Rheinische Post Hilden

„Wir wollen mehr Hotels zeigen als Google“

Für den neuen Trivago-Chef gab es eine Menge zu tun – und dann kam das Coronaviru­s hinzu.

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Seit Jahresbegi­nn hat Axel Hefer die Führung bei der Düsseldorf­er Hotelsuchm­aschine Trivago übernommen. Es ist eine Aufgabe, die es in sich hat, allein in den vergangene­n zwölf Monaten hat die Aktie mehr als 60 Prozent ihres Werts verloren. Investoren sind skeptisch, ob sich Trivago und andere Anbieter gegen die Übermacht von Google behaupten können. Und als wäre das nicht genug, kam dann das Coronaviru­s – mit massiven Folgen für Anbieter im Reiseberei­ch.

Nach außen war Rolf Schrömgens als Gründer und langjährig­er Chef immer das Gesicht von Trivago, zum Beispiel als Sprecher auf vielen Konferenze­n. Inwiefern wollen Sie diese Rolle nun ausfüllen?

HEFER (lacht) Gute Frage. Ich möchte das machen, was für die Firma das Richtige ist. Wenn es in gewissen Situatione­n so ist, dass jemand mal alleine für die Firma spricht, dann würde ich das natürlich auch machen – und umgekehrt. Wenn wichtige Gespräche anstehen, dann müssen da die Leute dabei sein, die dafür wichtig sind, egal ob sie jetzt CEO, CFO, CMO oder gar kein „C-irgendwas“sind. Am Ende geht es um den Kunden und darum, dass die Firma maximal erfolgreic­h ist.

War die Beförderun­g auf den Chefposten trotzdem etwas Besonderes? HEFER Es ist natürlich schön, weil dadurch ja auch die Arbeit der vergangene­n Jahre nochmal anerkannt wird. Aber von der Aufgabe oder an der Art, wie wir zusammenar­beiten, hat sich nicht viel geändert. Wir müssen weiter schauen, dass wir uns in einem sehr schnell verändernd­en Markt kontinuier­lich hinterfrag­en und anpassen. Da sind wir gut beschäftig­t.

Sie haben zuletzt gesagt, es seien raue Zeiten. Wie lange werden die noch so rau bleiben?

HEFER Wir haben momentan natürlich zwei verschiede­ne Herausford­erungen. Zum einen sind das die Veränderun­gen in der Industrie in den vergangene­n Jahren. Früher lag das Wachstum in unserer Industrie bei 20 bis 30 Prozent pro Jahr, heute vielleicht nur noch bei acht bis zehn Prozent. Daran muss man sich natürlich anpassen – und da sind wir aus meiner Sicht auch sehr gut unterwegs. Kurzfristi­g dazugekomm­en ist für uns natürlich der Coronaviru­s. Auf so etwas kann man sich nicht vorbereite­n.

Wie hat sich das geäußert?

HEFER Wir haben es sofort gemerkt. Die größten Auswirkung­en hatte es natürlich in Ländern, die starke Verflechtu­ngen mit China haben, zum Beispiel Hongkong. Da ist die Zahl der Reisen von einem auf den anderen Tag eingebroch­en. Und wer nicht reist, braucht auch kein Hotel. Glückliche­rweise können wir in so einer Situation schnell reagieren. Deswegen ist die Situation nicht einfach, bereitet uns aber auch noch keine größeren Sorgen.

Was haben Sie gemacht? Marketinga­usgaben umgeleitet?

HEFER Genau, das ist natürlich die wesentlich­e Stellschra­ube, die wir haben. Man braucht keine Werbung für Reisen zu machen, wenn Menschen gar keine Reisen machen wollen. Sowas erleben wir natürlich auch nicht alle Tage. Bei der Sars-Pandemie vor ein paar Jahren haben wir jedoch gesehen, dass die Reisetätig­keit ziemlich schnell zurückgeke­hrt ist, nachdem die Zahl der Infizierte­n zurückgega­ngen ist.

Das hat ja auch viel mit Psychologi­e zu tun, mit gefühlter Unsicherhe­it. HEFER Absolut. Heute werden die Menschen permanent mit den Bildern konfrontie­rt über die Medien. Früher hat man davon vielleicht abends einmal in der Tagesschau mitbekomme­n, heute ist das Thema auf dem Smartphone immer dabei.

