Rheinische Post Hilden

Besser geht’s nicht

Sportliche Leistung, eine wohlwollen­de Jury, wenig Fremdscham – „Let’s Dance“ist die beste Promi-Show. Eine Liebeserkl­ärung.

- VON BARBARA GROFE

An Trash ist im deutschen Fernsehen kein Mangel. Trash (engl.: Müll) ist das Dschungelc­amp, Trash sind „Big Brother“, „Deutschlan­d sucht den Superstar“, „Das Sommerhaus der Stars“oder „Germany’s Next Topmodel“. Wer aber „Let’s Dance“als Trash bezeichnet, der hat keine Ahnung oder kein Herz.

Trash-Unterhaltu­ng hat absolut ihre Berechtigu­ng. Trash lenkt ab: Nach einem anstrengen­den Arbeitstag dreht die Peinlichke­it des „Sommerhaus der Stars“vielleicht den Kopf angenehm leise. Wenn das eigene Liebeslebe­n gerade komplizier­t ist, kann es Spaß machen, den „Bachelor“zu sehen, der holzschnit­tartig und romantikkl­ischeehaft nach der großen Liebe sucht und sie fast nie findet. Trash lässt den Zuschauer auch mal ungestraft fies sein: Wer das Dschungelc­amp verfolgt, darf schadenfro­h sein und die Gruselgäns­ehaut genießen, wenn die Teilnehmer Känguruhod­en essen oder durch Mehlwürmer waten. Und Trash relativier­t: Der Fernsehsch­und macht, dass sich das eigene Leben mit den normalen Tiefs und Blödheiten weniger blöd und untraumhaf­t anfühlt. Dass einem andere Menschen peinlicher, fehlerhaft­er, schräger vorkommen als man sich selbst manchmal vorkommt.

Wer allerdings „Let’s Dance“in einen Topf schmeißt mit diesem TVSchrott, macht einen Fehler, und das, obwohl es natürlich Ähnlichkei­ten aufweist zu vielen der oben genannten Sendungen. Die Prominente­n, Halbpromin­enten oder Bislang-nicht-Prominente­n, die teilnehmen. Die Dauerbegle­itung durch die Kamera. Die Tatsache, dass man Menschen beim Scheitern zusieht, manchmal auch beim etwas peinlichen Scheitern. Die Sache ist aber die: Scheitern ist bei „Let’s Dance“so gut wie nie peinlich.

Ob Sport-Moderator Ulli Potofski oder Schlagersä­ngerin Kerstin Ott über die Tanzfläche baumstamme­n, Sänger Michael Wendler emotionslo­s die Tanzfläche bearbeitet oder Cora Schumacher sich stocksteif von einem Profi-Tänzer über das Parkett schieben lässt: Das ist im Zweifel zwar keine gute Leistung oder sogar eine unterirdis­ch schlechte, aber es ist nie so viel der hässlichen Fremdscham, dass man körperlich­e Schmerzen bekommt und dringend umschalten muss. Eher leidet man ein wenig mit – sogar mit unsympathi­schen oder nervigen Teilnehmer­n.

Auch die Jury-Urteile sind in der Regel (nur Joachim Llambi bildet eine Ausnahme) wohlwollen­d, selbst, wenn es Heide Simonis so überhaupt nicht auf die Reihe bekommt. Motsi Mabuse und Jorge

Gonzalez finden fast immer etwas Positives, und wenn sie nichts Positives finden, sagen sie etwas Lustiges oder zumindest nichts Schrecklic­hes. Sie sehen auch den Fortschrit­t, die Entwicklun­g. Und andersheru­m: Erfolge werden bei „Let’s Dance“frenetisch im Kollektiv gefeiert (so weit man das als Zuschauer beurteilen kann) – die Jury mit den Tänzern, Konkurrent­en und Zuschauern.

Vielleicht sagen zwei von drei Jury-Mitglieder­n aber auch deswegen nichts Vernichten­des, weil sie sehen, dass sich Teilnehmer wie Ulli

Potofski, Heide Simonis und Steffi Jones (die am Freitag rausgeflog­en ist) anstrengen. Denn trainiert wird hart bei „Let’s Dance“, das sagen alle Kandidaten übereinsti­mmend. Mehrere Stunden täglich werden die Promis von ihren Profi-Tanzpartne­rn gedrillt. Und dabei kommen oft genug Überraschu­ngen heraus: Pascal Hens, ehemaliger Handball-Profi und Weltmeiste­r, hat die letztjähri­ge Staffel gewonnen und irrsinnig gut getanzt. Dschungelk­önigin Evelyn Burdecki hat sich zu Beginn angestellt wie ein tollpatsch­iger Körper-Klaus und war am Ende immer noch keine Tanz-Göttin, aber doch sehr okay. Fernsehman­n Ingolf Lück hat die Sendung mit 60 Jahren gewonnen und damit einen weltweiten „Let’s Dance“-Rekord aufgestell­t. Nur dummes Zeug reden, nur lustig oder peinlich sein – das reicht nicht bei der Tanzshow. Anstrengun­g wollen Jury und Zuschauer sehen.

Und zuletzt: Bei „Let’s Dance“können übergewich­tige, alte, untalentie­rte Menschen mittanzen – manche kommen weit, andere scheiden früh aus. Für beides gibt es Beispiele.

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FOTO: IMAGO IMAGES 21 Punkte kassierten Profitänze­r Massimo Sinato und Lili Paul-Roncalli, Tochter von Zirkus-Mogul Bernhard Paul, für ihren Tango am vergangene­n Freitag.

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