„Johannes-Passion“aus Tokio
Das Bach-Collegium Japan unter Masaaki Suzuki kommt in die Tonhalle.
Man müsste eine Grübelsitzung einberufen, diese CD von Bachs „Johannes-Passion“auflegen und reihum raten lassen, aus welchem Land sie stammt. Es dürfte sich ein wunderliches Irren und Stochern begeben.
Bachs Haus hat bekanntlich viele Wohnungen, und nur wenige wissen, dass ein Appartement seit geraumer Zeit von Masaaki Suzuki und seinem Bach-Collegium Japan bewohnt wird, die 1999 die bislang schönste Aufnahme des Werks zustande gebracht haben. Jetzt kommen die Musiker in die Tonhalle, zu einem „Sternstunden“-Konzert am Samstag, 14. März, 20 Uhr, das der Verein der Freunde und Förderer organisiert hat.
Es könnte in diesen unruhigen Zeiten eine Zone der Versenkung bieten; Suzuki und die Seinen sind derzeit eine Referenzadresse in Sachen Bach. Zum Düsseldorfer Konzert bringen sie vorzügliche Solisten mit: Hana Blazikova (Sopran), Damien Guillon (Countertenor), James Gilchrist (Tenor, Evangelist), ZacharyWilder(Tenor,Arien)sowieChristian Immler (Bass).
Suzuki hat in Amsterdam Cembalo bei Ton Koopman und Orgel bei Piet Kee studiert; er zählt zu jenen vielen Musikern aus Fernost, die nach fleißigen Jahren in der Heimat ihren flammenden Lerneifer auf die Musikhochschulen Europas ausdehnen („In Koopmans Wohnung saßen wir immer bis vier Uhr nachts“) und dann mit Koffern prall von Erkenntnis in die Heimat zurückkehren. Suzuki indes ist interkontinental rege geblieben, für ihn ist Bach ein offenes Buch, das immerzu erforscht und befragt werden will. Und bis heute hat er Ton Koopmans weisen Lehrsatz im Ohr: „Mach es nicht so, wie ich es mache. Sei eigenwillig!“
Nicht kopieren, sondern selbst denken: Das hat Suzuki erst lernen müssen. Jetzt ist er ein könnender Kenner. Suzuki kennt aber auch die Bibel, den Katechismus und überhaupt die spirituelle Basis der Musik Bachs. Er ist Spross einer der wenigen protestantischen Familien in Japan, also kein in Glaubensfragen spät Angelernter, und hat schon als Kind Kirchenlieder in der Messe gespielt („auf dem Harmonium, das war auch gut für die Beinarbeit“). Fließend deutsch spricht er auch. Deutsch als zweite Amtssprache ist bei seiner Arbeit am Bach unentbehrlich; natürlich präpariert er seine Leute, worum es in der Passion geht. Indes zählen auch Germanisten und Theologen zur erweiterten Equipe des Bach-Collegiums.
Was erwartet den Hörer in der Tonhalle? Wie zur Schärfung innerer Vorgänge biegt Suzuki auf der CD jedwede Turbulenz ins Spirituelle zurück. Die Passion ruht in sich, ihr Atem ist lang. Sie prügelt dem Hörer kein Tribunal ins Ohr, sondern denkt die Frage des Pilatus still weiter: Was ist Wahrheit? Die Dramatik des Werkes rückt Suzuki in den Gestus einer Predigt, die nicht eifert, sondern betrachtet.
Der Chor: fabelhaft leuchtend, anspringende Rhetorik, preußische Deklamation. Man glaubt es nicht, doch ist es Wahrheit.
Info www.tonhalle.de