Rheinische Post Hilden

Europa hat fünf Jahre vertan

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Bilder suggeriere­n eine Wiederholu­ng: Wie im Herbst 2015 laufen im März 2020 Tausende Flüchtling­e durch Südeuropa in der Erwartung, in Deutschlan­d anzukommen. Wie 2015 richten sich viele ihrer Hoffnungen auf Angela Merkel, die ihnen aus Schmutz, Kälte, Lebensgefa­hr heraushelf­en möge. Es gibt jedoch Unterschie­de: Damals gab es noch kein EU-Türkei-Abkommen, heute weiß keiner, ob und wann sich Ankara wieder daran halten will. Damals war Deutschlan­d auf einen Massenanst­urm nicht vorbereite­t, heute gibt es reichlich Reserven, vor allem aber eine deutlich gestärkte EU-Grenzschut­zpolizei.

Und doch ist eines gleich: Die EU kümmert sich nicht um ihre Nachbarsch­aft und bekommt die Folgen nun wieder zu spüren. Vier Jahre tobte seinerzeit schon der Bürgerkrie­g in Syrien, hatte Millionen in die Flucht getrieben. Weitere fünf Jahre später dauert das Zuschauen an, werden die Zahlen jener Menschen registrier­t, die vor den syrischen und russischen Angriffen Schutz suchen.

In der Vergangenh­eit übte die Ordnungsma­cht USA mit ihrer wirtschaft­lichen und militärisc­hen Kraft politische­n Druck auf Verständig­ungslösung­en aus. Sowohl wirtschaft­lich als auch militärisc­h würde ein einiges Europa den USA kaum nachstehen und wäre politisch in der Lage, die Ursachen der Flucht aus der Welt zu schaffen. Die EU-Verantwort­lichen reagieren zwar jetzt eiligst auf die türkische Herausford­erung der Grenzöffnu­ng. Aber es spricht Bände, wie sie es tun. Sie bringen nicht das Gewicht von 500 Millionen Bürgern und der größten Wirtschaft­smacht ein, um den Bürgerkrie­g zu beenden. Sie reisen stattdesse­n an die griechisch-türkische Grenze, um sich aus nächster Nähe das Chaos anzuschaue­n, das sie in den letzten fünf Jahren hätten verhindern müssen.

BERICHT ERDOGAN: HUNDERTTAU­SENDE SIND . . ., POLITIK

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