Antidiskriminierung – aber wie?
Ein Rechtsgutachten blickt auf die Erfahrungen von Bürgern mit Migrationshintergrund.
DÜSSELDORF „Keine Haustiere, keine Ausländer“– offen rassistische Wohnungsanzeigen wie diese sind keine Seltenheit, der Wohnungsmarkt ist einer der am stärksten von Diskriminierung betroffenen Lebensbereiche. In ihrem neuen Rechtsgutachten kommt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu dem Ergebnis, dass mehr als jeder dritte Bürger mit Migrationshintergrund Erfahrungen mit rassistischer Diskriminierung während der Wohnungssuche gemacht hat. Dieses Gutachten sieht die SPD-Fraktion im NRW-Landtag als Bestätigung ihrer Initiative, eine Landeskoordinierungsstelle gegen Diskriminierung einzurichten.
Ibrahim Yetim, integrationspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, nimmt dieses Thema persönlich. „Weil es für viele Menschen eben persönlich ist. Ich weiß noch, wie ich bei der Wohnungssuche erst zum Besichtigungstermin eingeladen wurde, und als ich meinen Namen wiederholen sollte, hieß es plötzlich: ‚Oh, die Wohnung ist doch schon vergeben.‘“
Aktuell, so Yetim, passiere in Sachen Antidiskriminierungspolitik zu wenig: „Es werden sogar Schritte, die wir während der SPD-geführten Landesregierung unternommen hatten, rückgängig gemacht. Eine der ersten Amtshandlungen der Staatssekretärin für Integration, Serap Güler, war es, das anonymisierte Bewerbungsverfahren wieder abzuschaffen.“Für die 13 Antidiskriminierungsstellen in Nordrhein-Westfalen brauche es eine übergeordnete Instanz, die diese Arbeit koordiniere und erfasse, sagt Yetim. „Wir haben im Moment keine aussagekräftigen Zahlen darüber, wer sich wegen welcher Fälle von Diskriminierung an Beratungsstellen wendet.“
Der Träger der Antidiskriminierungsstellen, die Freie Wohlfahrtspflege, ist als einer der Sachverständigen zur Expertenanhörung eingeladen. „Wir teilen in weiten Teilen die Analyse der SPD, dass Rassismus und Diskriminierung zunehmen – diese Beobachtungen machen wir auch“, sagt Sprecher Markus Lahrmann. „Wir unterstützen aber nicht die Idee einer Koordinierungsstelle, weil wir glauben, dass das zu Doppelstrukturen führen würde.“Stattdessen sollte man über einen Landesbeauftragen für Antidiskriminierung nachdenken, der politisch auf die Arbeit der Landesregierung einwirken könnte.
Auch die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände in NRW teilt die Auffassung der SPD, dass die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung eine wichtige Aufgabe sei – doch auch sie sieht in einer Koordinierungsstelle keine adäquate Lösung. Diese
würde nicht zu mehr Servicestellen oder einer Entlastung der dort Beschäftigten führen, sondern als neue Institution Mittel binden, die andernfalls für die Servicestellen hätten genutzt werden können.
Für die Koordinierungsstelle sprechen sich unter anderem der Landesintegrationsrat Nordrhein-Westfalens und der Antidisikriminierungsverband Deutschland aus. Aufgabe müsse sein, Lücken im Beratungsangebot zu schließen, Beratungsstellen zu entlasten und Betroffene von Diskriminierung über ihre Rechte und Angebote der Beratungsstellen zu informieren.
Dass rassistisches Gedankengut wieder gesellschaftsfähiger werde, spürte Ibrahim Yetim auch am eigenen Leib, sagt er – besonders, seit er seine Kandidatur für das Bürgermeisteramt in Moers verkündet habe. Sein SPD-Stadtverband bekomme Briefe, in denen gefragt werde, wie man ihn denn ins Rennen schicken könne, er sei doch „kulturfremd“.
Yetim erinnert – fast schon routiniert – daran, dass er, dessen Eltern in den 60er Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen waren, 1965 in Dinslaken geboren ist. Aufgewachsen ist er in Duisburg-Walsum, seit 15 Jahren lebt er mit seiner Frau Petra und einer Tochter in Moers-Kapellen. „Was heißt hier kulturfremd?“