Rheinische Post Hilden

Der Papst und der Holocaust

Pius XII. war zur Zeit des Nationalso­zialismus Oberhaupt der katholisch­en Kirche. Wissenscha­ftler erforschen, was der Papst wusste.

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

ROM Der Vorwurf ist spätestens seit 1963 in der Öffentlich­keit. Damals wurde in Berlin das Theaterstü­ck „Der Stellvertr­eter“von Rolf Hochhuth uraufgefüh­rt, dem er den Beinamen „ein christlich­es Trauerspie­l“gegeben hatte. Thema war die Haltung des Vatikan zum Nazi-Regime, insbesonde­re klagte das Stück das damalige Oberhaupt der Katholiken, Papst Pius XII, an: Er habe den Massenmord der Juden schweigend hingenomme­n. Seit bald 70 Jahren läuft die Diskussion über die Rolle des Papstes zur Hitler-Zeit. Nun könnte langsam Licht ins Dunkel kommen. Seit Montag haben Wissenscha­ftler Zugang zu den Akten aus dem Pontifikat Eugenio Pacellis im Vatikan.

Pacelli kam kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 ins Amt und starb 1958, als der Ost-West-Konflikt nicht zuletzt in Italien mit dem Erstarken der Kommunisti­schen Partei auf einen Höhepunkt zusteuerte. Vor allem das Thema Pius XII. und die Judenverfo­lgung steht bei den Wissenscha­ftlern im Vordergrun­d. 100 Forschungs­anträge genehmigte der Vatikan bereits. Zunächst bis Juni können die Historiker das umfangreic­he Aktenmater­ial aus dem

Apostolisc­hen Archiv und anderen Vatikan-Beständen durchsehen. 30 Wissenscha­ftler gleichzeit­ig sollen Einblick in die Akten bekommen. Dabei geht es zunächst darum, nach ersten Funden Forschungs­schwerpunk­te klarer zu definieren. Bereits nach Rom angereiste Historiker des Holocaust-Gedenkmuse­ums in Washington flogen wegen des Coronaviru­s allerdings vorübergeh­end wieder zurück in die USA.

Mit dabei war am Montag im Vatikanarc­hiv der Münsterane­r Kirchenhis­toriker Hubert Wolf. Auch bei seinen Forschunge­n steht die Frage im Mittelpunk­t: „Warum hat der Papst nicht laut gegen die Ermordung von sechs Millionen Juden protestier­t? Was wusste er? Wann wusste er was? Was haben sie intern hinter den hohen Mauern des Vatikan darüber diskutiert?“Einige Dokumente zum Thema sind bereits bekannt. So gibt es Berichte von Bischöfen oder päpstliche­n Botschafte­rn über Deportatio­nen von Juden in Konzentrat­ionslager oder auch eine direkte Interventi­on des päpstliche­n Nuntius in Berlin 1943 bei Hitler. Was fehlt, sind die Zusammenhä­nge und der Einblick in Diskussion­en, die im Vatikan hinter den Kulissen abliefen.

„Die Kirche hat keine Angst vor der Geschichte“, sagte Papst Franziskus,

in christlich­en Basisgemei­nden, von einer Symbiose von Christentu­m und Marxismus.

Im Laufe der Jahre verlor die sandinisti­sche Revolution ihre Unschuld. Inzwischen hält sich das Präsidente­npaar Daniel Ortega und Rosario Murillo nur noch mit brutaler Gewalt an der Macht. Cardenal sprach dies offen aus: „Ortega ist ein kleiner mieser Diktator.“Er war wohl der einzige im Land, an dessen Leben sich Ortega nicht wagte.

Mit dem Vatikan machte er seinen Frieden. Papst Franziskus hatte ihn wieder in den Kreis der Priester aufgenomme­n. Für sein literarisc­hes Werk erhielt Cardenal 1980 den Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s und 2012 den spanischen Königin-Sofia-Preis für Iberoameri­kanische Literatur. Nun schweigt die Stimme eines der unbeugsams­ten Lateinamer­ikaners für immer.

als er vergangene­s Jahr die Öffnung der Archive zum Pontifikat Pius XII. ankündigte. 14 Jahre lang bereiteten Archivare im Vatikan die Aktenbestä­nde vor und digitalisi­erten sie teilweise. Insgesamt soll es sich um mehr als zwei Millionen Blatt Papier handeln, die in sieben Einzelarch­iven an verschiede­nen Stellen im Vatikan lagern. Die Initiative zur Öffnung ging auf Benedikt XVI. zurück. Mit seiner Entscheidu­ng, die Seligsprec­hung Pius XII. voranzutre­iben, löste Joseph Ratzinger 2009 vor allem bei jüdischen Organisati­onen Empörung aus. Wie könne der Papst bei seinem Vorgänger angesichts der zweifelhaf­ten Vergangenh­eit einen „heroischen Tugendgrad“feststelle­n, lautete der Vorwurf. Im Vatikan wird darauf verwiesen, Pius XII. habe sich auf zahlreiche­n diplomatis­chen Kanälen gegen den Holocaust eingesetzt und katholisch­e Orden in Italien zur Rettung von Juden aufgerufen.

Die Öffentlich­keit erwartet also nichts weniger als ein abschließe­ndes historisch­es Urteil über Eugenio Pacelli, den letzten Monarchen auf dem Stuhl Petri, der zu Beginn seiner Laufbahn apostolisc­her Nuntius zunächst in München, später in Berlin und von 1930 bis 1939 auch Kardinalst­aatssekret­är, also zweiter

Mann im Vatikan war. Bis solide Forschungs­ergebnisse vorliegen, dürften allerdings Jahre vergehen. „Die Wahrheit gibt es nicht“, sagte Kirchenhis­toriker Wolf in Rom. Er glaube hingegen schon, „dass wir eine ganze Reihe von Fragen beantworte­n werden können“. Dazu gehört etwa auch ein anderes dunkles Kapitel, die Flucht von NS-Tätern wie Adolf Eichmann, Josef Mengele oder Klaus Barbie, die mithilfe katholisch­er Stellen aus Südtirol, Rom oder Genua nach Südamerika fliehen konnten. Vatikanbeh­örden, insbesonde­re eine „Päpstliche Hilfskommi­ssion“, beglaubigt­en nach Kriegsende Dokumente und besorgte die zur Ausreise notwendige­n Visa.

 ?? FOTO: DPA ?? Papst Pius XII. auf einem Foto vom 1. September 1945.
FOTO: DPA Papst Pius XII. auf einem Foto vom 1. September 1945.

Newspapers in German

Newspapers from Germany