Kitas beklagen Personalmangel
Ein Viertel der Einrichtungen konnte 2019 laut einer repräsentativen Umfrage unter Kita-Leitungen ihrer Aufsichtspflicht kaum nachkommen. Kritik gibt es an der Gesetzesreform in NRW.
DÜSSELDORF Der Personalmangel in Kitas nimmt dramatische Ausmaße an. Ein Viertel der Einrichtungen konnte 2019 laut einer repräsentativen Umfrage unter Kita-Leitungen (siehe Box) während eines Großteils der Betreuungszeit ihrer Aufsichtspflicht kaum mehr nachkommen. Ein Jahr zuvor hatte dieser Anteil noch bei einem Sechstel gelegen. „Die Politik setzt hierdurch sehenden Auges die Sicherheit unserer Kinder aufs Spiel“, sagte Udo Beckmann, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Nicht einmal jede zehnte Kita könne durchgehend mit einer ausreichenden Personalausstattung arbeiten. Nach Informationen unserer Redaktion fordern Einrichtungen in NRW mitunter Eltern auf, ihre Kinder daheim zu lassen, weil sie wegen Personalmangels nicht alle betreuen können.
Kitas sind vom Fachkräftemangel besonders betroffen, weil die Betreuungszeiten sowie die Zahl der Plätze in den vergangenen Jahren
stark ausgeweitet wurden – bei steigender Geburtenrate. Bis 2025 wird bundesweit mit einem zusätzlichen Bedarf von rund 310.000 Fachkräften gerechnet.
In NRW ist die Unzufriedenheit demnach besonders groß: 87,8 Prozent aller Befragten stellen der Kita-Politik ein schlechtes Zeugnis aus, im Bundesdurchschnitt sind es 75 Prozent. Spitzenreiter am positiven Ende der Skala ist im Bundesvergleich Hamburg, wo sich 44,9 Prozent eher zufrieden zeigen.
Kritisch sehen die Kita-Leitungen in NRW die Reform des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz), die ab dem kommenden Kita-Jahr in Kraft treten soll: Gut 75 Prozent geben an, mit der geplanten Verwendung der Mittel unzufrieden zu sein, im Bundesdurchschnitt sind es nur 63,4 Prozent. Statt in ein weiteres beitragsfreies Jahr zu investieren, müsse das Geld für mehr Qualität eingesetzt werden, so die überwiegende Meinung. Nur weniger als ein Viertel der Leitungskräfte (22,8 Prozent) glaubt, dass sich das Kibiz spürbar positiv auf die Qualität ihrer Einrichtung auswirken wird.
NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) weist die Kritik zurück: Ab dem Kindergartenjahr 2020/21 werde fast eine Milliarde Euro allein in qualitative Verbesserungen investiert. „In allen mehr als 10.000 Kindertageseinrichtungen kann mehr Personal beschäftigt werden“, versicherte Stamp. Insgesamt bringt die Kibiz-Novelle den Kitas in NRW 1,3 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr und sieht neben flexibleren Öffnungszeiten für Eltern auch ein zweites beitragsfreies Jahr vor. Zur Finanzierung setzt Stamp auch Mittel aus dem „Gute Kita Gesetz“des Bundes ein.
Infolge des Personalmangels liegt der Betreuungsschlüssel bei den unter Dreijährigen bundesweit in knapp 94 Prozent der Fälle unter der wissenschaftlich geforderten Zielgröße von 1:3. In mehr als jeder zehnten Kita muss eine Erzieherin sogar mehr als acht Kinder betreuen. Bei den über Dreijährigen sind es meist mehr als zwölf Kinder.
„Die Qualität in der frühkindlichen Bildung hängt maßgeblich von gut qualifiziertem und ausreichendem Personal ab. Daher ist der akute Personalmangel die zentrale Herausforderung in unseren Kitas“, betonte die familienpolitische Sprecherin der Grünen, Josefine Paul. Amtskollege Dennis Maelzer (SPD) sagte: „Allein in NRW fehlen rund 15.600 Erzieherinnen und Erzieher. Dass dadurch immer weniger Zeit für die Betreuung der Kinder zur Verfügung steht, liegt auf der Hand.“