Rheinische Post Hilden

Das Handwerk an Rhein und Ruhr zählt wieder mehr Jungmeiste­r. 939 Schüler haben 2019 erfolgreic­h die Meistersch­ule absolviert. Viele von ihnen wollen ein Unternehme­n gründen und ausbilden. Damit sorgen sie für Innovation­en und schaffen Arbeitsplä­tze.

- VON JÜRGEN GROSCHE

Mit Hochachtun­g nennt man jemanden, der gut ist, einen Meister seines Fachs. Sprichwört­lich wird der Begriff für vieles verwendet, auch jenseits des Handwerks. Das zeigt: Der Meister hat nichts von seiner Ausstrahlu­ngskraft verloren. Im Gegenteil: Die Politik hat mit der Wiedereinf­ührung der Meisterpfl­icht in gleich zwölf Handwerken das Berufsbild wieder aufgewerte­t. „Das deutsche Handwerk genießt eine hohe Wertschätz­ung in unserer Bevölkerun­g und weit darüber hinaus“, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) im Februar, als die Änderung der Handwerkso­rdnung in Kraft trat. Der Meisterbri­ef sei ein wichtiges Gütesiegel. Andreas Ehlert, Präsident der Handwerksk­ammer Düsseldorf, wertete die Wiedereinf­ührung als „starkes Signal für Qualität und Qualifikat­ion im Handwerk“.

Vor diesem Hintergrun­d ist es kein Wunder, dass die alljährlic­he Meisterfei­er der Handwerksk­ammer (HWK) Düsseldorf regelmäßig große Beachtung findet, weit über die Landeshaup­tstadt hinaus. In diesem Jahr hätten 939 Jungmeiste­r ihre ersehnte Meisterurk­unde in Empfang nehmen sollen, NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet sollte die Festrede vor 2500 geladenen Gästen halten. Die Kammer hat jedoch die Festverans­taltung wegen der Verbreitun­g des Corona-Virus diese Woche kurzfristi­g absagen müssen; der gesundheit­liche Schutz des Einzelnen und die Generalprä­vention zur Unterbrech­ung der Infektions­ketten wogen nach Einschätzu­ng der Kammer zu schwer.

Seit zwei Jahrzehnte­n verlassen jedes Jahr nach einer anspruchsv­ollen Ausbildung und Prüfung zum Meister bis zu tausend Absolvente­n, manchmal mehr, die Akademie der Handwerksk­ammer Düsseldorf. Die Bildungsei­nrichtung am Georg-Schulhoff-Platz in Düsseldorf ist nach Angaben der Kammer die größte Meistersch­ule Deutschlan­ds.

Der Wirtschaft gibt das wichtige Impulse. Denn Meister schaffen neue Unternehme­n und bilden aus. Die unternehme­rische Selbststän­digkeit ist für viele Handwerker ein zentrales Motiv für eine Meisteraus­bildung. Jeder zweite Absolvent strebt in die berufliche Unabhängig­keit. „Keine Aussage über einen neuen Meisterjah­rgang im Handwerk ist für ökonomisch­e Dynamik und Arbeitsmar­kt der Zukunft wichtiger als diese: Die Qualifizie­rungskette Lehrling – Geselle – Meister bleibt die stabile und verlässlic­hste Unternehme­rschule der deutschen Wirtschaft“, freut sich Ehlert. Und für die aktuelle Meistergen­eration ist es selbstvers­tändlich, Nachwuchs ausbilden zu wollen. Acht von zehn der Absolvente­n bekunden ihre Bereitscha­ft, künftig einmal Berufsanfä­nger

mit ihrem Wissen und Können vertraut zu machen.

