Zwischen Brauchtum und Politik
Jonas Abs engagiert sich außenpolitisch und ist Schütze. Er erklärt, warum für ihn beides zusammengehört.
Menschen wie Jonas Abs sind heute immer schwieriger zu finden – der Düsseldorfer ist ein junger Wissenschaftler, der sich trotz seines vollen Terminkalenders noch regelmäßig im heimatlichen Schützenverein engagiert. Während viele junge Erwachsene Brauchtumsvereine meiden, ist der 27-Jährige seit seiner Kindheit dem St. Sebastianus 1316 Schützenverein in Düsseldorf treu. Erst kürzlich wurde er zum Hauptmann des Stabes befördert. Obwohl sich sein Wohn- und Arbeitsort inzwischen nach Bonn verlagert hat, ist es ihm wichtig, auch weiterhin bei den Schützen aktiv zu sein.
„Ich habe hier viele Freunde und Bekannte, mit denen ich gerne in Kontakt bleiben möchte. Gerade die Gemeinschaft macht das Vereinsleben so großartig“, sagt Abs. „So kommt man auch mit Leuten ins Gespräch, die eine andere Lebensrealität haben als man selbst. Das kann verhindern, ein zu eingeschränktes Weltbild zu entwickeln.“
Im Alltag hat Abs wenig mit lokalem Brauchtum zu tun. Als Vorsitzender der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik NRW/ Bonn“beschäftigt er sich mit politischen und wirtschaftlichen Themen und blickt dabei weit über die Grenzen des Rheinlandes und der Bundesrepublik hinaus: Von der chinesischen Investitionspolitik in Europa bis zum russischen Interesse am Nahen Osten ist der 27-Jährige breit aufgestellt, wenn es um die Hintergründe und Fakten von globalen Themen geht. Seine Faszination für das Weltgeschehen bildete sich während des Studiums der Geschichte und des öffentlichen Rechts in Bonn heraus: „Viele meiner Kommilitonen waren zwar theoretisch gut informiert, aber haben nur widerwillig einen Blick in die Zeitung geworfen und sich mit aktuellen Themen auseinandergesetzt“, berichtet Abs. „Ich war dagegen immer eher praxisorientiert.“
Auch abseits des Campus der Friedrich-Wilhelms-Universität setzt sich Abs frühzeitig mit globaler Wirtschaft und Politik auseinander: Mit 20 Jahren trat er der „Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik“(DGAP) bei und ist seitdem ehrenamtlich für die Organisation aktiv. Die DGAP kümmert sich unter anderem darum, dass die außenpolitischen Interessen und Sichtweisen der jeweiligen Region – in Abs Fall NRW – an die Politiker in Berlin herangetragen werden. Seit seinem Masterabschluss arbeitet er als wissenschaftlicher Referent für den
Projektträger vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Dieser fördert und betreut zum Beispiel Projekte in den Bereichen europäische und internationale Zusammenarbeit, Bildung und Nachhaltigkeit.
Sein geopolitisches Interesse und das Engagement im Düsseldorfer Schützenverein stehen für Abs keineswegs im Widerspruch zueinander. Im Gegenteil: Eine enge Bindung zur eigenen Heimat sei in der heutigen Zeit wichtiger denn je: „Vereine jeder Art geben den Menschen in einer globalisierten Welt, die immer komplexer wird, Halt“, erklärt er. „Sie machen es zudem einfacher, soziale Kontakte aufund Vorurteile abzubauen.“Das sinkende Interesse am Vereinsleben in Deutschland betrachtet Abs mit großer Sorge und für ihn sind einige politische und gesellschaftliche Entwicklungen in Deutschland mit den Nachwuchssorgen von Sport-, Musik-, Karnevals- und Schützenvereinen verknüpft. Die Lösung sieht er dabei weniger im gezielten Anwerben von Kindern und Jugendlichen. „Man muss die Menschen zwischen 30 und 50 Jahren erreichen. Sie sind die Vermittler zwischen der jungen und der alten Generation. Sobald von ihnen wieder mehr Leute mitmachen, ziehen die anderen nach“, sagt Abs. Vor allem eine effektive Kommunikation nach außen sei dabei der Schlüssel, um die Vereine wieder zu beleben. Als Beispiel nennt Abs die Rheinkirmes in Düsseldorf, die jedes Jahr von knapp vier Millionen Menschen besucht wird. Von denen wisse kaum jemand, dass der St. Sebastianus Schützenverein die Veranstaltung ehrenamtlich organisiert. Auch der direkte Kontakt zu den Menschen sei unerlässlich. „Die Leute merken schnell, dass sich bei den Schützen nicht alles ums Schießen und Trinken dreht, wenn sie einmal wirklich dabei sind“, sagt er. „Die Gemeinschaft und das Miteinander stehen im Fokus. Solange die Menschen aber ein falsches Bild haben, wird es schwer sie zu mobilisieren.“