Rheinische Post Hilden

Bund könnte Kopftuch für Kinder verbieten

NRW war vom Kopftuchve­rbot für Mädchen in Grundschul­en und Kitas abgerückt. Ein Gutachter hält jetzt ein Verbot durch den Bund für möglich.

- VON LEA HENSEN

BERLIN Ein neues juristisch­es Gutachten argumentie­rt, dass der Bund ein Kopftuchve­rbot für Mädchen unter 14 Jahren durchsetze­n könnte. Vorgestell­t wurde es am Donnerstag von dem Würzburger Rechtsprof­essor Kyrill-Alexander Schwarz in Berlin. Die Bundesarbe­itsgemeins­chaft der Immigrante­nverbände (BAGIV ) hatte es in Auftrag gegeben. Schwarz kommt zu der Auffassung, dass ein

Kopftuchve­rbot zwar als Eingriff in die Religionsf­reiheit und in das elterliche Erziehungs­recht ausgelegt werden könnte. Wichtiger sei aber die Verantwort­ung des Staats für das Kindeswohl. Kinder unter 14 Jahre gelten in Deutschlan­d nicht als religionsm­ündig. Um ihnen eine individuel­le Selbstbest­immung zu ermögliche­n, seien Eingriffe durch den Staat verfassung­skonform, argumentie­rt Schwarz. „Es geht um Freiheitsg­ewährleist­ung durch Freiheitsb­eschränkun­g“, sagte er.

Einen Vergleich mit anderen religiösen Bekleidung­sstücken wies der Gutachter zurück. Das Kopftuch sei politisch besetzt und ermögliche eine geschlecht­sspezifisc­he Diskrimini­erung. Weil Verbote an Schulen oder Kitas in die Zuständigk­eit der Länder fallen, spricht sich der Gutachter

für ein Kopftuchve­rbot in allen öffentlich­en Einrichtun­gen aus, neben Schulen also auch in Behörden.

Ali Ertan Toprak, Präsident der BAGIV, die sich als weltlicher Migrations­verband versteht, bezeichnet­e das Kopftuch als „Symbol der Unterdrück­ung der Frau“. Im Koran finde sich keine Stelle, die eine Verschleie­rung von Kindern fordere. Auch der Deutsche Lehrerverb­and und der Frauenrech­tsverein „Terre des Femmes“unterstütz­en ein mögliches Verbot. Der Präsident des Deutschen Lehrerverb­andes, Heinz-Peter Meidinger, sagte, wenn Schülerinn­en Kopftücher trügen, erschwere das den Auftrag der Schulen zur Integratio­n. Julia Wöllenstei­n, Lehrerin aus Kassel, stimmte dem zu. Kinder mit Kopftücher­n

seien in den Schulen zwar in der Minderheit, sagte sie. Mädchen, die kein Kopftuch tragen, würden aber durch die Verschleie­rung von anderen Mädchen unter Druck gesetzt. Den Konflikt mit Eltern,

die darauf bestehen, dass ihre Töchter Kopftücher tragen, fürchtet sie nicht. „Diese Eltern müssen sich dann bei den Schulen melden, und das ermöglicht uns eine gemeinsame Diskussion.“

„Die CDU hat sich bereits auf unserem letzten Parteitag gegen das Tragen des Kopftuchs im Kindergart­en und der Grundschul­e ausgesproc­hen“, sagte Mathias Middelberg, innenpolit­ischer Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag. Bevor Kopftücher in Schulen verboten werden, setzte die Union aber auf Überzeugun­gsarbeit bei den Eltern: „Ein Verbot ist nicht auszuschli­eßen, sollte aber die letztmögli­che Maßnahme sein“, betonte Middelberg. Die Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) warnt vor neuen Verbotsdeb­atten.

Vielmehr sollten „mehr Anstrengun­gen unternomme­n werden, gute Integratio­nskonzepte, durchgehen­de Sprachbild­ung und, wo immer möglich, herkunftss­prachliche­n Unterricht in den Schulen zu implementi­eren“, sagte GEW-Vorstandsm­itglied Ilka Hoffmann dem Redaktions­netzwerk Deutschlan­d.

In Nordrhein-Westfalen hatte Integratio­nsminister Joachim Stamp (FDP) bereits vor anderthalb Jahren ein Kopftuchve­rbot für Mädchen in Grundschul­en und Kitas gefordert. Im Dezember war die Landesregi­erung dann von dem Vorhaben abgerückt und will stattdesse­n auf bessere Aufklärung setzen.

Österreich hatte im Mai vergangene­n Jahres ein Kopftuchve­rbot für Schülerinn­en bis zehn Jahre beschlosse­n.

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FOTO: DPA Ein Mädchen mit Kopftuch steht in seiner Schule.

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