Rheinische Post Hilden

Ist es das wirklich wert?

Manche Rezepte verlangen Köchen und ihrer Umgebung einiges ab. Das ist okay, findet unsere Autorin – wenn das Ergebnis stimmt.

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Es war während eines Fußballspi­els. Ich tat, was ich meistens während Fußballübe­rtragungen tue: eine Viertelstu­nde zugucken, unqualifiz­ierte Kommentare abgeben („Welches sind die Gelben?“) und dann in der Küche mein Weinglas auffüllen gehen. (Ich schäme mich dessen nicht, denn so, wie ich mich während Fußballübe­rtragungen verhalte, verhalten sich viele Menschen, während ich koche – und das ist okay. Wären wir alle an den gleichen Dinge interessie­rt, die Welt wäre ein langweilig­er Ort.)

Ich hatte Chili gekocht – das Rezept stammt vom Herrn des Hauses und ist großartig, ich gebe es Ihnen ein anderes Mal. Nach der ersten Flasche Wein fand ich, das genüge nicht. Ich hatte Lust auf Pão de Quiejo, brasiliani­sche Käsebrötch­en, nach einem Rezept der fantastisc­hen britischen Kochbuchau­torin

Nigella Lawson.

Eigentlich ist die Herstellun­g wahnsinnig einfach: Man bringt 250 Milliliter Milch und 125 Milliliter Sonnenblum­enöl zum Kochen, schüttet die Mischung in eine Schüssel mit 300 Gramm Tapioka-Mehl sowie einem Teelöffel Salz und verknetet das Ganze in einer Küchenmasc­hine, bis es nur noch handwarm ist. Dann gibt man nach und nach zwei geschlagen­e Eier und 100 Gramm Instant-Parmesan hinzu (ja, das Zeug aus der Dose), rollt Bällchen und backt selbige bei 190 Grad eine Viertelstu­nde. Das Ergebnis ist weich, leicht klebrig und macht süchtig. Besonders, wenn man ein bisschen betrunken ist.

Leider sollte dieser Fußballabe­nd der werden, an dem meine Küchenmasc­hine starb. Kennen Sie das, wenn die Maschine anfängt, ein bisschen komisch zu riechen, und sehr heiß wird? Der Pão-de-Quiejo-Teig ist extrem zäh und bis er kühl genug ist, kann es zehn Minuten dauern. Das war zuviel für meine kleine Braun Multiquick, ein Geschenk meiner Mutter. Merken Sie’s – ich bin immer noch traurig. Wir hatten bis zu diesem Abend so viel zusammen erlebt – Schönes (Elisen-Lebkuchen) wie Schrecklic­hes (püriertes Putenfleis­ch – fragen Sie nicht!). Waren es ein paar Käsebrötch­en wirklich wert?

Ich fühlte mich diese Woche daran erinnert, als mir der charakteri­stische Maschinenö­l-Geruch einer gequälten Küchenmasc­hine erneut in die Nase stieg. Ich hatte mir das Buch „On Vegetables“von Jeremy Fox gekauft, von dem versproche­n wird, es werde die

Art ändern, wie man über Gemüse nachdenkt (tut es). Er gibt darin das Rezept seiner Ex-Frau Deanie für Brioche weiter, ein sehr nützliches Produkt für Vegetarier, weil es auf 700 Gramm Mehl 600 Gramm Butter enthält und damit noch deutlich gesundheit­sgefährden­der (und in etwa so lecker) wie Fleisch ist. Unterm Strich verbringt man – selbst mit einer Küchenmasc­hine – eine gute halbe Stunde damit, die Butter nach und nach in einen recht zähen Hefeteig einzuarbei­ten. Das ist nicht anstrengen­d für die Arme, wohl aber fürs Gehirn, weil es ehrlich gesagt tierisch die Geduld strapazier­t. Und, naja, die Maschine.

Am Ende hat sie es überlebt, aber ich habe mich gefragt: Wenn sie kaputt gegangen wäre – wäre es das dann wert gewesen? Die Frage stellt sich gelegentli­ch in der Küche und wird nicht von jedem gleich beantworte­t. Der Herr des Hauses legte zum Beispiel neulich sein Veto ein, als ich ihm vorrechnet­e, dass wir für die Herstellun­g von schwarzem Knoblauch nur sechs Wochen lang den Reiskocher auf Warmhaltes­tufe laufen lassen müssten, was angesichts des Marktpreis­es und der kulinarisc­hen Möglichkei­ten von schwarzem Knoblauch doch ein sehr geringes Opfer wäre.

Jedenfalls: Die Brioche war gut – aber ich würde jederzeit eine Portion Pão de Quiejo bevorzugen. Anderersei­ts: Für die paar hundert Euro, die eine neue Küchenmasc­hine kostet, könnte ich reichlich Brioche kaufen, und zwar in Frankreich. Die Reise nach Brasilien zu den echten Pão de Quiejo wäre kostspieli­ger.

Kulinarik-Kolumne Unsere Autorin schreibt jede Woche übers Einkaufen, Kochen und Genießen in Düsseldorf. Anregungen bitte an helene.pawlitzki@ rheinische-post.de.

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