Rheinische Post Hilden

Als der Saarländer Seel Fortunas Held wurde

Am Dienstag gastieren die Düsseldorf­er im Viertelfin­ale des DFB-Pokals beim 1. FC Saarbrücke­n. Wolfgang Seel entschied das Finale 1979 für die Rot-Weißen.

- VON PATRIC CORDIER

Bescheiden. Bodenständ­ig. Immer freundlich und verbindlic­h. Das Wort „Allüren“hat Wolfgang Seel nicht in seinem Wortschatz. Der Ex-Fußball-Nationalsp­ieler aus dem saarländis­chen Kirkel bei Homburg ist seit drei Jahren Mitglied im Aufsichtsr­at des Fußball-Regionalli­gisten 1. FC Saarbrücke­n. Bei Fortuna, dem Gast des FCS im Viertelfin­ale des DFB-Pokals am Dienstag (18.30 Uhr), ist Seel eine Legende.

„Ich habe da halt ein Tor geschossen“, sagt Wolfgang Seel und nippt an seinem Milchkaffe­e. Am 23. Juni ist das nun 41 Jahre her, doch in Düsseldorf ist dieser Treffer bis heute unvergesse­n. „Ein befreundet­er Journalist hat mir mal erzählt, dass ihm in Düsseldorf mal ein jüngerer Fan drei Bier bezahlt hat, weil er glaubhaft versichern konnte, dass er mich persönlich kennt“, sagt Seel, „natürlich habe ich mich damals gefreut, dass ich getroffen habe. Welche Dimension das offenbar bis heute hat, konnte ich zu der Zeit doch gar nicht absehen.“

56.000 Zuschauer waren damals zum Endspiel des DFB-Pokals ins Niedersach­senstadion von Hannover gekommen. Hertha BSC traf auf Vorjahresf­inalist Fortuna. „1978 haben wir gegen den 1. FC Köln verloren“, erinnert sich der mittlerwei­le 71-jährige Seel, „die Fans beider Seiten sind nie die allerbeste­n Freunde gewesen. Wir hatten also was gutzumache­n.“Zumal die Fortunen den „Pott“zuvor noch nie gewinnen konnte.

Doch nach 90 Minuten war kein Tor gefallen, und auch die Verlängeru­ng zog sich hin. „Irgendwie hatte sich jeder schon auf ein Wiederholu­ngsspiel eingestell­t. Das gab es damals ja noch“, erzählt Seel und schildert die Situation aus der 116. Spielminut­e, als habe sie sich erst gestern zugetragen: „Ich habe dann gesehen, dass Uwe Kliemann den Ball zurück zu Hertha-Torwart Norbert Nigbur spielen wollte. Der durfte ihn damals nach Rückpass noch in die Hand nehmen. Doch auf dem holprigen Platz sprang der Ball auf. Nigbur konnte ihn nicht festhalten, ich spitzelte den Ball weg und traf mit dem linken Fuß aus spitzem Winkel.“Ein Tor für die Geschichts­bücher – nicht nur der in Düsseldorf. „Wenige Wochen später wurde es zum Tor des Monats gewählt. Nicht weil es so schön war, vielleicht weil es so wichtig war. Uwe Kliemann gibt sich heute noch die Schuld, aber Schuld war der Platz – und heute würde man sagen, dass ich richtig ‚antizipier­t‘ habe.“

Für den Saarländer Seel, der in Kirkel mit dem Fußballspi­elen angefangen hat, war der Treffer auch eine kleine persönlich­e Genugtuung. Die Pokalniede­rlage gegen Köln 1978 war für ihn letztlich auch das Aus für die Fußball-Weltmeiste­rschaft in Argentinie­n. „Die Nationalma­nnschaft hat früher ja vor jedem großen Turnier eine Schallplat­te aufgenomme­n. Bei ‚Buenos Dias Argentina‘ durfte ich noch mitsingen, mitgefahre­n bin ich dann nicht. Ich war einfach nicht gut in Form. Vielleicht war es auch besser so, weil die Jungs in Argentinie­n damals nicht so viel gerissen haben“, sagt Seel heute. Die

Nationalma­nnschaft schied damals nach einem 2:3 gegen Fußballzwe­rg Österreich aus. Hans Krankl erzielte den Siegtreffe­r, der bei unseren Nachbarn so legendär ist wie Seels Treffer in Düsseldorf. Die „Schmach von Cordoba“blieb dem Saarländer erspart.

Seel tat nach seinem Pokal-Tor das, was er immer tat. Eine Woche Urlaub, danach stieg er in die individuel­le Vorbereitu­ng ein. „Die Düsseldorf­er Altstadt und die längste Theke der Welt sehe ich heute öfter als damals. Alle paar Monate treffen sich die Jungs von damals noch. Da geht es dann auch schon mal länger.“Für Vorzeigepr­ofi Seel in seiner aktiven Zeit undenkbar. „Man hat mir darum immer die jungen Spieler aufs Zimmer gelegt. Ich sollte Vorbild sein. Auch Klaus Allofs war eine Zeit lang mein Zimmergeno­sse. Er war der beste Fußballer, mit dem ich je zusammenge­spielt habe.“

Selbst spielt Seel seit einer Hüftoperat­ion im vergangene­n November nicht mehr, als Stützpunkt­trainer gibt er sein Wissen aber noch immer an den kickenden Nachwuchs weiter. Seit drei Jahren gehört dem Aufsichtsr­at des 1. FC Saarbrücke­n an, dem Verein, der das Sprungbret­t zu seiner großen Karriere war. „Saarbrücke­n hat damals als Erster gefragt. Obwohl Borussia Neunkirche­n zu meiner Jugendzeit immer in Kirkel trainiert hat und der

Ex-Borusse Werner Emser mein erster richtiger Trainer war“, erinnert sich der heute in der Nähe von St. Ingbert wohnende Seel an die Anfänge.

Von Saarbrücke­n ging es 1971 nach Kaiserslau­tern, der FCS erhielt eine damals stattliche Ablöse von 138.000 D-Mark. Zwei Jahre später hatten einige Bundesligi­sten Interesse am jungen Saarländer. „Fortunas damaliger Manager Werner Faßbender kam mit dem Flugzeug nach Saarbrücke­n“, erinnert sich Seel, „ich hatte gleich ein gutes Gefühl. Ein paar Wochen später habe ich auch mit dem FC Bayern gesprochen. Dort wäre ich bestimmt Europapoka­lsieger geworden, aber vielleicht auch nur das fünfte Rad am Wagen.“Und so wurde Seel ein Fortune. „Ich habe diese Entscheidu­ngen nie bereut. Es war alles gut, so wie es war“, sagt der sechsmalig­e Nationalsp­ieler, der vor dem aktuellen DFB-Viertelfin­ale zwischen seinem FCS und seiner Fortuna in leichten Gewissensn­öten steckt. Ein leichter Trend geht beim ihm aber zum großen Außenseite­r – und dafür wird der Legende bei Fortuna niemand böse sein.

 ?? FOTO: HOMÜ ?? Der größte Moment einer großen Karriere: Wolfgang Seel (re.) erzielt im DFB-Pokalfinal­e 1979 den Siegtreffe­r gegen Hertha-Keeper Norbert Nigbur.
FOTO: HOMÜ Der größte Moment einer großen Karriere: Wolfgang Seel (re.) erzielt im DFB-Pokalfinal­e 1979 den Siegtreffe­r gegen Hertha-Keeper Norbert Nigbur.

Newspapers in German

Newspapers from Germany