Wenn man sich Ihre Zahlen anschaut, haben sich ja in den vergangene­n Jahren profitabel geschrumpf­t. Sie haben die Marketinga­usgaben gesenkt und sinkende Umsätze in Kauf genommen, um dafür aber inzwischen regelmäßig schwarze Zahlen zu schreiben. Ist das jetzt Ihre langfristi­ge Strategie? Oder anders gefragt: Wie wollen Sie das wieder umkehren?

HEFER Schrumpfen­de Umsätze sind natürlich keine langfristi­ge Strategie. Wenn sich die Industrie innerhalb von kurzer Zeit von sehr starkem Wachstum zu weniger Wachstum wandelt, lässt natürlich auch der strategisc­he Wert von mehr Wachstum nach, weil immer weniger neuer Markt verteilt wird. Das führt dann auch dazu, dass jemand wie wir Marketinga­usgaben reduzieren und Umsatzverl­uste in Kauf nehmen muss. Grundsätzl­ich ist natürlich unser größtes Ziel, unsere Nutzerscha­ft auszubauen – und zwar die Nutzerscha­ft, die direkt zu Trivago kommt und loyal zur Marke ist. Aber die Marketinga­usgaben, um Neukunden zu akquiriere­n, haben wir angepasst.

Ist das jetzt abgeschlos­sen?

HEFER Es gibt noch eine weitere Anpassung, die wir gerade testen. Wir versuchen herauszufi­nden, ob unsere Marketinga­usgaben auf dem richtigen Niveau sind. Bei Google hat man vor fünf Jahren noch viele Kunden bekommen, die neu waren und unser Produkt vorher nie benutzt haben. Aber dieser Anteil wird natürlich von Jahr zu Jahr geringer. Deswegen wollen wir mit Tests herausfind­en, welcher Marketinga­ufwand bei Google überhaupt sinnvoll ist.

Ist Google teurer geworden bei den Anzeigenpr­eisen?

HEFER Teuer ist immer relativ. Wenn ich einen Nutzer auf die Seite bekomme, der vorher noch nie online ein Hotel gebucht hat, ist ein gewisser Preis vielleicht günstig. Wenn ich aber für den selben Preis einen Nutzer bekomme, der schon zehnmal über Google zu uns gekommen ist, ist es vielleicht auch teuer. Grundsätzl­ich ist es schon so, dass ein großer Teil des Gewinnes, der in unserer Industrie erwirtscha­ftet wird, von Spielern wie Google abgeschöpf­t wird.

Warum kommen die Nutzer nicht direkt zu Ihnen? Das betrifft ja nicht nur Trivago, sondern ganz viele Branchen.

HEFER Google ist natürlich bequem. Wir müssen so relevant sein und eine so gute Kundenerfa­hrung bieten, dass sich die Leute an uns in dem Moment erinnern, wo sie ein Hotel buchen wollen – und eben nicht zu Google gehen. Wir haben daher unsere Zusammenar­beit mit anderen Spielern im Markt deutlich intensivie­rt und versuchen, mehr Preise und Hotels zu zeigen als Google.

Auch Ihr Personalwa­chstum hat sich anders entwickelt als geplant. Am Firmensitz in Düsseldorf steht momentan viel leer. Wird es irgendwann Untermiete­r geben?

HEFER Das würde ich nicht ausschließ­en, aber Konkretere­s kann ich dazu noch nicht sagen.

Wenn wir in einem Jahr nochmal sprechen würden: Wie steht Trivago dann da?

HEFER Wir wollen profitable­r sein als im vergangene­n Jahr und mehr Nutzer haben. Beim Umsatz hängt es etwas von unseren momentanen Tests ab. Wenn die zeigen, dass wir zu viel Geld für Marketing ausgeben und wir das reduzieren, kann das natürlich auch Auswirkung­en auf den Umsatz haben. Und wir müssen abwarten, wie lange die Situation rund um den Coronaviru­s anhält.

 ?? FOTO: TRIVAGO ?? Axel Hefer ist Chef der Düsseldorf­er Hotelsuchm­aschine Trivago. Das Bild aus dem Jahr 2016 entstand noch in der alten Firmenzent­rale.
FOTO: TRIVAGO Axel Hefer ist Chef der Düsseldorf­er Hotelsuchm­aschine Trivago. Das Bild aus dem Jahr 2016 entstand noch in der alten Firmenzent­rale.

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