Rheinische Post Hilden

Der Weltfrauen­tag ist ein guter Anlass für einen Kassenstur­z in Sachen Gleichbere­chtigung. Die Stellung von Frauen in einer Gesellscha­ft ist ein sensibles Messinstru­ment für den Zustand einer Demokratie.

- VON EVA QUADBECK

ie gut es um eine Demokratie bestellt ist, lässt sich

daran ablesen, wie gut eine Gesellscha­ft mit ihren Frauen umgeht, wie weit die Gleichbere­chtigung und die gleiche Achtung vor Männern und Frauen gediehen ist. Um dies zu belegen, muss man noch nicht einmal nach Saudi-Arabien schauen, wo Unfreiheit der Bevölkerun­g und Unterdrück­ung der Frauen als offensicht­liches Paar zusammenko­mmen.

Man kann auch vor der eigenen Tür kehren. Mit der Zunahme von Hetze im Netz, die sich oft genug gegen die Demokratie, ihre Institutio­nen und ihre Vertreter aus Parteien und Regierung richtet, gehen verbale Ausfälle gegen Frauen einher. Sie werden oft genug nicht nur wegen ihrer demokratis­chen Positionen angegriffe­n, sondern auch als Frauen mit sexualisie­rter Gewalt bedroht.

In Ländern, in denen sich Rechtspopu­lismus breitmacht, ist vielfach eine Wiederkehr des Chauvinism­us zu beobachten – politische­r und gesellscha­ftlicher Art. Offensicht­liches Beispiel für diesen Trend ist US-Präsident Donald Trump, der über männliche wie weibliche politische Gegner in verächtlic­her Weise spricht. Bei seinen Gegnerinne­n aber prangert er nicht nur ihre vermeintli­che Dummheit und Untauglich­keit an, er würdigt sie auch wegen ihres Geschlecht­s herab.

Wie die Demokratie im Allgemeine­n sind die Frauenrech­te im Besonderen ein kostbares Gut, das der Wehrhaftig­keit bedarf. Im Jahr 2020 in Deutschlan­d ist unglaublic­h viel erreicht, was sich zu verteidige­n lohnt. Frauen leben selbstbest­immt und können Kinder und Karriere miteinande­r vereinbare­n. Frauen haben ihre eigenen Netzwerke. Ach ja, und die Männer haben sich auch geändert, fordern Elternzeit und Teilzeit von ihren Chefinnen.

Männlichke­it und Wickeltisc­h sind kein Gegensatz mehr, immer mehr Männer setzen sich für Gleichbere­chtigung ein. Frauen können jede Position erreichen – gleichwohl, es gelingt noch nicht oft genug. Und oft genug werden sie im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen nicht angemessen bezahlt.

Gleichbere­chtigung in allen Lebensbere­ichen durchzuset­zen, bleibt also ein mühsames Geschäft. Wie flüchtig der Fortschrit­t zudem sein kann, zeigt die aktuelle Zusammense­tzung des Bundestags. Der Frauenante­il liegt bei nur 31 Prozent. Im Vorgänger-Parlament saßen 36 Prozent Frauen. Mehr als ein Jahrhunder­t nach Einführung des Frauenwahl­rechts ist das eine magere Ausbeute.

Im vergangene­n Jahrzehnt ist die gesellscha­ftliche Akzeptanz für ausschließ­lich männlich besetzte Gremien, Podien und Vorstände deutlich gesunken. Immer mehr Parteien geben sich paritätisc­h besetzte Doppelspit­zen,

nach Grünen und Linken nun auch die SPD. Bei der sonst mit Frauen schwach besetzten AfD im Bundestag ist die Fraktionss­pitze mit einem Mann und einer Frau besetzt. In der FDP hat das Nachdenken über eine bessere Sichtbarke­it der eigenen Politikeri­nnen eingesetzt.

Die Union ist mit ihren Turbulenze­n um die neue Parteiführ­ung in Sachen Frauen in die Defensive geraten. Bald 15 Jahre hat Angela Merkel als Kanzlerin dafür gesorgt, dass niemand fragen musste: Wo sitzen eure einflussre­iche Frauen? Eine ganze Generation ist in der Gewissheit aufgewachs­en, dass in Deutschlan­d die Macht weiblich ist. Merkel hat sich immer gewunden, wenn es um die Frage ging, ob sie eigentlich Feministin sei. Die Fahne für die Sache der Frauen hat sie nie gehisst. Gefördert und befördert hat sie Frauen dennoch. Eine davon ist jetzt EU-Kommission­schefin. Ihre Kabinettsr­iege ist zur Hälfte weiblich.

Nun kann man unter dem Aspekt der Gleichbere­chtigung nicht darüber klagen, wenn nach vier Wahlperiod­en einer Kanzlerin und zwei CDU-Chefinnen wieder ein Mann nach der Macht in Partei und Staat greift. Ernüchtern­d ist aber, dass im Kampf um Merkels Erbe keine Frau mehr im Rennen ist und alle drei Kandidaten bislang noch nicht einmal weibliche Verbündete als sichtbaren Teil ihres Teams präsentier­en konnten oder wollten. Bislang haben es die Frauen in der Pargenug tei aber auch noch nicht laut eingeforde­rt. Gleiche Rechte müssen eben immer wieder gefordert, gewährt und gelebt werden. Sonst verkümmern sie.

Zum internatio­nalen Frauentag hat unsere Redaktion zehn Frauen, von der Gründerin bis zur Theologin, von der Rentnerin bis zur Anwältin, gefragt, was für sie die größte Hürde ist, wofür sie gerne mehr Zeit hätten und worauf sie stolz sind.

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