Besser geht’s nicht
Sportliche Leistung, eine wohlwollende Jury, wenig Fremdscham – „Let’s Dance“ist die beste Promi-Show. Eine Liebeserklärung.
An Trash ist im deutschen Fernsehen kein Mangel. Trash (engl.: Müll) ist das Dschungelcamp, Trash sind „Big Brother“, „Deutschland sucht den Superstar“, „Das Sommerhaus der Stars“oder „Germany’s Next Topmodel“. Wer aber „Let’s Dance“als Trash bezeichnet, der hat keine Ahnung oder kein Herz.
Trash-Unterhaltung hat absolut ihre Berechtigung. Trash lenkt ab: Nach einem anstrengenden Arbeitstag dreht die Peinlichkeit des „Sommerhaus der Stars“vielleicht den Kopf angenehm leise. Wenn das eigene Liebesleben gerade kompliziert ist, kann es Spaß machen, den „Bachelor“zu sehen, der holzschnittartig und romantikklischeehaft nach der großen Liebe sucht und sie fast nie findet. Trash lässt den Zuschauer auch mal ungestraft fies sein: Wer das Dschungelcamp verfolgt, darf schadenfroh sein und die Gruselgänsehaut genießen, wenn die Teilnehmer Känguruhoden essen oder durch Mehlwürmer waten. Und Trash relativiert: Der Fernsehschund macht, dass sich das eigene Leben mit den normalen Tiefs und Blödheiten weniger blöd und untraumhaft anfühlt. Dass einem andere Menschen peinlicher, fehlerhafter, schräger vorkommen als man sich selbst manchmal vorkommt.
Wer allerdings „Let’s Dance“in einen Topf schmeißt mit diesem TVSchrott, macht einen Fehler, und das, obwohl es natürlich Ähnlichkeiten aufweist zu vielen der oben genannten Sendungen. Die Prominenten, Halbprominenten oder Bislang-nicht-Prominenten, die teilnehmen. Die Dauerbegleitung durch die Kamera. Die Tatsache, dass man Menschen beim Scheitern zusieht, manchmal auch beim etwas peinlichen Scheitern. Die Sache ist aber die: Scheitern ist bei „Let’s Dance“so gut wie nie peinlich.
Ob Sport-Moderator Ulli Potofski oder Schlagersängerin Kerstin Ott über die Tanzfläche baumstammen, Sänger Michael Wendler emotionslos die Tanzfläche bearbeitet oder Cora Schumacher sich stocksteif von einem Profi-Tänzer über das Parkett schieben lässt: Das ist im Zweifel zwar keine gute Leistung oder sogar eine unterirdisch schlechte, aber es ist nie so viel der hässlichen Fremdscham, dass man körperliche Schmerzen bekommt und dringend umschalten muss. Eher leidet man ein wenig mit – sogar mit unsympathischen oder nervigen Teilnehmern.
Auch die Jury-Urteile sind in der Regel (nur Joachim Llambi bildet eine Ausnahme) wohlwollend, selbst, wenn es Heide Simonis so überhaupt nicht auf die Reihe bekommt. Motsi Mabuse und Jorge
Gonzalez finden fast immer etwas Positives, und wenn sie nichts Positives finden, sagen sie etwas Lustiges oder zumindest nichts Schreckliches. Sie sehen auch den Fortschritt, die Entwicklung. Und andersherum: Erfolge werden bei „Let’s Dance“frenetisch im Kollektiv gefeiert (so weit man das als Zuschauer beurteilen kann) – die Jury mit den Tänzern, Konkurrenten und Zuschauern.
Vielleicht sagen zwei von drei Jury-Mitgliedern aber auch deswegen nichts Vernichtendes, weil sie sehen, dass sich Teilnehmer wie Ulli
Potofski, Heide Simonis und Steffi Jones (die am Freitag rausgeflogen ist) anstrengen. Denn trainiert wird hart bei „Let’s Dance“, das sagen alle Kandidaten übereinstimmend. Mehrere Stunden täglich werden die Promis von ihren Profi-Tanzpartnern gedrillt. Und dabei kommen oft genug Überraschungen heraus: Pascal Hens, ehemaliger Handball-Profi und Weltmeister, hat die letztjährige Staffel gewonnen und irrsinnig gut getanzt. Dschungelkönigin Evelyn Burdecki hat sich zu Beginn angestellt wie ein tollpatschiger Körper-Klaus und war am Ende immer noch keine Tanz-Göttin, aber doch sehr okay. Fernsehmann Ingolf Lück hat die Sendung mit 60 Jahren gewonnen und damit einen weltweiten „Let’s Dance“-Rekord aufgestellt. Nur dummes Zeug reden, nur lustig oder peinlich sein – das reicht nicht bei der Tanzshow. Anstrengung wollen Jury und Zuschauer sehen.
Und zuletzt: Bei „Let’s Dance“können übergewichtige, alte, untalentierte Menschen mittanzen – manche kommen weit, andere scheiden früh aus. Für beides gibt es Beispiele.