Sterneküche aus dem Supermarkt
Der Gastroführer Guide Michelin hat seine Sterne verliehen: Insgesamt gibt es nun 48 Sterne-Lokale in NRW. Vier Häuser haben ihre Auszeichnung verloren, fünf eine neue bekommen – darunter ein Supermarkt in Düsseldorf.
DÜSSELDORF Heinz Zurheide hat zwei Nächte nicht geschlafen vor lauter Aufregung. „Mein Küchenchef Anton Pahl und Souschef Egor Hopp auch nicht“, sagt der Inhaber des Düsseldorfer Gourmet-Restaurants „Setzkasten“. Als am Dienstagvormittag der Guide Michelin sein Ranking veröffentlichte, war klar: Der „Setzkasten“ist mit seinem ersten Stern nun offiziell in der ersten Liga angekommen. „Manche haben nicht daran geglaubt, dass man in einem Supermarkt einen Stern erkochen kann“, sagt Zurheide. „Aber mein Team und ich waren immer davon überzeugt.“Das Restaurant befindet sich im Untergeschoss eines Edeka-Marktes an der Berliner Allee. Auf der einen Seite wird eingekauft, auf der anderen Seite hinter einer Glasscheibe fein gespeist.
Der „Setzkasten“ist eines von 48 Sterne-Restaurants in Nordrhein-Westfalen. Unangefochten an der Spitze steht das „Vendôme“in Bergisch Gladbach unter der Leitung von Joachim Wissler. Es ist das einzige Drei-Sterne-Haus in NRW. Zwei Sterne halten die beiden Kölner Restaurants „Le Moissonnier“und „Ox & Klee“. Auch Fernsehkoch Frank Rosin behält seine beiden Sterne im „Rosin“in Dorsten.
Mehr Bewegung gibt es bei den Ein-Sterne-Lokalen: Münster hatte bisher keines, nun bekamen sowohl das „Coeur D’Artichaut“als auch das „Ferment“einen Stern. In Köln wurde das „Astrein“ausgezeichnet, damit hat die Stadt neun Ein-Sterne-Häuser, in Düsseldorf sind es zehn. In Essen bekam das „Hannappel“seinen ersten Stern. „Wir haben jedes Jahr darauf gewartet und jetzt schon nicht mehr damit gerechnet“, sagt Inhaber und Küchenchef Knut Hannappel. „Jetzt sind wir umso glücklicher.“In Hamburg waren schon Hotelzimmer für das Team gebucht. Doch die Michelin-Gala wurde wegen des Coronavirus abgesagt. Stattdessen gab es einen Livestream im Internet. „Wir haben mit dem ganzen Team davor gesessen“, sagt Hannappel.
Der 52-Jährige hat die ehemalige Arbeiter-Kneipe seiner Eltern in Essen in ein schickes Lokal verwandelt. „Wir machen das Ganze seit 27 Jahren“, sagt er. Mit seinem Co-Küchenchef Tobias Weyers und dem Team wird nun gefeiert.
Hannappel glaubt nicht, dass ihm die Veredelung seines Restaurants durch einen Stern nun mehr Druck machen wird. „Aber klar, jetzt haben wir etwas zu verlieren, was wir vorher nicht verlieren konnten“, sagt er.
Vier NRW-Restaurants haben ihre Sterne in diesem Jahr verloren: „Kaspars“in Bonn, „Nenio“in Düsseldorf,
„Am Kamin“in Mülheim an der Ruhr und „Heldmann“in Remscheid. Entweder wurde das Konzept geändert oder die Lokale wurden geschlossen.
Das „Neobiota“in Köln trifft den Trend des „Casual Fine Dining“, den der Michelin hochhält: In dem Restaurant gibt es keine weißen Tischdecken, keine steifen Kellner, die Gäste sitzen an der Bar oder auf gepolsterten Holzstühlen. Die Küchenchefs Sonja Baumann und Erik Scheffler, 35 und 34 Jahre alt, konnten den Stern halten, den sie 2019 bekommen haben. Am Dienstag war normaler Betrieb im „Neobiota“– am Wochenende werde aber noch mit dem ganzen Team gefeiert, so Baumann. „Wir kochen schon immer so, wie wir kochen“, sagt die Küchenchefin. „Sich zu verstellen und etwas anders machen wollen, nur um ausgezeichnet zu werden, führt zu nichts. Das ist nicht authentisch.“