So funktioniert die Privatinsolvenz
Jeder zehnte Deutsche ist überschuldet. Betroffene sollten rasch zur Schuldnerberatung gehen. Kann die nicht helfen, bleibt nur noch das Insolvenzverfahren.
DÜSSELDORF 6,92 Millionen Verbraucher sind in Deutschland überschuldet. Das sind etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Die Zahl ist im vergangenen Jahr leicht gesunken, aber nicht so stark wie angesichts von Beschäftigungsrekorden und der Einführung des Mindestlohns anzunehmen war. „Wir erleben zum Beispiel, dass in den Ballungszentren Menschen die Hälfte ihrer Einnahmen für eine Wohnung ausgeben“, sagt Christoph Zerhusen, Syndikusrechtsanwalt und Referent bei der Verbraucherzentrale NRW. „25 bis 30 Prozent wären vernünftig.“
Komme es dann noch zu unvorhergesehenen Vorfällen – eine schwere Krankheit, Arbeitslosigkeit, Scheidung oder den Tod des Partners – sei eine Überschuldung nicht ungewöhnlich. „Die Menschen warten oft lange, ehe sie sich Hilfe bei einer Schuldnerberatung suchen“, sagt Zerhusen. Überschuldung sei oft ein schleichender Prozess, der mit einer hohen psychischen Belastung einhergeht. Die Betroffenen teilten sich nicht mit, Rechnungen blieben ungeöffnet liegen. „Sie lassen Zahlungstermine verstreichen und verfallen in eine Art Schockstarre.“
Ein erster Schritt wäre es, eine Schuldnerberatung aufzusuchen. Aber Achtung: „Der Begriff ist leider nicht geschützt, deshalb gibt es eine Reihe schwarzer Schafe auf dem Markt“, sagt der Verbraucherschützer. Seriöse Anbieter sind beispielsweise die Wohlfahrtsverbände, die Kommunen oder die Verbraucherzentralen. Die bieten ihre Dienste in der Regel auch kostenfrei an. Die Berater schauen sich dann mit dem Betroffenen genau die Situation an und versuchen, wieder Struktur hineinzubringen.
Wenn das nicht reicht, bleibt der Weg in die Insolvenz. Es gibt hierzulande zwei unterschiedliche Verfahren: die Regel- und die Verbraucherinsolvenz. Letztere ist nur für natürliche Personen möglich – also nicht für Aktiengesellschaften,
GmbHs oder auch den selbststänKioskbetreiber. digen
Um ein Verbraucherinsolvenzverfahren anzumelden, muss der Betroffene nämlich zunächst verhaben, sucht sich außergerichtlich zu einigen. In der Regel stellen die Berater dann einen Gesamtplan für alle Gläubiger auf. „Denkbar wäre zum Beispiel, dass der Schuldner für drei Jahre seine pfändbaren Einkünfte an die Gläubiger weitersagt gibt“, Zerhusen. „Mit dem verbleibenden Einkommen ist ein bescheidenes Leben möglich.“Die Grenzen lassen sich den frei zugängPfändungstabellen lichen entnehDabei men. gilt, dass man mehr behalten darf, je mehr man verdient. „Die Idee ist, eine Motivazu tion schaffen, dass der Betroffene mehr arbeitet und etwa Überstunden macht, um seine Schulden abzutragen“, sagt der Jurist. In bestimmten Ausnahmesituationen ist es denkbar, auch an das unpfändbare Geld ranzugehen – etwa wenn bei der Nicht-Begleichung von Schmerzensgeld nach einer Körperverletzung ansonsten Gefängnis droht.
Wenn auch nur ein Bedem teiligter Plan nicht zustimmt, kommt es zum nächsten Schritt: Dann bleibt der Weg zum Insolvenzgericht, einem Teil des Amtsgerichts. Dort wird dann offiziell der Antrag auf
Eröffnung einer
Betroffener verabschieden. „Wenn dann der Chefarzt vor der Wohnungstür einen Jaguar geparkt hat, kann es beispielsweise zu einer sogenannten Austauschpfändung kommen“, so Zerhusen. Der Verwalter veräußere dann die Luxuslimousine und schaffe stattdessen einen Kleinwagen an. Gleiches gelte etwa für den wandgroßen Flachbildfernseher. Der könne dann durchaus gegen einen kleineren eingetauscht werden.
Der Schuldner hat darüber hinaus wesentliche Mitteilungspflichten. Sobald sich etwas an seinen Lebensumständen ändert (er/sie zieht um, es stellt sich Nachwuchs , er/ sie wechselt den Job), muss er dies dem Insolvenzverwalter mitteilen. Sollte es keine wesentlichen Gründe geben, warum eine Arbeit für den Betroffenen nicht infrage kommt – etwa die Betreuung von Kleinkindern oder eine Arbeitsunfähigkeit – muss der Schuldner einen Job annehmen. Er unterliegt einer Erwerbsobliegenheit. Auch in diesem Fall bleibt ihm nur, was die Pfändungstabelle vorsieht.
Das Verfahren dauert aktuell in der Regel sechs Jahre. Unter bestimmten Umständen kann es auf fünf Jahre beziehungsweise drei Jahre verkürzt werden. „Derzeit wird an einem Gesetz gearbeitet, um die Verfahrenslaufzeit generell auf drei Jahre zu verkürzen“, sagt Zerhusen.
Nach dem Ablauf des Verfahrens verfällt die Restschuld. Dies gilt jedoch nicht für Bußgelder, Zahlungen an Opfer einer Straftat – etwa Schmerzensgeld –, oder für bestimmte nicht getätigte Unterhaltspflichten aus der Vergangenheit.
Es kann unter Umständen auch sein, dass sich erst im späteren Verlauf noch Schuldner an das Verfahren dranhängen. Das Verfahren wird auf der Internetseite www. insolvenzbekanntmachungen.de veröffentlicht.
Man kann im Übrigen nicht beliebig oft eine Verbraucherinsolvenz anmelden. Nachdem das Verfahren durchlaufen worden ist, gilt bislang eine zehnjährige Sperrfrist für den Betroffenen. Kommt das auf drei Jahren verkürzte Verfahren, soll diese Sperrfrist im Gegenzug verlängert werden. „Da prioritär zunächst die Verfahrenskosten und der Verwalter ausgezahlt werden, hätten die Gläubiger eigentlich ein Interesse daran, dass es erst gar nicht zu einem solchen Verfahren kommt“, sagt Zerhusen. „Dennoch ist scheitert eine überwiegende Zahl der außergerichtlichen Einigungsversuche – etwa 85 Prozent.“