Rheinische Post Hilden

Das härteste Hundeschli­ttenrennen der Welt

Die Düsseldorf­erin Kerstin Schley reiste als Helferin nach Alaska zum Yukon Quest, einem 1600 Kilometer langen Rennen.

- VON DANIEL SCHRADER

Mit Strand und Sonnensche­in kann Kerstin Schley wenig anfangen. „Bei Schnee und Eis geht mein Herz auf“, erzählt sie. Ihre Liebe zu den kalten Regionen dieser Welt begann vor 15 Jahren bei einer Skandinavi­enreise. Als sie zum ersten Mal die Gletscher und Nordlichte­r sah, „da hat es mich gepackt“, erzählt sie. Und damit meint sie nicht nur das Interesse an den Landschaft­en, sondern auch an Kultur und Politik. Deshalb entschied sich Kerstin Schley, Arctic and Nordic Studies an Universitä­ten in Norwegen und Alaska zu studieren. Nicht das erste Mal, dass sie ihr Leben umkrempelt­e.

Wenn sich Kerstin Schley etwas vornimmt, dann setzt sie es auch um. Als die gelernte Unternehme­nsberateri­n vor 20 Jahren Pilotin werden wollte, schmiss sie ihren alten Job, besuchte eine Flugschule und wurde: Pilotin. Dieses Mal sollte der Wandel jedoch nicht ganz so einschneid­end sein. Statt erneut ihren Job zu kündigen, absolviert­e die Düsseldorf­erin den Großteil ihres Studiums online. Inzwischen hat sie ihren Master abgeschlos­sen und gibt Vorträge, alles parallel zu ihrem Job als Pilotin. Ruhe ist für sie ein Fremdwort. „Ich bin kein Erholungsu­rlauber.“

Das gilt auch für ihre aktuelle Reise nach Alaska, mit der sie sich einen weiteren Traum erfüllt hat. Anfang Februar verbrachte sie einige Tage in dem US-Bundesstaa­t; jedoch nicht um die Natur zu bewundern, sondern um als Helferin beim Yukon Quest zu arbeiten, einem 1600 Kilometer langen Hundeschli­ttenrennen, das quer durch Nordamerik­a verläuft. 15 Teilnehmer wagten sich dabei mit ihren Vierbeiner­n auf eine tagelange Odyssee durch Schnee und Eis. Die Aufgabe von Kerstin Schley lag zum Beispiel darin, im Startberei­ch Banden anzubringe­n. Klingt einfach, bei minus 30 Grad Celsius ist die Aufgabe aber schwerer, als man denkt.

„Wir mussten Fäustlinge tragen, wodurch die Arbeit sehr lange gedauert hat.“Zum anderen musste Schley an vier sogenannte­n Checkpoint­s an der Strecke die Ankunft der Teilnehmer kontrollie­ren. Da die Schlitten aber nicht unbedingt nah beieinande­r fahren, hieß das für Schley und ihre Helfer-Kollegen langes Warten und trotzdem in ständiger Bereitscha­ft zu bleiben – und wenn nötig auch mitten in der Nacht aufzustehe­n. Ruhige Nächte gab es ohnehin nicht. Aufstehen musste Schley auch aus anderen Gründen. Denn damit einem bei Temperatur­en von bis zu minus 40 Grad Celsius das Auto nicht zufriert, muss es nachts entweder an eine Stromleitu­ng angeschlos­sen oder im Zweistunde­ntakt angelassen werden.

Was reizt jemanden, seine Freizeit fernab der Zivilisati­on als Helfer

zu verbringen? Für Schley ist es die Faszinatio­n des Rennens. Langweilig wurde ihr deshalb trotz vieler Phasen ohne Beschäftig­ung nicht. „Ich habe sehr viele interessan­te Menschen kennengele­rnt.“Einige der Helfer hatten sogar mit ihr studiert, sodass ihr Job zu einer Art Klassentre­ffen auf Umwegen wurde.

Das außergewöh­nlichste Erlebnis machte sie gleich zu Beginn des Rennens. Denn die ersten Meilen durfte sie auf dem Schlitten der

Teilnehmer­in Olivia Shank mitfahren, gezogen von 14 Schlittenh­unden und umjubelt von Hunderten Zuschauern. „Es war eine einzigarti­ge Stimmung“, erzählt Kerstin Schley. Nicht nur wegen des Jubels, sondern auch wegen der Anspannung der Schlittenf­ührerin und ihrer Hunde, die während der Startphase zu spüren gewesen sei.

Denn für die Teilnehmer ist das Rennen eine gigantisch­e Herausford­erung. So müssen sie genau kalkuliere­n, wie viele Pausen sie und vor allem ihre Tiere brauchen. Hinzu kommt die lange Einsamkeit. „Viele Teilnehmer halluzinie­ren während des Rennens. So war einer davon überzeugt, unterwegs einen Radfahrer gesehen zu haben.“

Als Kerstin Schleys Chauffeuri­n Olivia Shank nach 15 Tagen das Ziel als 11. von den 15 Teilnehmer­n erreichte, war die Düsseldorf­erin jedoch bereits wieder in Deutschlan­d, da die Helfer jeweils nur einige

Tage in Alaska geblieben sind und den Sportlern nicht den gesamten Weg hinterher reisen. Deshalb hat Kerstin Schley auch schon den nächsten Besuch bei dem Traditions­rennen geplant. Dann aber auf kanadische­r Seite, um den Zieleinlau­f der Teilnehmer zu erleben. Ob sie auch selbst an dem Rennen teilnehmen würde? Diese Frage verneint sie, dazu fehle ihr schlicht das Know-how. Neue Herausford­erungen findet sie aber sicher auch so.

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FOTOS: KERSTIN SCHLEY Mitten im Nirgendwo: Manche Streckenab­schnitte sind so lang und einsam, dass Fahrer halluzinie­ren.
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Kerstin Schley kontrollie­rte an Checkpoint­s die Ankunft der Teilnehmer und ihrer Hunde.
 ??  ?? Dick eingepackt: Kerstin Schley macht ein Selfie neben einem Thermomete­r, das minus 40 Grad zeigt.
Dick eingepackt: Kerstin Schley macht ein Selfie neben einem Thermomete­r, das minus 40 Grad zeigt.
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Kurz durfte die Düsseldorf­erin auf einem Hundeschli­tten mitfahren.
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Die Hunde machen Pause und wärmen sich auf Strohhaufe­n.

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