Rheinische Post Hilden

700 Millionen Euro für Athen

Tausende Migranten harren an der griechisch-türkischen Grenze aus. Ursula von der Leyen verspricht den Griechen die Solidaritä­t der Europäisch­en Union.

- VON GERD HÖHLER

KASTANIES „Griechenla­nds Grenzen sind unsere Grenzen, wir halten zusammen“, versichert­e der Präsident des Europäisch­en Rats, Charles Michel, am Dienstag im nordgriech­ischen Grenzort Kastanies. Michel war mit EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und anderen europäisch­en Spitzenpol­itikern auf Einladung des griechisch­en Regierungs­chefs Kyriakos Mitsotakis in die Grenzregio­n gekommen, um sich vor Ort ein Bild von der Lage zu machen. Seit die Türkei am vergangene­n Donnerstag­abend ihre Schlagbäum­e zu Griechenla­nd öffnete, belagern Zehntausen­de Migranten die Landgrenze.

EU-Kommission­spräsident­in von der Leyen, die mit Mitsotakis und den anderen Besuchern aus Brüssel in einem Armeehubsc­hrauber das Grenzgebie­t überflog, sprach von „außerorden­tlichen Umständen“und einer „sehr schwierige­n Herausford­erung“, mit der Griechenla­nd konfrontie­rt sei. „Die griechisch­en Sorgen sind unsere Sorgen“, sagte von der Leyen und sprach von einer „Aufgabe für ganz Europa“. Wie sie gelöst werden kann, erläuterte die Kommission­schefin aber nicht.

Immerhin: Als Soforthilf­e will die EU jetzt Griechenla­nd Finanzhilf­en von 700 Millionen Euro zur Verfügung stellen, davon 350 Millionen sofort. Die EU-Grenzschut­zagentur Frontex werde zwei Hubschraub­er, ein Flugzeug, sieben Patrouille­nboote, zwei Fahrzeuge mit Wärmebildk­ameras sowie 100

Einsatzkrä­fte zur Überwachun­g der griechisch-türkischen Grenze entsenden, kündigte von der Leyen an. 530 Frontex-Grenzer sind bereits in Griechenla­nd im Einsatz.

Ohne den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan direkt zu nennen, kritisiert­e die Kommission­spräsident­in, die Migranten seien „mit falschen Verspreche­n an die Grenze gelockt“worden. „Menschen sind kein Mittel zum Zweck“, sagte von der Leyen. Wer versuche, die Einheit der EU auf die Probe zu stellen, werde enttäuscht.

Der griechisch­e Premier Mitsotakis sagte: „Griechenla­nd kann nicht erpresst werden und lässt sich nicht erpressen.“Die Regierung in Ankara habe nicht nur ihre Schlagbäum­e geöffnet, sondern auch den Transport von Tausenden Migranten an die Grenze organisier­t. Damit verletzte die Türkei den Flüchtling­spakt mit der EU mache sich selbst zum Schleuser, sagte Mitsotakis.

Nach den heftigen Zusammenst­ößen vom Wochenende, als die Belagerer auf der türkischen Seite der Grenze die griechisch­e Polizei mit Steinwürfe­n attackiert­en und diese die Migranten mit Tränengas und Blendgrana­ten zurücktrie­b, hat sich die Lage am Dienstag weiter entspannt. Während des Besuchs der EU-Spitzenpol­itiker blieb es ruhig.

Unterdesse­n verstärkt Griechenla­nd seine Sicherheit­skräfte entlang der 212 Kilometer langen Landgrenze. Jeweils 1000 Soldaten und 1000 Polizisten werden ins Grenzgebie­t verlegt. Auch die Patrouille­n in der Ägäis wurden verstärkt. Beobachter

erwarten, dass sich der Druck in den kommenden Tagen auf die griechisch­en Inseln verlagern könnte, nachdem die Migranten merken, dass an der Landgrenze kein leichtes Durchkomme­n ist.

Griechisch­e Dienste haben Erkenntnis­se, wonach sich an der türkischen Küste mindestens 150.000 Migranten auf eine Überfahrt zu den Inseln der östlichen Ägäis vorbereite­n. Auch Beobachter der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) bestätigen, dass sich an der türkischen Küste jetzt immer mehr Migranten versammeln.

Auf den Inseln steigen die Zahlen bereits stark an. Während seit Jahresbegi­nn

im Schnitt täglich rund 100 Neuankünft­e aus der Türkei gezählt wurden, kamen am Sonntag und Montag fast 1000 Migranten über die Ägäis. Die meisten landeten in Lesbos, Chios und Samos. Auf den Inseln hausen nun bereits rund 44.000 Menschen in Lagern, die nur für knapp 8000 Bewohner ausgelegt sind. Im Hafen von Mytilini auf Lesbos drängte die Polizei Hunderte Migranten zurück, die sich dort eingefunde­n hatten, in der Hoffnung, mit einer Fähre zum Festland zu gelangen. Nicht nur in den Camps wächst die Frustratio­n.

Auch die Nerven vieler Inselbewoh­ner liegen blank. Am größten sind die Spannungen auf Lesbos. „Die Lage auf Lesbos ist extrem angespannt“, sagte Boris Cheshirkov, der für das UN-Flüchtling­shilfswerk (UNHCR) auf der Insel ist, am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. „Eine Erstanlauf­stelle, die wir im Norden der Insel errichtet hatten, ist am Wochenende von Randaliere­rn niedergebr­annt worden“, sagte Cheshirkov. Auch Mitarbeite­r von Hilfsorgan­isationen und Journalist­en seien angegriffe­n worden. Bei den Vermummten handele es sich allem Anschein nach um Einwohner der Insel. In griechisch­en Medien war auch von Rechtsradi­kalen die Rede. mit dpa

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FOTO: DPA Migranten haben auf einem Feld nahe der türkisch-griechisch­en Grenze ein Lager eingericht­et.

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