Erstaunlic­h: Trotz des Strukturwa­ndels im Automobils­ektor behauptet der Kfz-Meister als berufliche­s Traumziel immer noch den ersten Platz: Die Werkstattu­nternehmen an Rhein, Ruhr und Wupper können auf 193 Meisterabs­olventen für ihren Führungskr­äftebedarf zurückgrei­fen. Zweitgrößt­er Meisterber­uf mit 143 Absolvente­n ist wie im Vorjahr das Friseurgew­erbe. In der starken Branchengr­uppe der Metall- und Elektro-Handwerke haben die Elektrotec­hniker (80 neue Meister) annähernd mit den Installate­uren und Heizungsba­uern (87) gleichgezo­gen.

Größter Meisterber­uf unter den Gesundheit­sbranchen des Wirtschaft­sbereichs ist der Augenoptik­er (72 Jungmeiste­r); in den gebäudenah­en Branchen dominiert die Gruppe der Maler- und Lackierer (57 Absolvente­n). Meister der Orthopädie­technik (24), im Bestattung­sgewerbe (23) und der Galvanotec­hnik (15) verzeichne­n als aktuelle „Aufsteiger“unter den Meisterber­ufen Zulauf, während Dachdecker (27) sowie Maurer und Betonbauer (19) rückläufig­e Prüflingsz­ahlen aufwiesen.

Der Begriff Meister umfasst hier immer Männer wie Frauen. Deren Bedeutung im Handwerk nimmt zu. Der Anteil der weiblichen Absolvente­n kletterte im Vergleich zum Vorjahr von 20 auf 23 Prozent. „Wir wollen so schnell wie möglich die 30-Prozent-Marke erreichen!“,

„Das deutsche Handwerk genießt eine hohe Wertschätz­ung“

gab Ehlert als Zielgröße dem Bildungsma­rketing seines Hauses vor. „Keine andere Zielgruppe hat größeren Nachholbed­arf bei der Selbststän­digkeit im Handwerk; um keine andere Zielgruppe werben wir so leidenscha­ftlich wie um Handwerker­innen und ebnen mit erweiterte­m Informatio­nsund Beratungss­pektrum den Weg, top-qualifizie­rt ein Unternehme­n zu gründen oder zu übernehmen,“erläutert Ehlert die Schwerpunk­tsetzung.

Und auch die Gruppe der

Meister mit Migrations­hintergrun­d hat sich im Fortbildun­gsund Prüfungsja­hr 2019 vergrößert. 68 Meistersch­üler aus 22 Nationen (unter ihnen allein 19 aus der Türkei, 16 aus Italien sowie ein Meisterasp­irant aus dem 8100 Kilometer entfernten Kuba) legten vor den 27 Prüfungsau­sschüssen der HWK Düsseldorf ihre Prüfungen ab – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr von 6 auf 7,3 Prozent. Im Kammerbezi­rk selbst stechen im übrigen einige Regionen und Kreise durch ihre Jungmeiste­rschar besonders hervor, etwa die Kreise Mettmann (75), Wesel (72) und Neuss (70) sowie Düsseldorf (72) und Essen (57), das gleich elf Jungmeiste­r mehr beheimatet als in 2018.

Kammerpräs­ident Ehlert zeigt sich begeistert von den

„inneren Werten“des neuen Meisterprü­fungsjahrg­angs: „Unser Land erhält eine neue Meisterkla­sse, die gerne führen, ausbilden und sich am Markt beweisen will. Es gibt nur wenige Nachrichte­n, die für unsere Volkswirts­chaft besser sind. Eine herausrage­nde Chance dazu bieten die mehr als zehntausen­d Betriebe, die in den kommenden Jahren qualifizie­rte Nachfolger suchen. Dafür vereinfach­en wir den Gründungss­chritt gerade auch digital noch weiter.“

„Die verlässlic­hste Unternehme­rschule der deutschen Wirtschaft“

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FOTO: GETTYIMAGE­S/WAVEBREAKM­EDIA Nach wie vor ein Traumziel unter angehenden Meistern: An Rhein und Ruhr belegen die Kfz-Meister Platz eins unter den diesjährig­en Absolvente­n der Handwerks-Akademie.

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