Arztpraxen fehlt Infektionsschutz
Mundschutzmasken und Desinfektionsmittel sind wegen der Angst vor dem Coronavirus fast vergriffen. Ärzte fürchten Folgen bis hin zu vorübergehenden Praxisschließungen.
DÜSSELDORF Deutschlands Kassenärzte warnen im Zuge der Coronavirus-Epidemie vor einem Engpass bei der Versorgung mit Schutzausrüstung. „Der Grundbestand, über den die niedergelassenen Kollegen in ihren Praxen verfügen, wird bundesweit nicht ausreichen, wenn die Zahl der Verdachtsfälle steigt“, sagt Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.
Die durch das Virus ausgelöste Atemwegserkrankung Covid-19 verläuft zwar meist mild, die Verunsicherung scheint in Teilen der Bevölkerung jedoch groß. Desinfektionsmittel und Mundschutzmasken sind vielerorts vergriffen. Das erschwert die Arbeit in den Praxen, die kaum noch Nachschub bekommen. „Wenn die Lieferengpässe so weitergehen, sehe ich die Grundversorgung meiner Praxis gefährdet“, sagt Christoph Wehrbein, Hals-Nasen-Ohren-Arzt aus Korschenbroich: „Ich habe beispielsweise noch drei Liter Desinfektionsmittel für mich und meine sechs Mitarbeiter.
Danach ist erst einmal Schluss.“Der Mediziner mahnt: „Ich muss Hygieneregeln befolgen. Wenn ich das nicht kann, muss ich die Praxis vorläufig schließen.“
Gerhard Steiner, Hausarzt und Vorsitzender der Kreisstelle Neuss der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, betont: „Wir haben für die Notfallpraxen im Rhein-Kreis Neuss Mundschutzmasken und Desinfektionsmittel eingelagert. Die sind also erst einmal versorgt.“
Engpässe gebe es aber vor allem bei den speziellen Mundschutzmasken, die gegen das Virus schützen. Steiner ermahnt Patienten, nicht einfach in die Praxen zu laufen. „Wer überhaupt keine Symptome hat, den schicke ich direkt wieder nach Hause, ansonsten könnte ich die Regelversorgung gar nicht aufrechterhalten.“Grundsätzlich gelte, dass sich die Patienten telefonisch vorher anmelden sollten.
Das NRW-Gesundheitsministerium teilt auf Nachfrage zu den Versorgungsengpässen lediglich mit: „Das Ministerium prüft derzeit alle Optionen, wie vorhandenes Material besser verteilt oder beschafft werden kann.“
Der Technologiekonzern 3M mit einem Hauptsitz in Neuss hat die Produktion von Schutzausrüstung bereits hochgefahren. 3M stellt unter anderem monatlich Millionen Mundschutzmasken her. „Wir arbeiten weltweit mit Kunden, Händlern, Regierungen und medizinischen Stellen daran, 3M-Lieferungen dorthin zu bringen, wo sie am dringendsten benötigt werden, dabei priorisieren wir vom Coronavirus betroffene Gebiete“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens. Die weltweite Nachfrage nach Schutzausrüstung übersteige trotz massiv erhöhter Produktion aber derzeit das Angebot. „Wir gehen davon aus, dass dies auch noch in absehbarer Zeit der Fall sein wird.“
Die Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Charité Berlin, Petra Gastmeier, nennt es „eine Frage der Solidarität“, dass Privatleute auf Desinfektionsmittel oder Schutzausstattung zugunsten des medizinischen Personals verzichten.
In fast allen Bundesländern gibt es inzwischen nachgewiesene Infektionen mit dem neuen Coronavirus. Gut die Hälfte der vom Robert-Koch-Institut bisher bestätigten 196 Fälle wurde in NRW gemeldet. Auch in Düsseldorf und Neuss gibt es erste Infektionen. Vereinzelt werden Großveranstaltungen aufgrund der Virusausbreitung abgesagt – etwa die Leipziger Buchmesse. Sie sollte vom 12. bis 15. März stattfinden.
Stimme des Westens, Report