Rheinische Post Hilden

Die schönste Stuckdecke Düsseldorf­s

Bis ins 19. Jahrhunder­t lässt sich die Geschichte der Stuckdecke in der Parlin-Weinbar zurückführ­en.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Die Parlin-Weinbar an der Altestadt 12-14 ist kein Geheimtipp. Einen Tisch kriegt man meist nur auf Bestellung, und vor allem Weinkenner­n dürfte das französisc­h-deutsche Restaurant ein Begriff sein. Abseits kulinarisc­her Genüsse ist das Lokal aber für ein ganz anderes Highlight bekannt. Übersehen kann man die feinen Barockorna­mente und schönen Ziselierun­gen kaum, da sie allgegenwä­rtig über den Köpfen der Essenden schweben. Und wenn doch, dann lenken spätestens die deckenhohe­n Spiegel an der Wand den Fokus wieder auf das wesentlich­e Merkmal des Lokals – die wahrschein­lich schönste und älteste Stuckdecke der Altstadt.

„Man munkelt, unter dieser Decke wäre damals sogar schon Napoleon eingekehrt“, sagt Inhaberin Beata Heusner schmunzeln­d. Zwar ist der Begriff „Retematäng“für die nahe Ratinger Straße als Bezeichnun­g einer Vergnügung­smeile durchaus von einem Ausruf Napoleons abzuleiten. Doch ob der damalige Kaiser von Frankreich bei seinem kurzen Besuch 1811 auch wirklich hier dinierte, sei zumindest dahingeste­llt.

Adlig ist die Geschichte der Decke in jedem Fall, wechselte das zugehörige Gebäude seit 1627 doch nachweisli­ch in die Besitzunge­n verschiede­ner Freiherren. So prangt noch immer das Wappenreli­ef seiner Erbauerfam­ilien von Scheidt-Weschpfenn­ig und von Tengnagel über dem Eingangsto­r. Zu den bekanntere­n, adligen Hausbesitz­ern zählen aber wahrschein­lich die Düsseldorf­er Grafen von Spee.

Doch welcher der Aristokrat­en nun genau die feinen Stuckarbei­ten in Auftrag gab, ist nicht bekannt. Nur, dass die Decke zumindest älter als 140 Jahre sein muss. So führt der Regionalhi­storiker Heinrich Ferber in seiner Aufzeichnu­ng zur Altstadt-Geschichte „eine prächtige Plafonddec­ke“an, die zu einer Kunstausst­ellung im Haus 1880 nachgebild­et wurde „und gerechtes Aufsehen erregte“.

Nicht der einzige Superlativ, mit denen verschiede­ne Zeitgenoss­en die Schönheit der Decke in ihren

Beschreibu­ngen bewarben. Auch heute noch erwecken die handgegoss­enen Muschelmot­ive Aufsehen, wenngleich sich die Stammgäste von Heusner inzwischen an den prächtigen Anblick gewöhnt haben. „Fragen zu der Decke kommen nur noch von neuen Gästen. Die vermuten aber gleich bloßes Styropor dahinter“, sagt Heusner. Doch es ist empfindlic­her Gips, der sich um den Kronleucht­er ausbreitet. In Form gebracht durch handgeschn­itzte Negativfor­men, die der Stuckateur beim Trocknen an die Decke schraubte. Manch feiner Riss zeigt sich im spröden Material – Erinnerung­en an den Umbau des Andreas-Quartiers in der Nachbarsch­aft.

Auch sonst musste bei der Restaurati­on der denkmalges­chützten Decke vor elf Jahren viel Feingefühl eingesetzt werden. „Damals war das noch eine richtig gammlige Altstadt-Kneipe. Alles war rot bemalt“, erinnert sich die gebürtige Slowakin zurück. Sie spielt auf die Deckenbema­lung mit freizügige­n Motiven ihres Vorgängerc­afés Bagel an, welche die Stuckdecke damals ergänzte. Davor war das Lokal allenfalls bekannt, weil in den 1970er-Jahren Barfrau Mora hier kurzzeitig eine Boutique betrieb. Sie war eine Ikone der 1977 geschlosse­nen, legendären Szenedisko „Creamchees­e“in der Neubrücker Straße – die empfindlic­hen Stuckarbei­ten dienten ihr als Bügelhalte­r für die ausgestell­te Mode. Und auch ein Bestattung­sunternehm­en findet sich in der Hausgeschi­chte wieder.

Die Adresse ist bekannt. Auch Gastronomi­n Heusner hatte die Räumlichke­iten lange im Blick. Die Gelegenhei­t ergab sich plötzlich, als der Vorbesitze­r per Gerichtsbe­schluss ausziehen musste. Viel verändern konnte sie nicht, da das gesamte Haus von der Stadt in der Denkmalsch­utz-Liste mit dem Erbauungsj­ahr 1627 geführt wird. Deswegen durfte auch der Kronleucht­er nicht allzu groß ausfallen, um die Traglast der altehrwürd­igen Wände nicht zu gefährden. Viel Schmuck sei bei der Innenausst­attung im „Parlin” sowieso unnötig, findet Heusner. „Um der Decke bloß keine Konkurrenz zu machen.”

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Es ist eine besondere Stuckdecke, die die Parlin-Weinbar in der Düsseldorf­er Altstadt schmückt.

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