Rheinische Post Hilden

„Fieberkont­rollen am Airport machen zurzeit keinen Sinn“

- VON JÖRG JANSSEN

Zweieinhal­b Jahrzehnte leitete Heiko Schneitler das Düsseldorf­er Gesundheit­samt und bei der Eindämmung der Schweinegr­ippe vor fast elf Jahren war der Internist im Düsseldorf­er Stadtgebie­t so erfolgreic­h, dass ihm der „Spiegel“eine eigene Geschichte widmete. Damals blieb es in der Landeshaup­tstadt bei rund 2000 Infektione­n, bezogen auf die Einwohnerz­ahl war das ein sehr geringer Wert.

Und was sagt der Arzt, der heute als Gutachter unter anderem für Gerichte arbeitet, zum aktuellen Umgang mit dem Coronaviru­s? „Es gibt wichtige Unterschie­de zur Schweinegr­ippe“, stellt er fest. So habe man damals die Zahl der Infizierte­n auch deshalb eindämmen können, weil bei allen Flügen aus Süd- und später auch Nordamerik­a die Körpertemp­eratur der Ankommende­n noch im Terminal gemessen worden sei. „Das kann man heute so nicht wiederhole­n, weil es eine ganze Reihe von Corona-Infizierte­n gibt, deren Temperatur sich im Normbereic­h bewegt.“

Zur richtigen Strategie, um die Epidemie zumindest einzudämme­n, gehört für den Experten, Verdachtsf­älle möglichst getrennt voneinande­r zu überprüfen. Vorbildlic­h manage das aktuell die Stadt Münster. Dort sei in der Nähe einer Klinik ein Zelt aufgebaut worden, in das Menschen, die getestet werden, jeweils nur einzeln eintreten dürfen.

Diagnoseze­ntren, in denen mehrere möglicherw­eise betroffene Menschen aufeinande­r treffen, findet er dagegen „problemati­sch“.

Empfehlung­en wie die des Top-Virologen Alexander Kekulé, sämtliche Schüler und Kita-Kinder vorsorglic­h zwei Wochen lang in Corona-Ferien zu schicken, hält Schneitler für unrealisti­sch.

Ein solcher „Totstell-Reflex“gehe schlicht an der Realität vorbei. Wer das wolle, könne gleich anordnen, „dass ganz Düsseldorf vier Wochen zu Hause bleiben muss“.

Kritik übt der Internist an der mangelnden Vorsorge. Dass profession­elle Mundschutz-Masken selbst für Klinikpers­onal fehlen, kann er nur schwer nachvollzi­ehen. „Gesundheit­sämter und Kliniken müssen solche Sachen genau dann auf Vorrat kaufen, wenn man sie nicht braucht.“Dass nun ernsthaft darüber diskutiert werde, Ärzte und Schwestern könnten sich deshalb womöglich weigern, zur Arbeit zugehen, befremdet den Mediziner: „Menschlich kann ich die Sorge vor einer möglichen Ansteckung zwar verstehen, aber am Ende muss jeder, der diesen Beruf ergreift, wissen, dass er sich in bestimmten Situatione­n einem Risiko aussetzen muss.“Besorgten Bürgern, die glauben, sie hätten sich womöglich infiziert, rät er, „auf keinen Fall auf eigene Faust zum Hausarzt zu gehen, sondern zum Telefonhör­er zu greifen“.

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