Als der Saarländer Seel Fortunas Held wurde
Am Dienstag gastieren die Düsseldorfer im Viertelfinale des DFB-Pokals beim 1. FC Saarbrücken. Wolfgang Seel entschied das Finale 1979 für die Rot-Weißen.
Bescheiden. Bodenständig. Immer freundlich und verbindlich. Das Wort „Allüren“hat Wolfgang Seel nicht in seinem Wortschatz. Der Ex-Fußball-Nationalspieler aus dem saarländischen Kirkel bei Homburg ist seit drei Jahren Mitglied im Aufsichtsrat des Fußball-Regionalligisten 1. FC Saarbrücken. Bei Fortuna, dem Gast des FCS im Viertelfinale des DFB-Pokals am Dienstag (18.30 Uhr), ist Seel eine Legende.
„Ich habe da halt ein Tor geschossen“, sagt Wolfgang Seel und nippt an seinem Milchkaffee. Am 23. Juni ist das nun 41 Jahre her, doch in Düsseldorf ist dieser Treffer bis heute unvergessen. „Ein befreundeter Journalist hat mir mal erzählt, dass ihm in Düsseldorf mal ein jüngerer Fan drei Bier bezahlt hat, weil er glaubhaft versichern konnte, dass er mich persönlich kennt“, sagt Seel, „natürlich habe ich mich damals gefreut, dass ich getroffen habe. Welche Dimension das offenbar bis heute hat, konnte ich zu der Zeit doch gar nicht absehen.“
56.000 Zuschauer waren damals zum Endspiel des DFB-Pokals ins Niedersachsenstadion von Hannover gekommen. Hertha BSC traf auf Vorjahresfinalist Fortuna. „1978 haben wir gegen den 1. FC Köln verloren“, erinnert sich der mittlerweile 71-jährige Seel, „die Fans beider Seiten sind nie die allerbesten Freunde gewesen. Wir hatten also was gutzumachen.“Zumal die Fortunen den „Pott“zuvor noch nie gewinnen konnte.
Doch nach 90 Minuten war kein Tor gefallen, und auch die Verlängerung zog sich hin. „Irgendwie hatte sich jeder schon auf ein Wiederholungsspiel eingestellt. Das gab es damals ja noch“, erzählt Seel und schildert die Situation aus der 116. Spielminute, als habe sie sich erst gestern zugetragen: „Ich habe dann gesehen, dass Uwe Kliemann den Ball zurück zu Hertha-Torwart Norbert Nigbur spielen wollte. Der durfte ihn damals nach Rückpass noch in die Hand nehmen. Doch auf dem holprigen Platz sprang der Ball auf. Nigbur konnte ihn nicht festhalten, ich spitzelte den Ball weg und traf mit dem linken Fuß aus spitzem Winkel.“Ein Tor für die Geschichtsbücher – nicht nur der in Düsseldorf. „Wenige Wochen später wurde es zum Tor des Monats gewählt. Nicht weil es so schön war, vielleicht weil es so wichtig war. Uwe Kliemann gibt sich heute noch die Schuld, aber Schuld war der Platz – und heute würde man sagen, dass ich richtig ‚antizipiert‘ habe.“
Für den Saarländer Seel, der in Kirkel mit dem Fußballspielen angefangen hat, war der Treffer auch eine kleine persönliche Genugtuung. Die Pokalniederlage gegen Köln 1978 war für ihn letztlich auch das Aus für die Fußball-Weltmeisterschaft in Argentinien. „Die Nationalmannschaft hat früher ja vor jedem großen Turnier eine Schallplatte aufgenommen. Bei ‚Buenos Dias Argentina‘ durfte ich noch mitsingen, mitgefahren bin ich dann nicht. Ich war einfach nicht gut in Form. Vielleicht war es auch besser so, weil die Jungs in Argentinien damals nicht so viel gerissen haben“, sagt Seel heute. Die
Nationalmannschaft schied damals nach einem 2:3 gegen Fußballzwerg Österreich aus. Hans Krankl erzielte den Siegtreffer, der bei unseren Nachbarn so legendär ist wie Seels Treffer in Düsseldorf. Die „Schmach von Cordoba“blieb dem Saarländer erspart.
Seel tat nach seinem Pokal-Tor das, was er immer tat. Eine Woche Urlaub, danach stieg er in die individuelle Vorbereitung ein. „Die Düsseldorfer Altstadt und die längste Theke der Welt sehe ich heute öfter als damals. Alle paar Monate treffen sich die Jungs von damals noch. Da geht es dann auch schon mal länger.“Für Vorzeigeprofi Seel in seiner aktiven Zeit undenkbar. „Man hat mir darum immer die jungen Spieler aufs Zimmer gelegt. Ich sollte Vorbild sein. Auch Klaus Allofs war eine Zeit lang mein Zimmergenosse. Er war der beste Fußballer, mit dem ich je zusammengespielt habe.“
Selbst spielt Seel seit einer Hüftoperation im vergangenen November nicht mehr, als Stützpunkttrainer gibt er sein Wissen aber noch immer an den kickenden Nachwuchs weiter. Seit drei Jahren gehört dem Aufsichtsrat des 1. FC Saarbrücken an, dem Verein, der das Sprungbrett zu seiner großen Karriere war. „Saarbrücken hat damals als Erster gefragt. Obwohl Borussia Neunkirchen zu meiner Jugendzeit immer in Kirkel trainiert hat und der
Ex-Borusse Werner Emser mein erster richtiger Trainer war“, erinnert sich der heute in der Nähe von St. Ingbert wohnende Seel an die Anfänge.
Von Saarbrücken ging es 1971 nach Kaiserslautern, der FCS erhielt eine damals stattliche Ablöse von 138.000 D-Mark. Zwei Jahre später hatten einige Bundesligisten Interesse am jungen Saarländer. „Fortunas damaliger Manager Werner Faßbender kam mit dem Flugzeug nach Saarbrücken“, erinnert sich Seel, „ich hatte gleich ein gutes Gefühl. Ein paar Wochen später habe ich auch mit dem FC Bayern gesprochen. Dort wäre ich bestimmt Europapokalsieger geworden, aber vielleicht auch nur das fünfte Rad am Wagen.“Und so wurde Seel ein Fortune. „Ich habe diese Entscheidungen nie bereut. Es war alles gut, so wie es war“, sagt der sechsmalige Nationalspieler, der vor dem aktuellen DFB-Viertelfinale zwischen seinem FCS und seiner Fortuna in leichten Gewissensnöten steckt. Ein leichter Trend geht beim ihm aber zum großen Außenseiter – und dafür wird der Legende bei Fortuna niemand böse sein.