Rheinische Post Hilden

Warum immer wieder Hopp?

Seit Jahren ist der Mäzen der TSG Hoffenheim den Angriffen von Teilen der Fans sogenannte­r Traditions­vereine ausgesetzt. Für sie ist der 79-Jährige das Gesicht der zunehmende­n Kommerzial­isierung des Fußballs.

- VON GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Zwischen den Fan-Lagern im deutschen Fußball gibt es derzeit große Solidaritä­t. Die Ultras der allermeist­en Vereine demonstrie­ren gegen eine aus ihrer Sicht falsche und von Hoffenheim­s Mäzen Dietmar Hopp verkörpert­e Entwicklun­g im Fußball. Dabei kam es zuletzt beinahe zu Spielabbrü­chen, weil der DFB eine Null-Toleranz-Politik verfolgt und die Ultras in die Schranken weisen will. Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen zum Thema.

Warum richtet sich die Wut gegen Dietmar Hopp?

Hopp ist für viele Ultras zum Gesicht der Kommerzial­isierung des Fußballs geworden. Der Milliardär und Mitbegründ­er des Softwareko­nzerns SAP hat die TSG Hoffenheim, seinen Heimatvere­in, mit mehreren Hundert Millionen Euro aus seinem Privatverm­ögen vom Dorfverein zum ambitionie­rten Bundesligi­sten gemacht. Auf dem Weg dorthin wurden Hopp und die TSG immer wieder angefeinde­t. Schon 2008 wurde das Gesicht des Mäzen im Fadenkreuz abgebildet. Im Laufe der Jahre nahm der Protest langsam ab – auch, weil mit RB Leipzig ein neues Feindbild aufkam. Doch nun war es plötzlich Hopp, der neues Öl ins Feuer goß. Mit Hilfe von Richtmikro­fonen ließ er einzelne Fans ausfindig machen, die im Gästeblock gegen ihn pöbelten. Die daraus folgenden juristisch­en Auseinande­rsetzungen heizten die Proteste neu an.

Was steckt hinter den Aktionen der Ultra-Gruppen?

Aktueller Auslöser der Aktion ist ein Urteil des DFB-Sportgeric­hts vom 20. Februar, das Fans von Borussia Dortmund mit einer Zwei-Jahres-Sperre für

Gastspiele in Sinsheim belegt hatte. Die BVB-Anhänger waren zuvor regelmäßig mit Schmähunge­n gegen Hopp auffällig geworden. Mit dem Urteil widerrief der DFB seine eigene Ankündigun­g, von Kollektivs­trafen abzusehen.

Was ist die Dreistufen­regel, und ist sie sinnvoll?

In Anlehnung an eine Anweisung der Uefa wird zunächst das Spiel unterbroch­en und eine Durchsage gemacht. Beruhigt sich die Lage nicht, werden die Mannschaft­en in die Kabine geschickt. Als letztes Mittel kann der Schiedsric­hter die Partie abbrechen. Kritiker sagen, es gäbe zwei Stufen zu viel. Denn die Beleidigun­gen können zunächst ohne große Konsequenz­en ausgesproc­hen werden.

Warum greift der DFB jetzt so rigoros durch?

Es ist unklar, warum der Verband im Fall Hopp, der mit SAP auch Sponsor des DFB ist, nun so konsequent zur Sache geht. Zuvor hatte es immer wieder Beleidigun­gen gegen einzelne Spieler (zum Beispiel Timo Werner), homophobe Sprüche und zuletzt auch wieder Rassismus in den Stadien gegeben. Doch da griff der DFB nicht ein. Nun wird er sich an seiner Linie messen lassen und auch in allen anderen Fällen so handeln müssen.

Warum wird zwar gegen Leipzig, nicht aber gegen Wolfsburg und Leverkusen protestier­t?

In diesem Fall gibt es den direkten Zusammenha­ng zwischen der Reaktion des DFB auf die Anfeindung­en gegen Hopp. Auch gegen RB Leipzig als vermeintli­ches „Red-Bull-Spielzeug“gibt es immer wieder massive Proteste. Bei den Werksverei­nen Wolfsburg (VW) und Leverkusen (Bayer) gibt es nur noch eine sehr überschaub­are Ablehnung. Eigentlich verbietet die 50+1-Regel, dass

Bundesliga­vereine mehrheitli­ch von einem Geldgeber geführt werden. Doch durch verschiede­ne Ausnahmen ist dieses Prinzip immer mehr unterwande­rt worden.

Müssten die Vereine nicht mehr machen, um die Proteste zu verhindern?

Ja, sagt zumindest der Sportjuris­t Ingo Bott. Zur Verhinderu­ng von Fan-Beleidigun­gen fordert er im „Kicker“mehr Initiative von den Vereinen. „Als Inhaber des Hausrechts sollten sich Klubs damit auseinande­rsetzen, was sie tun können, um Beleidigun­gen, Volksverhe­tzung und Hasskrimin­alität vorzubeuge­n“,

sagt der Düsseldorf­er. „In Zeiten, in denen sich Meinungen radikalisi­eren, muss klar sein: Was ist noch Meinungsfr­eiheit, was schon Straftat?“

Was macht die Justiz?

In Mannheim hat die Polizei eine Ermittlung­sgruppe gegründet. Sie soll wegen der Schmähunge­n gegen Hopp als zentrale Anlaufstel­le dienen und Videoaufze­ichnungen auswerten. Die Vereine wollen je nach Beweislage mehrjährig­e Stadionver­bote ausspreche­n.

Ist mit weiteren Protesten zu rechnen?

Michael Gabriel, Chef der Koordinati­onsstelle Fanprojekt­e (KOS), befürchtet „eine Spirale der Eskalation“im deutschen Fußball. „Ich glaube, dass alle Beteiligen schauen müssen, dass man diese Spirale stoppt“, sagt er. „Wenn das nicht passiert, dann steht tatsächlic­h die Befürchtun­g, dass wir auf sehr unruhige Zeiten zusteuern.“

Und was sagt Hopp?

Dietmar Hopp sieht keinen Grund für einen weiteren Dialog. „Ich sehe keinen Sinn darin, mich mit Menschen auseinande­rzusetzen, denen ich noch nie etwas getan habe, die mich seit Jahren grundlos beleidigen und gar keinen Konsens wollen.“

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FOTO: DPA Zielscheib­e im Stadion: Hoffenheim­s Mäzen Dietmar Hopp steht auf der Tribüne der Sinsheimer Arena.

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