„Fieberkontrollen am Airport machen zurzeit keinen Sinn“
Zweieinhalb Jahrzehnte leitete Heiko Schneitler das Düsseldorfer Gesundheitsamt und bei der Eindämmung der Schweinegrippe vor fast elf Jahren war der Internist im Düsseldorfer Stadtgebiet so erfolgreich, dass ihm der „Spiegel“eine eigene Geschichte widmete. Damals blieb es in der Landeshauptstadt bei rund 2000 Infektionen, bezogen auf die Einwohnerzahl war das ein sehr geringer Wert.
Und was sagt der Arzt, der heute als Gutachter unter anderem für Gerichte arbeitet, zum aktuellen Umgang mit dem Coronavirus? „Es gibt wichtige Unterschiede zur Schweinegrippe“, stellt er fest. So habe man damals die Zahl der Infizierten auch deshalb eindämmen können, weil bei allen Flügen aus Süd- und später auch Nordamerika die Körpertemperatur der Ankommenden noch im Terminal gemessen worden sei. „Das kann man heute so nicht wiederholen, weil es eine ganze Reihe von Corona-Infizierten gibt, deren Temperatur sich im Normbereich bewegt.“
Zur richtigen Strategie, um die Epidemie zumindest einzudämmen, gehört für den Experten, Verdachtsfälle möglichst getrennt voneinander zu überprüfen. Vorbildlich manage das aktuell die Stadt Münster. Dort sei in der Nähe einer Klinik ein Zelt aufgebaut worden, in das Menschen, die getestet werden, jeweils nur einzeln eintreten dürfen.
Diagnosezentren, in denen mehrere möglicherweise betroffene Menschen aufeinander treffen, findet er dagegen „problematisch“.
Empfehlungen wie die des Top-Virologen Alexander Kekulé, sämtliche Schüler und Kita-Kinder vorsorglich zwei Wochen lang in Corona-Ferien zu schicken, hält Schneitler für unrealistisch.
Ein solcher „Totstell-Reflex“gehe schlicht an der Realität vorbei. Wer das wolle, könne gleich anordnen, „dass ganz Düsseldorf vier Wochen zu Hause bleiben muss“.
Kritik übt der Internist an der mangelnden Vorsorge. Dass professionelle Mundschutz-Masken selbst für Klinikpersonal fehlen, kann er nur schwer nachvollziehen. „Gesundheitsämter und Kliniken müssen solche Sachen genau dann auf Vorrat kaufen, wenn man sie nicht braucht.“Dass nun ernsthaft darüber diskutiert werde, Ärzte und Schwestern könnten sich deshalb womöglich weigern, zur Arbeit zugehen, befremdet den Mediziner: „Menschlich kann ich die Sorge vor einer möglichen Ansteckung zwar verstehen, aber am Ende muss jeder, der diesen Beruf ergreift, wissen, dass er sich in bestimmten Situationen einem Risiko aussetzen muss.“Besorgten Bürgern, die glauben, sie hätten sich womöglich infiziert, rät er, „auf keinen Fall auf eigene Faust zum Hausarzt zu gehen, sondern zum Telefonhörer zu greifen“.