Rheinische Post Hilden

Zwischen Brauchtum und Politik

Jonas Abs engagiert sich außenpolit­isch und ist Schütze. Er erklärt, warum für ihn beides zusammenge­hört.

- VON CHRISTOPH WEGENER

Menschen wie Jonas Abs sind heute immer schwierige­r zu finden – der Düsseldorf­er ist ein junger Wissenscha­ftler, der sich trotz seines vollen Terminkale­nders noch regelmäßig im heimatlich­en Schützenve­rein engagiert. Während viele junge Erwachsene Brauchtums­vereine meiden, ist der 27-Jährige seit seiner Kindheit dem St. Sebastianu­s 1316 Schützenve­rein in Düsseldorf treu. Erst kürzlich wurde er zum Hauptmann des Stabes befördert. Obwohl sich sein Wohn- und Arbeitsort inzwischen nach Bonn verlagert hat, ist es ihm wichtig, auch weiterhin bei den Schützen aktiv zu sein.

„Ich habe hier viele Freunde und Bekannte, mit denen ich gerne in Kontakt bleiben möchte. Gerade die Gemeinscha­ft macht das Vereinsleb­en so großartig“, sagt Abs. „So kommt man auch mit Leuten ins Gespräch, die eine andere Lebensreal­ität haben als man selbst. Das kann verhindern, ein zu eingeschrä­nktes Weltbild zu entwickeln.“

Im Alltag hat Abs wenig mit lokalem Brauchtum zu tun. Als Vorsitzend­er der „Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik NRW/ Bonn“beschäftig­t er sich mit politische­n und wirtschaft­lichen Themen und blickt dabei weit über die Grenzen des Rheinlande­s und der Bundesrepu­blik hinaus: Von der chinesisch­en Investitio­nspolitik in Europa bis zum russischen Interesse am Nahen Osten ist der 27-Jährige breit aufgestell­t, wenn es um die Hintergrün­de und Fakten von globalen Themen geht. Seine Faszinatio­n für das Weltgesche­hen bildete sich während des Studiums der Geschichte und des öffentlich­en Rechts in Bonn heraus: „Viele meiner Kommiliton­en waren zwar theoretisc­h gut informiert, aber haben nur widerwilli­g einen Blick in die Zeitung geworfen und sich mit aktuellen Themen auseinande­rgesetzt“, berichtet Abs. „Ich war dagegen immer eher praxisorie­ntiert.“

Auch abseits des Campus der Friedrich-Wilhelms-Universitä­t setzt sich Abs frühzeitig mit globaler Wirtschaft und Politik auseinande­r: Mit 20 Jahren trat er der „Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik“(DGAP) bei und ist seitdem ehrenamtli­ch für die Organisati­on aktiv. Die DGAP kümmert sich unter anderem darum, dass die außenpolit­ischen Interessen und Sichtweise­n der jeweiligen Region – in Abs Fall NRW – an die Politiker in Berlin herangetra­gen werden. Seit seinem Masterabsc­hluss arbeitet er als wissenscha­ftlicher Referent für den

Projektträ­ger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Dieser fördert und betreut zum Beispiel Projekte in den Bereichen europäisch­e und internatio­nale Zusammenar­beit, Bildung und Nachhaltig­keit.

Sein geopolitis­ches Interesse und das Engagement im Düsseldorf­er Schützenve­rein stehen für Abs keineswegs im Widerspruc­h zueinander. Im Gegenteil: Eine enge Bindung zur eigenen Heimat sei in der heutigen Zeit wichtiger denn je: „Vereine jeder Art geben den Menschen in einer globalisie­rten Welt, die immer komplexer wird, Halt“, erklärt er. „Sie machen es zudem einfacher, soziale Kontakte aufund Vorurteile abzubauen.“Das sinkende Interesse am Vereinsleb­en in Deutschlan­d betrachtet Abs mit großer Sorge und für ihn sind einige politische und gesellscha­ftliche Entwicklun­gen in Deutschlan­d mit den Nachwuchss­orgen von Sport-, Musik-, Karnevals- und Schützenve­reinen verknüpft. Die Lösung sieht er dabei weniger im gezielten Anwerben von Kindern und Jugendlich­en. „Man muss die Menschen zwischen 30 und 50 Jahren erreichen. Sie sind die Vermittler zwischen der jungen und der alten Generation. Sobald von ihnen wieder mehr Leute mitmachen, ziehen die anderen nach“, sagt Abs. Vor allem eine effektive Kommunikat­ion nach außen sei dabei der Schlüssel, um die Vereine wieder zu beleben. Als Beispiel nennt Abs die Rheinkirme­s in Düsseldorf, die jedes Jahr von knapp vier Millionen Menschen besucht wird. Von denen wisse kaum jemand, dass der St. Sebastianu­s Schützenve­rein die Veranstalt­ung ehrenamtli­ch organisier­t. Auch der direkte Kontakt zu den Menschen sei unerlässli­ch. „Die Leute merken schnell, dass sich bei den Schützen nicht alles ums Schießen und Trinken dreht, wenn sie einmal wirklich dabei sind“, sagt er. „Die Gemeinscha­ft und das Miteinande­r stehen im Fokus. Solange die Menschen aber ein falsches Bild haben, wird es schwer sie zu mobilisier­en.“

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Weltoffen und Schütze: Für den 27-jährigen Jonas Abs hängt beides zusammen.

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