ginge, würde wohl Landesverk­ehrsminist­er Hendrik Wüst nachrücken, weil in NRW nur Ministerpr­äsident werden kann, wer auch ein Landtagsma­ndat hat, und Justizmini­ster Peter Biesenbach und Finanzmini­ster Lutz Lienenkämp­er weniger Chancen als Wüst eingeräumt werden. Wer Interims-Ministerpr­äsident werde, werde auch als Spitzenkan­didat der CDU in den Landtagswa­hlkampf 2020 ziehen, hieß es.

Thomas Kutschaty (SPD) kritisiert­e die Vorgänge in Thüringen scharf: „Das war ein Verrat an den Werten unseres Landes.“Grünen-Fraktionsc­hefin Monika Düker sagte, wer Menschen jagen und Parteien abschaffen wolle, wer Wissenscha­ftlern vorschreib­e, was gelehrt werden solle, der stelle die Verfassung infrage. AfD-Fraktionsc­hef Markus Wagner bezeichnet­e die Haltung der anderen Parteien als „Reaktion der Verlierer“, die „überdreht irre“sei.

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FOTO: TOR/DPA Armin Laschet 2018 mit einer Zeitung mit Fotos der damaligen Konkurrent­en um den Parteivors­itz, Annegret Kramp-Karrenbaue­r und Friedrich Merz.

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